Vereinbarkeit von Familie und Job bleibt für viele Eltern, meist Frauen, ein nur schwer umsetzbares Ideal.

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Der Ausbau der Kinderbetreuung ist in Vorarlberg gesetzlich festgeschrieben. Ab diesem Jahr müssen Gemeinden ganztägige Betreuung für Kinder ab drei Jahren zur Verfügung stellen – wenn die Eltern das fordern. Die Stimmung, vor allem in Dörfern, ist mitunter aber eine andere, was dazu führt, dass Gemeinden zwar Angebote ausbauen würden, dies aufgrund fehlender Nachfrage aber nicht tun.

Manche Gemeinden melden bereits Probleme mit der Umsetzung – vor allem wegen fehlenden Personals. Die Neos haben vor einigen Tagen eine Petition für kostenlose Kinderbetreuung in Vorarlberg lanciert.

Drei Mütter erzählen von ihren Erfahrungen mit Kinderbetreuung in Vorarlberg.

36 Jahre, ein Kind, Familie wohnt in einem Dorf:

"Für ein zweites Kind müsste ich meinen Job an den Nagel hängen"

"Fast ein Jahr vor Karenzende habe ich mich auf die Suche nach einem Betreuungsplatz für meinen Sohn gemacht. Mein Partner ist selbstständig, ich arbeite zwölf Stunden als Versicherungskauffrau, und gemeinsam führen wir im Nebenerwerb noch eine Biolandwirtschaft. Mit unserem Sohn wohnen wir in einer kleinen Gemeinde mit nur 400 Einwohnern – für Kinder unter vier Jahren gab es damals, 2020, keine Betreuung. In den umliegenden Gemeinden hieß es, dass es nur Plätze für Kinder mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde gebe. Nachdem ich mich in einem Schreiben ans Land gewandt hatte, wurde mir plötzlich doch ein Platz in einer der umliegenden Gemeinden angeboten – später wurde uns dann aber mitgeteilt, dass es sich dabei um einen Fehler gehandelt habe und wir nur eine Ausnahmegenehmigung hätten.

Mittlerweile haben wir einen Platz in unserer Gemeinde, aber nur halbtags und ohne Ferienbetreuung. In den Herbstferien hätte es ausnahmsweise eine gegeben, aber es hat sich nur ein anderes Kind angemeldet. Weil dessen Mutter in Karenz ist, wurde mir von der Kindergartenleitung mitgeteilt, dass sie eine Ferienbetreuung ja nicht brauche – und nur wegen uns werde es keine geben, ich solle mir eine andere Lösung überlegen. Leider sind wir nicht gesegnet von Omas und Opas, denen wir in den Ferien unser Kind bringen können. Mein Arbeitgeber ist glücklicherweise flexibel und weiß um die schwierige Betreuungssituation. Ich kann Stunden für Ferien vorarbeiten.

Ich habe mir schon oft Gedanken darüber gemacht, was ich tun würde, wenn wir uns für ein zweites Kind entscheiden würden, und komme jedes Mal zu dem Schluss, dass ich meinen Job als Versicherungskauffrau an den Nagel hängen müsste, obwohl ich in einigen Jahren höchstwahrscheinlich die Aussicht auf einen Abteilungsleiterjob hätte. Für das müsste ich natürlich auch mehr als die zwölf Stunden arbeiten. Klar könnte ich ab nächstem Jahr fünf Vormittage arbeiten, aber habe immer das Problem mit den Ferien. Und ganztags ist ja gar nicht möglich. Unser Sohn steht natürlich immer an erster Stelle. Aber als Mama im Berufsleben ist man einfach ständig in einem Zwiespalt."

Alleinerzieherin mit zwei Kindern in einem Dorf:

"Der Unterschied zwischen Stadt und Land ist schockierend"

"Nach der Trennung von meinem Mann musste ich das gemeinsame Haus in Dornbirn mit den Kindern verlassen und bin zurück in mein Elternhaus auf dem Land in den Bregenzerwald gezogen. Es liegen nur zwölf Kilometer dazwischen, aber die Unterschiede, was Kinderbetreuung betrifft, waren für mich echt schockierend.

Man fragte mich bei der Eingewöhnung, wie alt mein Sohn sei, und als ich sagte, er ist zwei und wird im Oktober drei, hörte ich: 'Und dann ist er schon jeden Vormittag in der Spielgruppe?' Der Kleine ist mit seinen fünf halben Tagen und einer Mittagsbetreuung einer von zweien, die 'so viel' betreut sind. Alle anderen Kinder sind – im Alter von drei Jahren – maximal drei halbe Tage in der Spielgruppe. Mittagsbetreuung gibt es nur einmal.

