Betreuungspflichten sind der häufigste Grund für Teilzeitarbeit.

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Freiwilligkeit. Um dieses Wort ist in Zusammenhang mit der Teilzeitarbeit in Österreich eine rege Debatte entbrannt. Dass viele Menschen angeblich freiwillig in Teilzeit arbeiten, sieht Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) als Gefahr für die künftige Finanzierung des Sozialstaats. Es brauche daher Anreize für mehr Vollzeitarbeit, möglicherweise gar die Kürzung von Sozialleistungen oder ähnliche Strafmaßnahmen für derart freiwillig Teilzeitarbeitende, hat der Minister in die Diskussion gebracht. Auch den oppositionellen Neos schwebt ein sogenannter Vollzeitbonus vor.

Doch diese Konzepte haben nur dann Sinn, wenn es sie denn tatsächlich in großer Zahl gibt, die freiwillig Teilzeitarbeitenden. Das führt zur Frage: Wie viele Menschen in Österreich arbeiten eigentlich freiwillig in Teilzeit?

Finanzierbarkeit des Sozialsystems

Fest steht: Die Bedenken, die Kocher im Zuge seiner Forderung nach weniger Teilzeitarbeit zum Ausdruck gebracht hat, sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Das Sozialsystem hängt an den Beiträgen der Erwerbstätigen, die als Pensionsversicherung einerseits und als Einkommensteuer andererseits geleistet werden. Aber was sind die Motive für die rund 1,5 Millionen Menschen im Land, die Teilzeitarbeit leisten?

Allzu viele offizielle Zahlen stehen nicht zur Verfügung, um diese Frage zu beantworten. Fündig wird man jedoch im Allgemeinen Einkommensbericht des Rechnungshofs. "Der häufigste Grund für Teilzeitarbeit war die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen", liest man da. Demnach entschieden sich im Jahr 2021 32 Prozent der Teilzeitarbeitenden aufgrund von Betreuungspflichten gegen eine Vollzeitstelle.

Hauptgrund Betreuungspflicht

Beträchtlich fällt hierbei der Unterschied zwischen Männern und Frauen aus. Bei Frauen beträgt der Anteil jener, die gezwungenermaßen aufgrund von Betreuungspflichten in Teilzeit arbeiten, ganze 40 Prozent. Bei Männern macht er nur sieben Prozent aus.

Welche Gründe gibt es sonst noch für Teilzeitarbeitende? Ein nicht unwesentlicher Anteil – über zehn Prozent – hat nach einer Vollzeitstelle gesucht, aber keine gefunden. Weiters wäre da die schulische oder berufliche Weiterbildung als Grund für weniger Stunden. Diese ist bei 31 Prozent der männlichen und elf Prozent der weiblichen Teilzeitarbeitenden das Hauptmotiv.

Zweithäufigstes Motiv Freiwilligkeit

Der zweithäufigste Grund für die Teilzeit – hinter den Betreuungspflichten – ist jedoch die Freiwilligkeit. 28 Prozent geben als Motiv an, dass sie schlicht "keine Vollzeitarbeit möchten" und ein "anderer persönlicher Grund" vorliege. Bei den Frauen beträgt der Anteil 29 Prozent, bei Männern 24 Prozent.

Auffällig ist dabei, dass jene, die freiwillig in Teilzeit arbeiten, vergleichsweise gut verdienen. Das Gehalt dieser Beschäftigten beträgt demnach im Durchschnitt 21.771 bzw. 22.674 Euro brutto im Jahr – das durchschnittliche Jahreseinkommen aller Teilzeitbeschäftigten hingegen fiel mit 16.225 Euro deutlich geringer aus. "Jene Personen, die 'freiwillig' in Teilzeit arbeiten, wiesen die höchsten Einkommen auf", heißt es dazu im Bericht des Rechnungshofs.

Bei Einkommensstarken beliebt

Ein ähnliches Bild zeichnet auch eine Analyse aller unselbstständig Beschäftigten des arbeitnehmernahen Momentum-Instituts in Wien aus dem Februar: "Die größte Reduktion der normalen wöchentlichen Arbeitszeit (inklusive Teilzeit und Überstunden) fand bei jenen mit den höchsten Einkommen statt." Das Institut verglich die Anzahl der Arbeitsstunden nach Einkommensdezilen von 2014 bis 2021. Die Menschen mit dem höchsten Stundenlohn verringerten ihre Arbeitszeit in diesem Zeitraum von 37,4 auf 35 Stunden. Mit 35,9 Wochenstunden wird nun im achten Dezil am meisten gearbeitet, während das sechste Dezil mit 27 Prozent die höchste Teilzeitquote aufweist.

Außerdem macht die Analyse deutlich, dass die jungen Beschäftigten nicht federführend im Bereich der Teilzeit sind: Bei den 15- bis 34-Jährigen betrug die Teilzeitquote zwischen 17,3 und 29 Prozent, während sie in den älteren Kohorten durchwegs über dem Durchschnitt von 32 Prozent lag.

Was sagt das alles? Erstens, Teilzeitarbeit ist bei weitem kein Phänomen der Jungen. Zweitens, obwohl Freiwilligkeit als durchaus häufiges Motiv für Teilzeitarbeit genannt wird, ist doch der Faktor der Betreuungsarbeit noch wichtiger. Die altbekannten Forderungen nach mehr Kinderbetreuungseinrichtungen und einer gerechteren Aufteilung der sogenannten Care-Arbeit zwischen den Geschlechtern sollten in der aktuellen Teilzeitdebatte jedenfalls nicht außer Acht gelassen werden, wenn man die Teilzeitarbeit reduzieren möchte. (Magdalena Frei, Joseph Gepp, 8.3.2023)