Xi Jinping lässt bei der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses mit neuen Tönen aufhorchen.

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Überraschungen gibt es im politischen Betrieb Chinas selten, und so ist es auch bei den aktuell stattfindenden "Zwei Sitzungen", wie die Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses und des Ausschusses der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes genannt werden.

Erwartet worden war ein Umbau der Regierungsmannschaft, um diese noch mehr auf Präsident Xi Jinping auszurichten. So ist es gekommen. Die wohl bedeutendste Veränderung ist die des Ministerpräsidenten. Li Keqiang, der vielen als "letzter Technokrat" galt, macht nach zwei Amtsperioden Platz für seinen Nachfolger, der sich nur durch eine Silbe von seinem Namen unterscheidet: Li Qiang gilt als enger Vertrauter Xis, ebenso wie dessen Stellvertreter Ding Xuexiang. Xi-Loyalisten besetzen auch Schlüsselstellungen bei Chinas oberster Wirtschaftsplanungsbehörde, der Zentralbank, beim Finanzministerium sowie dem Ministerium für Wissenschaft und Technologie. Von einer ideologischen "Wagenburg" ist deswegen die Rede, aus der es aggressiv nach außen tönt.

Russlandaffine Töne

Xi bedient sich derzeit einer Rhetorik, die manchen von seinem russischen Amtskollegen bekannt vorkommen dürfte: Der Westen unter Führung der USA habe China "rundum abgeschottet, eingekreist und unterdrückt, was die Entwicklung unseres Landes vor noch nie dagewesene Herausforderungen gestellt hat", sagte er vor den Delegierten des Nationalen Volkskongresses am Montag. Xi wird beim Nationalen Volkskongress auf seine dritte Amtszeit vereidigt werden, was ihn zum mächtigsten chinesischen Präsidenten seit Mao Zedong macht.

Der neue Außenminister Qin Wang – auch er gilt als Xi-Vertrauter und Hardliner – warnte Anfang der Woche, wenn die USA "nicht auf die Bremse treten, sondern weiterhin den falschen Weg verfolgen, könnten auch Leitplanken eine Entgleisung nicht mehr aufhalten". Qin war im vergangenen Dezember auf Wang Yi gefolgt, der oberster Chefdiplomat wurde. Beide gelten als außenpolitische Hardliner und Xi-Getreue. Wang hat auf der Münchener Sicherheitskonferenz Ende Februar den USA eine "Schmutzkampagne gegen China" vorgeworfen.

Neuster Akt im Wirtschaftskrieg

Pekings unklare Positionierung, seine "russophile Neutralität", sorgt für massiven Unmut im Westen. Der im Oktober von Washington verhängte Chip Act, der das Land von modernster Halbleitertechnologie abschneiden soll, wird in China als neuster Akt im Wirtschaftskrieg gesehen. Die Eskalation wird derzeit von beiden Seiten vorangetrieben, der Anti-China-Kurs ist seit 2018 Konsens in der amerikanischen Politik.

Kürzlich erst haben die USA Waffenlieferungen im Wert von 619 Millionen Dollar an Taiwan genehmigt. Für Turbulenzen in den Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt hat auch die Ballonaffäre vor drei Wochen gesorgt. Im US-Luftraum war ein chinesischer Ballon aufgetaucht, der laut Weißem Haus für Spionagezwecke genutzt wurde. Peking hatte von einem Wetterballon gesprochen.

Möglich ist auch, dass Peking derzeit mit lauteren nationalistischen Tönen die eigene Bevölkerung von wirtschaftlichen Problemen ablenken will. Fünf Prozent lautet das Wachstumsziel für dieses Jahr – so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht. Als Ursache gelten einerseits die strikte Zero-Covid-Politik der vergangenen zwei Jahre, andererseits die vor sich hinschwelende Immobilienkrise. Helfen könnten eigentlich stabile Handelsbeziehungen zur EU und den USA. Die schrillen Töne aber tragen aktuell nicht dazu bei. (Philipp Mattheis, 7.3.2023)