Mais im Tank ist nicht immer eine sinnvolle Klimaschutzmaßnahme.

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Wer an der Zapfsäule tankt, tankt nicht nur fossilen Sprit. Seit mehr als zehn Jahren wird dem Diesel und Benzin in der EU auch pflanzlicher Treibstoff beigemengt – je nach Mitgliedsstaat unterschiedlich viel. In Österreich waren es im Jahr 2020 etwa sechs Prozent. Das sollte ursprünglich dabei helfen, den Verkehr klimafreundlicher zu gestalten. Schließlich wachsen Energiepflanzen im Gegensatz zu den endlichen Ölvorkommen nach und emittieren beim Verbrennen nicht mehr CO2, als sie während ihrer Wachstumsphase aufgenommen haben.

Doch die Biokraftstoffe stehen schon seit längerem im Kreuzfeuer der Kritik – vor allem geht es um solchen Sprit, der aus Pflanzen gewonnen wird, die auf Flächen wachsen, wo früher Wald oder andere ökologisch wertvolle Landschaften stehen konnten. Ein am Donnerstag veröffentlichter Bericht der Umweltorganisation Transport and Environment stellt die Klimabilanz des Biosprits erneut infrage. Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) hat im Auftrag der NGO berechnet, dass die derzeit in der EU und dem Vereinigten Königreich verwendeten Biokraftstoffe eine Anbaufläche von 9,6 Millionen Hektar beanspruchen – mehr als die Fläche von Irland.

Photovoltaik wäre effizienter

Zieht man die Rohstoffe ab, die vor allem in der Futtermittelherstellung als Nebenprodukte anfallen und zu Treibstoffen verarbeitet werden, kommt man immer noch auf 5,3 Millionen Hektar. Auf diesen Flächen könnte Weizen wachsen, der reichen würde, um 120 Millionen Menschen zu ernähren, so der Bericht.

Als effizientere Alternative zum Biosprit bringen die Autorinnen und der Autor Photovoltaik ins Spiel: Diese könnte die gleiche Menge an Energie auf rund 40-mal weniger Fläche produzieren. Der Rest der Fläche könnte wiederaufgeforstet oder gänzlich der Natur überlassen werden. Das würde einerseits die Artenvielfalt bewahren, könnte aber auch 64 Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen. Das ist doppelt so viel, wie Biotreibstoffe laut offiziellen Zahlen derzeit gegenüber fossilem Sprit einsparen.

Rohstoffe oft Nebenprodukte

Franz Sinabell, Agrarökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), hält die in der Ifeu-Studie genannten Zahlen grundsätzlich für plausibel. Natürlich sei Photovoltaik flächenmäßig effizienter als der Anbau von Energiepflanzen, weshalb es sinnvoll wäre, den Platz für Solarmodule einzusetzen. Am besten gelinge das durch Agrophotovoltaik, bei der Solarpaneele mit Landwirtschaft kombiniert werden. Dennoch lasse sich nicht jedes Fahrzeug elektrisch betreiben. "Wir werden auch in Zukunft Treibstoffe für Flugzeuge, Traktoren und Panzer brauchen", sagt Sinabell.

Flugzeuge, Baumaschinen, Panzer – das alles werde in naher Zukunft nicht elektrisch laufen, sagt Wifo-Ökonom Franz Sinabell. Für bestimmte Einsatzzwecke werde es also auch künftig Biokraftstoffe brauchen.
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Hochqualitative Rohstoffe würden ohnehin nicht im Tank landen – vielmehr seien es minderwertige Qualitätsstufen, die sich nicht zum Verzehr oder als Futtermittel eignen, sagt der Wifo-Experte. Laut dem jüngsten Biokraftstoffbericht des Klimaschutzministeriums wird Biodiesel hierzulande zu 70 Prozent aus Abfällen und Nebenprodukten erzeugt. Bioethanol, der Benzin beigemengt wird, entsteht hauptsächlich aus Mais und Weizen, aus dem gleichzeitig Eiweißfutter produziert wird. Das besonders problematische Palmöl darf in Österreich bereits seit 2021 nicht mehr in den Tank.

