Paprika liebt es warm und feucht. Zu viel Sonne beschert ihm Brandflecken. Auch schwankende Temperaturen und Wind bekommen ihm schlecht. Hermann Unger ist im Seewinkel Herr über eine der größten Anbauflächen des sensiblen Fruchtgemüses. Auf 3,8 Hektar baut er dieses im Burgenland in seinen Glashäusern an. In den vergangenen Jahren war Anfang März die Ernte längst im vollen Gange. Heuer jedoch ticken die Uhren in vielen landwirtschaftlichen Betrieben anders.

Paprika dienen als gern Maßstab für Gemüsepreise. Heuer sind sie in Europa knapp und kostspielig. Große Anbauländer setzten die Produktion aus.
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Die Preise für Strom und Gas schossen 2022 in lichte Höhen. Paprika brauchen in kälteren Gefilden im Winter als Sonnenanbeter Belichtung und Beheizung. Energie ist für Gewächshäuser neben Personal freilich der größte Kostenfaktor. Unger stoppte daher wie der Großteil der österreichischen Gemüsebauern die Produktion. Statt Anfang Dezember pflanzte er neue Kulturen gut drei Wochen später an. Die ersten grünen Paprika liefert seine Familie damit naturgemäß erst kommende Woche aus. Anfang April folgen gelbe und rote.

Martin Merschls Betrieb lebt von jährlich drei Millionen Kilo Tomaten. Auf sieben Hektar zieht der Landwirt diese an der Wiener Peripherie für Supermärkte heran. Teure Energie machte auch ihm einen Strich durch die Rechnung. Vor acht Monaten habe er dafür das Sieben- bis Zehnfache bezahlt. "Das muss man mit Paradeisern erst einmal verdienen."

Riskantes Spiel mit Preisen

Um Kosten zu sparen, setzte Merschl neue Pflänzchen um drei bis sieben Wochen später als bisher. Reif sind die Paradeiser daher erst Ende März. Bis dahin sind Österreichs Konsumenten wie auch in den Monaten zuvor vermehrt auf importiertes Gemüse angewiesen.

Wie viel die frische Ware kosten wird, ist noch offen. Einig sind sich Unger und Merschl darin, "dass das Spiel mit den Preisen gefährlich ist". Keiner wage es, kurzerhand zehn Prozent draufzuschlagen. Denn ehe man es sich versehe, weiche der Handel mit Blick auf sparsame Konsumenten auf günstigere Importe aus – und man bleibe auf der Ernte sitzen.

Wobei auch die großen Anbauländer der EU in den vergangenen Monaten mit ihrem Gemüse geizten und es sich um äußerst knackige Preise abkaufen ließen. Paprika etwa hat sich von Jänner 2022 bis Jänner 2023 um mehr als 24 Prozent verteuert, erhob die Statistik Austria. Für Gurken mussten zugleich um 20 Prozent, für Paradeiser um 16 Prozent mehr hingelegt werden. Die Gründe dafür wurzeln auch international in der Krise der Energiemärkte.

Leere Gemüseregale in England

Gewichtige Produzenten wie Holland und Belgien setzten den Anbau aus. Spanien und Marokko sprangen als Lieferanten ein, litten ihrerseits aber unter längeren Kälteperioden. Beide Länder trafen bei ihren Abnehmern harte Auslesen, infolge derer Märkte wie Großbritannien aufgrund von Zollschranken und langen Transportwegen das Nachsehen hatten.

Ob Brokkoli, Tomaten, Paprika, Salat oder Gurken: Viele Lebensmittelregale bleiben auf der Insel derzeit leer. Erzeugerverbände rechnen mit Engpässen bis in den Mai hinein.

Dass Österreich Gemüse ausgeht, schließt Josef Peck, Chef der LGV Frischgemüse, aus – auch wenn der Anbau von Gurken, Paprika und Paradeisern über den Winter deutlich zurückging. Bis Ostern werde die hiesige Landwirtschaft wieder voll produzieren, ist er sich sicher. Bis dahin müssten Konsumenten eben mit einer statt drei heimischen Sorten eines Gemüses vorliebnehmen.

Peck zufolge verteuerte sich dieses unterm Strich innerhalb eines Jahres zwischen fünf und 20 Prozent. Ähnliche Ausreißer gab es auch in der Vergangenheit. Heuer seien sie jedoch länger und flächendeckender.

Mit einer weiteren Teuerung rechnet Peck, der in der LGV rund 150 Gärtnerfamilien und Gemüsebetriebe vereint, nicht: Die Preise für Gemüse würden sich vorerst wohl, wie bei den meisten anderen Lebensmitteln auch, auf hohem Niveau stabilieren.

Die Schattenseiten der Schönheit

Gerhard Zoubek, Gründer des Biohofs Adamah, der Wien und Umgebung mit Gemüsekistln versorgt, sieht es angesichts der Debatten rund um kostspielige Paprika, Gurken und Paradeiser an der Zeit, den Qualitätsbegriff für Nahrungsmittel kritisch zu hinterfragen.

Statt Inhalt zähle nach wie vor Optik, bedauert der Landwirt. "Warum etwa hat ein geschmacklich besserer Apfel mit Schalenfehler keine Chance gegen Hochglanzobst? Warum muss Wurzelgemüse für den Verkauf gewaschen sein, auch wenn dadurch seine natürliche Schutzschicht aufbricht?"

Zoubek erinnert daran, dass nach wie vor ein Gutteil des Gemüses auf dem Feld bleibe, weil es zu klein, zu groß oder zu krumm sei. Im Lager würden oft weitere zehn bis 20 Prozent im Dienste der Makellosigkeit aussortiert. "Das ist Luxus auf höchstem Niveau."

An gesunden Alternativen im Winter für Paprika und Co mangle es nicht, meint Zoubek und führt eine bunte Palette an gut lagerbarem Wurzel- und Kohlgemüse ins Treffen. Vielen Speiseplänen fehle es jedoch an Kreativität. Zusehends gefragt sei zudem Wissen um alte frostresistente Sorten.

Gemüse aus der Kälte

Günther Achleitner hat sich darauf seit vielen Jahren spezialisiert. Der Biolandwirt baut rund um Eferding auf 100 Hektar ganzjährig zahlreiche winterharten Sorten an – ohne dafür seine Gewächshäuser beheizen und künstlich belichten zu müssen. Gut isoliert und mit Vlies abgedeckt wachsen derzeit etwa Salat in allen Variationen und Spinat heran. Auch Zuckerhut, Kohl und Lauch lasse sich von Minusgraden nicht abschrecken. Sein Fruchtgemüse pflanzt Achleitner erst Mitte April. Bis dahin hält er es für ökologisch vernünftiger, dieses vorwiegend aus südlichen Ländern zu importieren: Denn der CO2-Ausstoß infolge der Transporte sei erheblich geringer als jener der Beheizung und Belichtung von Glashäusern.

Forschen rund um Wintergemüse aus Österreich lässt auch VP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. Mehr als 70 verschiedene Arten, vom Radieschen bis zur Karotte, ließen sich ohne Energieeinsatz ganzjährig anbauen. "Gemüse ist wesentlich härter im Nehmen als bisher angenommen." (Verena Kainrath, 9.3.2023)