Jährlich sterben rund 2.000 Menschen in Österreich an Darmkrebs. Ein etabliertes Screening-Pprogramm könnte diese Zahlen und viel Krankheitsleid deutlich verringern.

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Darmkrebs ist die dritthäufigste Krebserkrankung in Österreich, gut zehn Prozent aller Krebs-Neuerkrankungen in einem Jahr betreffen den Verdauungstrakt. Für das Jahr 2019 etwa wurden 4.444 Neuerkrankungen gemeldet, rund 2.000 Personen pro Jahr sterben an der Erkrankung. Eine Darmspiegelung kann durch Entdeckung und Entfernung von Krebsvorstufen viele Fälle von Dickdarmkarzinomen verhindern. Für Österreich ist ein qualifiziertes Darmkrebs-Screening-Programm empfohlen, doch bisher ist es nicht institutionell etabliert. Die regelmäßige Vorsorge ist eine individuelle Entscheidung.

Dabei würde ein etabliertes Screening-Programm viel Sinn machen. Das zeigt eine der bisher weltgrößten Studien zum idealen Intervall solcher Untersuchungen. Normalerweise finden sie alle zehn Jahre statt. Deutsche Experten haben nun gezeigt, dass speziell bei Frauen mit einem negativen Befund vor dem 60. Lebensjahr eine Koloskopie-Wiederholung nach einem längeren Zeitraum als zehn Jahre ebenso sicher wäre.

"Die Screening-Darmspiegelung ist eine sehr effektive, aber auch aufwendige Vorsorgeuntersuchung", sagte vor kurzem Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ/Heidelberg). "Ließe sich das Intervall zwischen erster und zweiter Screening-Koloskopie in Abhängigkeit von den persönlichen Erkrankungsrisiken ausdehnen, ohne Abstriche bei der Sicherheit zu machen, so wäre das für alle Beteiligten ein Gewinn."

Gut ein Fünftel weniger Darmkrebsfälle in Deutschland

Deutschland hat im Gegensatz zu Österreich seit 2002 ein strukturiertes Koloskopie-Krebsvorsorgeprogramm der Krankenkassen. Das hat laut wissenschaftlichen Studien zu großen Erfolgen geführt. Die altersstandardisierte Inzidenz, also die Häufigkeit von Neudiagnosen pro 100.000 Personen und Jahr, von Dickdarmkarzinomen ging bei Männern im Beobachtungszeitraum 2000 bis 2016 um 22,5 Prozent zurück, bei Frauen sogar um 25,5 Prozent. Denn bei Entdeckung von Krebsvorstufen oder noch gutartigen Darmpolypen können diese sofort ohne Operation entfernt werden, damit wird die Gefahr eines entstehenden Karzinoms beseitigt.

Gleichzeitig sank in Deutschland durch die Früherkennung von Dickdarmkarzinomen die Mortalität bei Männern um 35,8 Prozent, bei Frauen sogar um 50,5 Prozent. Das liegt daran, dass die Erkrankungen in einem heilbaren Stadium entdeckt werden.

Die Frage ist aber, was der ideale Zeitraum für die Wiederholung einer Vorsorgekoloskopie ist. Um eine belastbare Grundlage für zukünftige Screening-Empfehlungen zu schaffen, werteten Brenner und seine Co-Autoren in Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland die Daten des Deutschen Screening-Koloskopie-Registers aus, in das Ärzte seit Einführung der Vorsorge-Darmspiegelung jede Untersuchung eintragen müssen.

Weltweit größtes Register seiner Art

In diesem weltweit größten Register dieser Art untersuchten die Heidelberger Epidemiologen die Häufigkeit von Darmkrebs und seinen Vorstufen bei 120.289 Teilnehmenden, die sich mindestens zehn Jahre nach ihrer ersten Screening-Koloskopie einer weiteren Darmspiegelung unterzogen hatten. "Der Anteil an Personen mit Darmkrebs war zehn Jahre nach einer befundfreien Erstuntersuchung mit etwa 0,2 Prozent sehr niedrig und stieg auch bei Personen, deren Erstuntersuchung bereits 14 Jahre zurücklag, nicht wesentlich an", schreiben die Forschenden zu der wissenschaftlichen Untersuchung, deren Ergebnisse in JAMA Internal Medicine erschienen sind.

Das empfohlene Untersuchungsintervall könnte eventuell an das persönliche Risiko bei bestimmten Personengruppen angepasst werden. Der Erstautor der Studie, Thomas Heisser von der Epidemiologie am DKFZ, erklärt: "Unsere Ergebnisse geben starke Hinweise darauf, dass das derzeit empfohlene Zehnjahresintervall für die Vorsorgekoloskopie bei symptomfreien Patienten mit negativer Ausgangsuntersuchung sicher ist. Außerdem legen die Ergebnisse nahe, dass das Vorsorgeintervall insbesondere bei Frauen, die bei der Erstuntersuchung jünger als 60 Jahre alt waren, verlängert werden könnte."

Krebshilfe empfiehlt Screening ab 45

Für Österreich stellt sich diese Frage aber sicher nur teilweise. Die Krebshilfe empfiehlt die erste Früherkennungskoloskopie ab dem 45. Lebensjahr. An den Untersuchungen beteiligten sich vor der Covid-19-Pandemie aber nur rund 16 Prozent der infrage kommenden Personen, wie der Wiener Chirurg und Koloskopiespezialist Friedrich Weiser erklärt. "Etwa 25 Prozent der Menschen ab 50 haben Darmpolypen. 40 Prozent davon werden bösartig oder sind zum Zeitpunkt der Entdeckung bereits bösartig, also Karzinome."

Wie gut sich ein Screening-Programm auf die Situation rund um Kolonkarzinome auswirken kann, haben zusätzliche Analysen in Deutschland eindeutig gezeigt: So wurden im Jahr 2000 in ganz Deutschland noch 30 Prozent der Dickdarmkrebs-Neudiagnosen im nicht mehr heilbaren Spätstadium IV gestellt. 2016 war dieser Anteil um zehn Prozent (27 Prozent) geringer. Gleichzeitig stieg der Anteil der echten Dickdarmkrebsdiagnosen im durch Operation gut heilbaren Frühstadium I von 17 auf 19 Prozent. (APA, kru, 8.3.2023)