Kritik von Biodieselproduzenten

Für Harald Sigl vom Biodieselproduzenten Münzer hinken viele Vergleiche in dem Bericht von Transport and Environment. "Da wird Biodiesel aus Palmöl mit Solarstrom verglichen", sagt Sigl. Natürlich sehe das auf dem Papier gut aus, aber der Strommix sei in Europa noch lange nicht nachhaltig. Der NGO gehe es in seinen Augen darum, Biotreibstoffe um jeden Preis schlechtzureden.

Er wirft der Organisation zudem vor, die Marktlogik nicht zu verstehen. Ein Verdrängungswettbewerb, also dass Landwirte statt Essen vermehrt Energiepflanzen anbauen, sei nicht eingetreten. Stattdessen funktioniere die Biospritherstellung in enger Symbiose mit anderen Unternehmen – wie eben Futtermittelherstellern, die nicht mit Importsoja konkurrieren könnten, wenn sie nicht auch nebenbei Biodiesel herstellen würden. "Wir produzieren immer gleichzeitig für Teller, Trog und Tank", sagt Sigl. Er sieht noch Raum für Wachstum in seiner Branche, vor allem in Entwicklungsländern, wo zu oft verwendetes Speiseöl zu Gesundheitsproblemen führt. Sigl glaubt, dass Pkw irgendwann elektrisch fahren würden – für viele andere Anwendungen hält er Biosprit aber unabdingbar.

Verbrenner-Aus verschoben

Auch der jüngste Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) weist darauf hin, dass die schnellere Einführung der Elektromobilität die Debatte über die Verwendung von Biokraftstoffen vom Land- auf den See- und Luftverkehr verschoben hat. Vor allem in Entwicklungsländern könnten Biotreibstoffe die Elektromobilität im Straßenverkehr aber ergänzen. Wie klimafreundlich die pflanzlichen Treibstoffe wirklich sind, hängt im Wesentlichen davon ab, wo sie angebaut werden – und ob dafür wertvolle Ökosysteme weichen müssen. Die EU hatte die Anfang der 2000er-Jahre eingeführten Regeln für Biokraftstoffe deshalb mehrmals angepasst, um die Waldrodung oder Trockenlegung von Mooren entlang der Wertschöpfungskette zu vermeiden.

Bis vor kurzem hatte es so ausgesehen, als hätten Biokraftstoffe zumindest im Pkw aber ein Ablaufdatum – denn sie funktionieren nur in Verbrennungsmotoren. Deren Verbot ab 2035 wollte die EU eigentlich diese Woche beschließen, doch die Abstimmung zum Verbrenner-Aus wurde verschoben und steht nun wieder zur Debatte. Einige Staaten, darunter Deutschland, wollen etwa klimafreundliche Kraftstoffe, allen voran synthetische E-Fuels, als Alternative zur E-Mobilität prüfen.

Hoffnung auf zweite und dritte Generation

An den Biokraftstoffen hält die EU grundsätzlich fest – trotz anhaltender Kritik von Umweltorganisationen. Das EU-Parlament stimmte zwar im September dafür, Biodiesel aus Palm- und Sojaöl bis 2030 auslaufen zu lassen, hielt an den Zielen für die Beimischung aber fest.

Hoffnungen richten sich auf Biokraftstoffe der zweiten Generation, bei denen nicht essbare Teile von Pflanzen – etwa Stroh oder Holzabfälle – verwendet werden. Doch solche Alternativen sind noch lange nicht reif und werden derzeit nur im kleinen Maßstab produziert. Im Jahr 2030 sollen solche fortschrittlichen Biokraftstoffe in der EU zu 2,2 Prozent beigemischt werden. Kraftstoffe der dritten Generation, die aus Algen oder anderen Mikroorganismen produziert werden, könnten noch effizienter und auf weniger Fläche produziert werden. Doch diese liegen noch weiter in der Zukunft. (Philip Pramer, 9.3.2023)