Die Zahl der Primärversorgungszentren in Österreich sollen bis 2025 verdreifacht werden.

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Die von der türkis-grünen Regierung vorgeschlagenen Primärversorgungszentren sorgen für Zwist mit der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). Eine Primärversorgungseinheit (PVE) ist eine Art Gruppenordination, in der mehrere Ärztinnen und Ärzte ordinieren, zusätzlich gibt es Spezialisierungen und Betreuung in unterschiedlichen Fachgebieten wie psychische Gesundheit, Physiotherapie oder auch Diabetesberatung – je nachdem, wo die Ärztinnen und Ärzte einen Schwerpunkt setzen wollen. Das Ziel der Zentren: Ärzte und Ärztinnen sollen entlastet werden, für Patientinnen und Patienten gibt es ein besseres Betreuungsangebot. Anfang März kündigten Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und Gesundheitssprecher Josef Smolle (ÖVP) an, die Anzahl solcher Zentren von derzeit 39 bis 2025 auf 121 erhöhen zu wollen.

Diesen Plan unterstützen Johannes Zahrl, Kammeramtsdirektor der ÖÄK, und Edgar Wutscher, Vizepräsident der ÖAK und Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte, ausdrücklich. Sie hätten für alle Beteiligten unbestrittene Vorteile. Doch gerade im ländlichen Bereich sehen die Vertreter der Ärztekammer eine bessere Versorgung durch Primärversorgungsnetzwerke gegeben. Werden nämlich bereits vorhandene Ordinationen in solch ein Zentrum zusammengeschlossen, könne dies für Patientinnen und Patienten eine längere Anfahrt bedeuten.

Versorgung in ländlichen Gebieten mit anderen Anforderungen

Das Versorgungsangebot wäre dann nämlich nicht mehr auf mehrere Standorte verteilt, sondern an einem Platz gebündelt, das könne die wohnortnahe Versorgung sogar verschlechtern. Man müsse deshalb genau prüfen, wo solche Zentren vorteilhaft sind und wo sie schaden könnten. Zahrl und Wutscher plädieren deshalb für Primärversorgungsnetzwerke, wo die einzelnen Ordinationen bestehen bleiben, aber im Einklang miteinander arbeiten: Öffnungszeiten sollen aneinander angepasst werden, mit entsprechender Zustimmung sollen Patientendaten innerhalb der zugehörigen Ordinationen geteilt werden.

Ähnlich wie bei den Primärversorgungszentren sollen Patientinnen und Patienten mit diesem System von mehreren Ärztinnen und Ärzten betreut werden können, aber nicht nur auf einen Standort reduziert sein. Dieses Konzept könne für Ärztinnen und Ärzte auf dem Land attraktiver sein und auch den Ansprüchen der Patienten besser gerecht werden.

Und auch die Umsetzung solcher PVEs findet die ÖÄK kritikwürdig. Für die Besetzung von Kassenstellen, wie sie auch in PVEs sind, ist nämlich die Ärztekammer zuständig. Laut einer neuen Novelle soll der Ärztekammer diese Zuständigkeit entzogen werden, wenn sie die offenen Stellen nicht innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten besetzen kann. Dann können Landesregierung und die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) selbst eine Primärversorgungseinrichtung ausschreiben.

Schwierige Bedingungen für Ärzte

In diesem Zusammenhang hat Rauch ein "Vetorecht" der Ärztekammer bei der Errichtung einer PVE beklagt. Das können aber weder Wutscher noch Zahrl nachvollziehen. Nicht die Ärztekammer stelle sich quer, sondern es ließen sich oft einfach keine willigen Ärztinnen und Ärzte finden. Mit der neuen Novelle würde sich hier nichts ändern. Zahrl betont: "Die treibende Kraft für eine Primärversorgungseinheit, egal wo in Österreich, waren immer die Kammern und nicht die Kasse."

Das Problem bei der Suche nach Ärzten für die PVEs: Der Abschluss neuer Kassenverträge und die erzwungene Bildung von Gesellschaften würden sie abschrecken. Man müsse die damit verbundene Bürokratie noch einmal überdenken. Unterstützt wird hier besonders der Vorschlag, eine eigene Kommission bezüglich Primärversorgungseinheiten zu gründen, bestehend aus Landesvertretern, ÖGK und der Ärztekammer, wo Beschlüsse nach einem Mehrheitsprinzip getätigt werden sollen. Es könne nicht sein, dass das letzte Wort beim Landesoberhaupt liegt, meint Zahrl.

Für Grünen-Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner wurde mit der Pressekonferenz offensichtlich, dass es der ÖÄK wohl mehr um "das Beibehalten des Status quo und die Interessen einiger Mediziner:innen und weniger um die beste Versorgung der betroffenen Patient:innen" gehe. Den Kommissionsvorschlag der Kammer lehnte er in einer Aussendung ab, erblickte er darin doch den Versuch, wieder eine Vetomöglichkeit über die Hintertür einzuführen. "Ich wünsche mir, dass das alte Denken in der Weihburggasse endlich seinen Hut nimmt und der längst nötige frische Wind einkehrt, den es in der Gesundheitspolitik in unserem Land braucht", erklärte er. (Laura Schnetzer, APA, 8.3.2023)