Laufen scheint nicht nur das Leben, sondern auch das Lieben zu verlängern. (Schließlich stellt sich das "Runner’s High" auch erst nach etlichen Kilometern ein.)

DIMITAR DILKOFF / AFP

Der vorzeitige Samenerguss gehört zu jenen Themen des Liebeslebens, über die eher nicht so gerne gesprochen wird. Diese Tabuisierung dürfte wohl auch dazu beitragen, dass die Medizin erstaunlich wenig über die Ejaculatio praecox (EP) weiß, obwohl diese die mutmaßlich häufigste sexuelle Funktionsstörung bei Männern unter 60 ist. Aber selbst bei den Häufigkeiten schwanken die Abgaben zwischen 20 und über 85 Prozent.

Auch die Ursachen vorzeitiger Samenergüsse sind nur wenig erforscht. Manche Fachleute gehen von biologischen Faktoren aus wie einem überempfindlichen Penis oder Veränderungen im Zusammenspiel der Hormone und Nerven. Dementsprechend gibt es auch bei den Therapien noch viele offene Fragen und nur wenige Medikamente zur Behandlung des Problems.

Pharmazeutika versus Bewegung

Laut einer neuen Überblicksstudie, die kürzlich in der Fachzeitschrift "Trends in Urology and Men's Health" veröffentlicht wurde, dürften bestimmte nichtpharmakologische Therapien ähnlich gut – und noch dazu nebenwirkungsfrei – gegen die Funktionsstörung helfen. Insbesondere regelmäßiges Laufen und/oder Beckenbodentraining dürften eine wirksame Methode zur Behandlung der vorzeitigen Ejakulation sein, wie die Auswertung von 54 Studien zeigte, an denen in den letzten 49 Jahren insgesamt 3.485 Probanden teilgenommen haben.

Die neue Studie packt das Problem gleich bei der Wurzel an und kritisiert den (Un-)Wissensstand über die Funktionsstörung, für die es nicht einmal eine einheitliche und konzise Definition gibt, wie das Team um den britischen Epidemiologen Lee Smith (Anglia Ruskin University in Cambridge) schreibt.

Definitorische Unstimmigkeiten

Eine erste Definition stammt noch von Masters und Johnson aus dem Jahr 1970 und beschreibt die EP als Unfähigkeit eines Mannes, die Ejakulation so lange hinauszuzögern, dass seine Partnerin bei 50 Prozent der Geschlechtsverkehrsversuche zum Orgasmus kommt. Die Internationale Gesellschaft für Sexualmedizin definierte ER im Jahr 2014 als Ejakulation, die immer oder fast immer vor oder innerhalb von etwa einer Minute nach der vaginalen Penetration auftritt.

Zur Verlängerung dieser Dauer wird unter anderem das Antidepressivum Dapoxetin (unter dem Handelsnamen Priligy) verschrieben, das ein bis drei Stunden vor dem Sex eingenommen werden muss, sowie Lokalanästhetika wie Clomipramin und Tramadol, von denen viele unangenehme Nebenwirkungen haben. Doch bei der Durchsicht der ausgewerteten Studien zeigte sich, dass zumindest laut einer Untersuchung Läufer länger lieben, um es mit einem Stabreim auf den Punkt zu bringen. 30 Minuten Laufen fünfmal die Woche scheint ähnlich gut zu wirken wie Priligy. Und die Nebenwirkungen sind durchwegs positiv.

Weitere Therapieformen

In einer anderen ausgewerteten Studie wurde drei Monate lang dreimal täglich der Beckenboden trainiert, wodurch sich die Zeit bis zur Ejakulation von durchschnittlich einer Minute auf immerhin drei Minuten verlängerte. Auch verschiedene Formen der Psychotherapie (einschließlich Sexual- und Paartherapie) zeigten positive Ergebnisse bei der Verzögerung der Ejakulation.

Hauptautor Lee Smiths vorläufiges Resümee: "In Anbetracht der Tatsache, dass Medikamente oft Nebenwirkungen haben, scheint es, dass die beste Medizin zur Vermeidung vorzeitiger Ejakulation vielleicht doch in der Bewegung liegt." Um diese Vermutung abzusichern, brauchte es aber nur weitere und vor allem größere Untersuchungen. (tasch, 10.3.2023)