Ich habe Glück, denn meine Mama übernimmt einen Mittag. So habe ich zweimal in der Woche einen 'langen' Vormittag und kann gut Termine und Workshops wahrnehmen. Ich bin im Bereich Onlinemarketing als Selbstständige tätig.

Das Dorf würde das Angebot für Kinderbetreuung erhöhen, aber der Bedarf ist nicht da. Es wird einfach nicht genutzt. Aus welchen Gründen auch immer. Dieser Gap zwischen Land und Stadt ist mir ein Rätsel. Ist es so, dass die Frauen, die in der Stadt arbeiten gehen – weil sie wollen oder müssen oder weil sie höhere Kosten haben –, darum die Kinderbetreuung mehr nutzen? Arbeiten die Frauen, die auf dem Land wohnen, weniger, oder haben sie alle Omas und Opas, die die Kinderbetreuung übernehmen? Ich verstehe es nicht.

Außerdem habe ich auch das Gefühl, dass man am Land noch zusammenbleiben 'muss', wegen dem Gerede und weil man sich nicht scheiden lässt. Ich hatte einmal ein spannendes Gespräch mit einer Erzieherin aus dem Kindergarten, die das auch bestätigte."

37 Jahre, zwei Kinder mit Ehemann in der Stadt:

"Nach meiner Karenz war ich keine attraktive Arbeitnehmerin mehr"

"Ich habe vor der Geburt unserer zwei Kinder viele Jahre als Rechtsanwaltssekretärin und Vorstandssekretärin einer Bank gearbeitet. Unterstützung durch Großeltern haben wir nicht. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, dass mein Mann Vollzeit arbeitet und ich nur Teilzeit. Grund dafür ist, dass er deutlich mehr verdient. Meine Wunschvorstellung wäre, dass wir beide 30 Stunden arbeiten.

Geplant hatten wir, dass ich halbtags (50 Prozent) arbeiten werde. Leider war 2021 die Betreuungssituation wegen Corona noch sehr fragil. So habe ich eine für mich persönlich nachteilige Entscheidung getroffen und mit nur 15 Stunden wieder begonnen zu arbeiten. Mit diesem geringen Stundenausmaß war ich für meinen Arbeitgeber keine attraktive Arbeitnehmerin mehr. Ich wurde am Schalter eingesetzt – die einzige Stelle bei einer Bank, bei der man nicht über Gleitzeit verfügt. Ich sollte bis 12.30 Uhr arbeiten, allerdings hatte ich für meine Kinder auch nur bis 12.30 Uhr Betreuung. Ich habe schnell gesehen, dass ich mich nach einem anderen Job umsehen muss.

Es gab viele Teilzeitangebote. Allerdings oft mit fixen Arbeitszeiten oder der Forderung nach bestimmten ganzen Arbeitstagen, als Urlaubsvertretung 100 Prozent zu arbeiten oder immer am Monatsende Überstunden zu machen. Am schlimmsten fand ich die Gehaltsvorstellungen – all meine Berufserfahrung war plötzlich in Teilzeit nichts mehr wert. In jedem Bewerbungsgespräch bekam ich Fragen darüber gestellt, ob wir Unterstützung durch Großeltern haben, was mein Mann beruflich macht, wer im Fall der Fälle zu Hause bei den kranken Kindern bleibt. Seither weiß ich, warum Frauen hier so wenig verdienen.

Sie verdienen nicht nur weniger, weil sie sich die falschen Jobs aussuchen und Teilzeit arbeiten. Sie verdienen auch deshalb so wenig, weil ihre Not gewissermaßen ausgenützt wird – bist du nicht flexibel und kümmerst du dich in erster Linie um die (kranken) Kinder, so bezahlst du das mit deinem Stundenlohn. Auch ich habe nun eine Stelle mit 22,5 Stunden angenommen, bei der ich weniger verdiene als in meinem alten Job. Das habe ich in Kauf genommen, weil ich nun über Gleitzeit verfüge und so Familie und Beruf für mich besser vereinbar sind.

Ich habe mit vielen Müttern gesprochen. Typisch vorarlbergisch jammern sie nicht, sondern sie suchen Lösungen. Sie arbeiten am Wochenende, sie arbeiten im Direktvertrieb von zu Hause aus, sie bleiben mehrere Jahre ganz zu Hause, um ihrem beruflich erfolgreichen Mann den Rücken freizuhalten, sie nehmen schlechtbezahlte Jobs an trotz ihrer hochwertigen Ausbildung. Kurzum: Sie treffen für sich persönlich finanziell nachteilige Entscheidungen, damit Familie und Beruf vereinbar sind. Das tun Frauen ja nicht deshalb, weil sie dumm sind, sondern weil sie vom System dazu gezwungen werden." (Lara Hagen, 7.3.2023)