Diese Frisur ist alles andere als Everybody's Darling. Diese Frisur hat nämlich einen Imageschaden. Vorne kurz, hinten lang, das weckt bei vielen ungute Erinnerungen. An die Fußballspieler der Achtziger- und Neunzigerjahre, an Toni Polster, "Schneckerl" Prohaska, Rudi Völler. Ihnen wehten damals beim Torejagen gelockte Flokatis hinterher.

Dass das Verbreitungsgebiet des Vokuhilas ("vorne kurz, hinten lang") sich auf die Fußballplätze beschränkte, ist allerdings eine Mär. Dieter Bohlen, George Michael, Hartmut Engler, Stadionrocker Bono, der finnische Eishockeyspieler Marko Kiprusoff – sie alle waren dabei. Doch um die Flokatis der Vergangenheit wollen wir uns nicht weiter scheren, über sie wurden schon genügend Worte verloren.

Schauspielerin Kristen Stewart unlängst auf der Berlinale.
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Denn nun hat eine junge Generation, die mit den Stilvorbildern von damals wenig anfangen kann, das Prinzip "vorne kurz, hinten lang" entdeckt. Die Schauspielerin Kristen Stewart, Jurypräsidentin der Berlinale, erschien zuletzt mit einem gefiederten Schopf in der deutschen Hauptstadt, auch der Schauspieler Paul Mescal, bekannt aus der Serie "Normal People" und dem Indie-Film "Aftersun", lässt sein Haar in den Nacken wachsen.

Sie sind nicht die Einzigen, die das umstrittene Gewächs hochhalten. Denn 2023 weht der Vokuhila weniger über die Fußballplätze als durch die sozialen Netzwerke. Auf Tiktok entdeckt die Generation Z den Charme des verlängerten Nackenhaars, selbst Friseurstudios führen vor, wie vielfältig der "Mullet", dem die Beastie Boys 1994 ein musikalisches Denkmal setzten, interpretiert werden kann. Der Vokuhila erfährt wieder einmal eine Imagepolitur, er sei "weird, cool, sexy und befreiend", hieß es unlängst im britischen "Guardian".

Damit stehen dessen aktuelle Ausgaben eher in der Tradition des kunstvollen wie widerspenstigen Gefieders. Wir erinnern uns: David Bowie ließ auf seinem Kopf in seiner Ziggy-Stardust-Phase einen orangeroten Stufenschnitt stehen. Und Patti Smith, die ihre Karriere über die Jahrzehnte stilsicher meisterte, war natürlich auch mit dabei.

Dass der Vokuhila sich in den vergangenen Jahren wieder ins öffentliche Bewusstsein zurückgearbeitet hat, ist kein Zufall. Er funktioniert geschlechterübergreifend und kann als Gegenreaktion verstanden werden: auf die stereotyp langhaarigen Darstellungen von Weiblichkeit im Werbe-Mainstream oder fixe Rollenzuweisungen. Wer Lust am Spielen mit Identitäten hat, dürfte am Vokuhila seine Freude haben.

Der ist seit Jahrzehnten nicht totzukriegen, auch weil in immer kürzer werdenden Abständen die Rückkehr des gestuften Gefieders heraufbeschworen wird. Vor über 20 Jahren beispielsweise widmeten sich die beiden Autoren Mark Larson und Barney Hoskyns mit ihrem Buch "The Mullet: Hairstyle of the Gods" dem Vokuhila. Sie interpretierten ihn als Frisur des neuen Jahrtausends, er vereine "das Beste aus Vergangenheit und Zukunft, die Essenz zweier sonst strikt getrennter Welten".

Tatsächlich wurde der Haarschnitt damals von Frauen wie der deutschen Viva-Moderatorin Charlotte Roche gefeiert. Ihr folgt nun die Generation Z, die den Moden der Nullerjahre verfallen ist. Noch werden Hüftröcke, Tribal-Tattoos, bauchfreie Oberteile und Cargohosen von ihnen rauf und runter getragen. Doch es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die Tiktok-Gemeinde den Vokuhila als vorübergehende Laune abtun wird. Wetten? (feld, 8.3.2023)