Mit einer neuen Initiative will das Verteidigungsministerium den Frauenanteil in der Truppe erhöhen. Derzeit liegt er nur bei 4,3 Prozent.

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Pünktlich zum Internationalen Frauentag ist das Verteidigungsministerium zu einem neuen Manöver ausgerückt. Das Ziel: Die Armee soll weiblicher werden. Aktuell beträgt der Frauenanteil im Bundesheer nämlich nur 4,3 Prozent, was 645 Soldatinnen entspricht. Das bedeutet zwar bereits eine deutliche Steigerung binnen einer Dekade – 2013 lag der Anteil noch bei 2,3 Prozent –, ist aber nicht der Plafond, an dem Ressortchefin Klaudia Tanner (ÖVP) verbleiben will. Auch im internationalen Vergleich ist der Wert nach wie vor niedrig.

Ab April haben Frauen daher die Möglichkeit zu einem "freiwilligen Grundwehrdienst": Gedacht ist das Konzept als eine Art Orientierungsphase, die ähnlich dem verpflichtenden Grundwehrdienst für Männer auch ein Hineinschnuppern in die Karrieremöglichkeiten einer Militärlaufbahn ermöglichen soll. Bisher konnten Frauen nur direkt in eine Kaderlaufbahn (Offizier, Unteroffizier) einsteigen, an deren Beginn eine Eignungsprüfung steht.

Begleitende Kampagne

Auch der Start der neuen Orientierungsphase ist mit Anfang April nicht zufällig gewählt. Dann steht Frauen seit 25 Jahren eine Heereslaufbahn offen – am 1. April 1998 rückten die ersten elf Soldatinnen in die heimische Armee ein. Zum Jubiläum soll auch der Ausbildungsdienst für Mannschafts- und Chargenfunktionen geöffnet werden. Dafür wird laut Tanner der Rechtsrahmen des Ausbildungsdienstes genützt. Gesetzliche Änderungen seien deshalb nicht nötig. Verdienen werden die Soldatinnen dabei gleich viel wie ihre männlichen Kollegen. Die Bezahlung liegt bei rund 1250 Euro.

Begleitet werde die Schnupperinitiative auch von einer Kampagne, die das neue Konzept in der weiblichen Zielgruppe bekannter machen soll, heißt es aus dem Verteidigungsministerium im Gespräch mit dem STANDARD. Dafür würden einerseits die Tage der offenen Türen, die Leistungsschau und Angelobung am Nationalfeiertag und die mobile Bundesländertour "Bundesheer on the Road" genützt. Andererseits wolle man heuer am jährlich stattfindenden "Girls’ Day" gezielt die Werbetrommel rühren. Heuer findet dieser am 27. April statt. Für die Veranstaltung, bei der jungen Frauen der Blick in Kasernen und Gespräche mit aktiven Soldatinnen und Soldaten ermöglicht werden, werden auch Frauen bestimmter Jahrgänge angeschrieben.

Sexismus im Alltag

Ein größeres Hindernis als der noch niedrige Bekanntheitsgrad dürfte für weibliche Karrieren im Militär aber etwas anderes darstellen. Denn wie aktive Soldatinnen dem STANDARD berichteten, gehört Sexismus in den heimischen Kasernen nach wie vor zum Alltag. Im Vergleich zur Zeit der weiblichen Pionierinnen bei den Streitkräften, die vor mehr als zwei Jahrzehnten einrückten, habe sich die Lage zwar spürbar verbessert. Frauen seien aber nach wie vor regelmäßig mit sexistischen Bemerkungen ihrer männlichen Kollegen und häufig auch mit körperlichen Übergriffen konfrontiert.

"Da gibt es nichts schönzureden", sagt eine Soldatin mit rund einem Jahrzehnt an Diensterfahrung. "In meiner eigenen Zeit beim Heer ist die Lage um kein Stück besser geworden; außer dass man sich vielleicht die Hand vorhält, bevor man etwas sagt." Dass nach gemeldeten Vorfällen von höherer Ebene der Riegel vorgeschoben würde, funktioniere nur äußerst schleppend.

Soldatinnen in höheren Positionen würden besonders oft zu hören bekommen, dass sie den Posten nur aufgrund ihres Geschlechts bekommen hätten. Auch Wörter wie "Tittenbonus" seien mehrfach gefallen, berichtet eine Soldatin. Bei sexuellen Übergriffen – verbalen und körperlichen – gebe es nur selten scharfe Konsequenzen für die Täter.

"Rigoros dahinter"

Beim Bundesheer würde man dem Thema aktiv begegnen, heißt es aus dem Ministerium. So gebe es ein Mentorinnenprogramm, in dem angehende Soldatinnen von bereits länger im Dienst befindlichen weiblichen Bundesheer-Angehörigen begleitet werden, und eine laufende Kampagne gegen sexuelle Belästigung. Psychologinnen und Psychologen des Bundesheers würden zudem immer mehr in den laufenden Betrieb integriert. Auch die parlamentarische Bundesheer-Kommission sei "rigoros dahinter, dass bei Verfehlungen gestraft wird", sagt ein Ressortsprecher. (Martin Tschiderer, 8.3.2023)