Der südpazifische Inselstaat Vanuatu war in den vergangenen Tagen einer beispiellosen Serie von Naturgewalten ausgesetzt. In der Vorwoche waren zuerst am Mittwoch der Zyklon Judy und zwei Tage später der Zyklon Kevin mit der Kategorie vier und Windgeschwindigkeiten von mehr als 200 km/h hinweggefegt, begleitet von schweren Regenfällen. Dazu ereignete sich am Freitag noch ein Erdbeben der Stärke 6,5, was auch zu einer Tsunamiwarnung führte. Auf die ersten Erdstöße folgten mehrere Nachbeben, die bis zu Stärke 5,4 erreichten.

Die Regierung Vanuatus sagte, die beiden Stürme hätten im ganzen Land schwere Verwüstungen angerichtet und Schäden an Häusern und der Infrastruktur wie Straßen und Strom- und Telekommunikationsnetzen verursacht. In der Folge wurde am Samstag der Notstand ausgerufen. Premier Ishmael Kalsakau ordnete eine Bestandaufnahme der Schäden an. Dem Katastrophenschutz Vanuatus zufolge ist der Großteil der rund 320.000 Einwohner direkt von den Folgen betroffen. Es gebe keinen Strom, kein sauberes Wasser und keine Kommunikationsverbindungen. Wenigstens wurden bisher keine Todesopfer gemeldet.

Durch die Wirbelstürme wurden auch Flugzeuge in Port Vila beschädigt.
Foto: AFP/FRENCH EMBASSY VANUATU

Die benachbarten Regionalmächte Australien, Neuseeland und Frankreich leiteten bereits Unterstützung und Hilfe für Vanuatu in die Wege. Bis zum Montag konnte zumindest der Flughafen der Hauptstadt Port Vila auf der Insel Efate wieder angeflogen werden. Hilfe gestaltet sich freilich schwierig: 65 der insgesamt 83 vulkanischen Inseln sind bewohnt.

Auch Boote wurden bei den Stürmen zerstört.
Foto: AFP/FRENCH EMBASSY VANUATU
Australien schickt mit Militärtransportmaschinen Hilfsgüter nach Vanuatu.
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Tanna von der Außenwelt abgeschnitten

Die Insel Tanna in der Provinz Tafea im Süden Vanuatus gehört zu den von Judy und Kevin am heftigsten betroffenen Gebieten – beide Stürme zogen direkt über die Insel hinweg. Von hier waren seit vergangenem Mittwoch keine Informationen zu erhalten – die Verbindungen zur Außenwelt wurden durch die Stürme gekappt. Nun herrscht Sorge um die Bevölkerung, fast dreißigtausend Menschen leben auf der Insel.

In der Hauptstadt Port Vila wurden die Stromnetze beschädigt.
Foto: AFP/FRENCH EMBASSY VANUATU

Dickinson Tevi, der Generalsekretär des Roten Kreuzes von Vanuatu, erklärte, man versuche immer noch, die Kommunikation mit der Rot-Kreuz-Niederlassung in Tanna herzustellen. Man habe schon vorab Hilfsgüter auf der Insel positioniert. "Obwohl sie vom Rest des Landes abgeschnitten sind, wissen unsere geschulten Mitarbeiter und Freiwilligen auf der Insel, was zu tun ist, denn darauf bereiten wir sie jedes Jahr im Rahmen unserer Schulungen zur Katastrophenvorsorge vor", sagt Tevi, "die Auswirkungen dieser beiden Wirbelstürme werden noch lange zu spüren sein."

Das UN-Kinderhilfswerk Unicef erklärte, dass nach den Wirbelstürmen rund 58.000 Kinder in Vanuatu auf Hilfe angewiesen seien.

Einzigartige Cargo-Kulte

Tanna ist aus kultureller Sicht einzigartig: Die Insel ist das Zentrum der Cargo-Kulte. Im Zweiten Weltkrieg entstand hier die John-Frum-Bewegung und ab den 1960er-Jahren ein Kult um Prince Philip, den Vater von King Charles III. Philip wurde als eine von Tanna stammende Gottheit verehrt. Als der Duke of Edinburgh von dem Kult erfuhr, ließ er einen respektvollen Kontakt mit seinen Anhängern pflegen, gegenseitig wurden Geschenke ausgetauscht und einige Tannaer besuchten den Gemahl der Queen sogar in London.

Nach den Zyklonen war zunächst kein Kontakt mit der Insel Tanna möglich. Hier leben unter anderem die Anhänger des verstorbenen Prince Philip.
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Die Reise der Philip-Verehrer wurde als Doku "Meet the Natives" ("Triff die Eingeborenen") im Fernsehen ausgestrahlt – bei den Eingeborenen handelte es sich in diesem Fall umgekehrter Anthropologie um die Briten. (Michael Vosatka, 8.3.2023)