Im Gastblog zeigen die Soziologin Caroline Berghammer und der Soziologe Bernhard Riederer auf, warum die Teilzeitdebatte breiter geführt werden muss.

In der EU ist die Teilzeitquote nur in den Niederlanden höher als in Österreich. Doch wer ist hierzulande überhaupt in Teilzeit tätig? Teilzeit betrifft kaum junge Menschen ohne Kinder und kaum Väter. Während 73 Prozent der erwerbstätigen Mütter in Teilzeit arbeiten, sind es lediglich sieben Prozent der erwerbstätigen Väter. Der Arbeitstag der Mütter ist zu Hause nicht beendet: Zumeist sind sie auch für den Haushalt, die Kinderbetreuung und die Pflege älterer Angehöriger hauptverantwortlich.

Teilzeit und Vollzeit ist nicht nur eine Debatte über Stunden, sondern auch eine Diskussion über Lebensrealitäten.
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Politische Maßnahmen müssen daher die unterschiedlichen Lebensrealitäten jener, die in Teilzeit erwerbstätig sind, mitbedenken. Der hohe Anteil von Teilzeit steht in Übereinstimmung mit starken Normen gegen Vollzeit von Müttern. Die Meinung, dass eine Mutter von Kindern unter drei Jahren nicht Vollzeit erwerbstätig sein sollte, wird in Österreich von beinahe der Hälfte der Bevölkerung vertreten. Unter den 27 am European Social Survey im Jahr 2018 teilnehmenden Ländern sind nur in Lettland und Russland mehr Menschen dieser Ansicht. Damit trifft die aktuelle Debatte auf eine in Teilen skeptische Bevölkerung.

Zwei Seiten einer Medaille

Wer die Teilzeit von Müttern diskutiert, muss auch die Vollzeit von Vätern bedenken. Eltern teilen die Arbeitszeit so untereinander auf, dass einerseits die ökonomischen Notwendigkeiten gesichert und andererseits die Kinder gut versorgt sind. Die wöchentliche Stundenanzahl der Vollzeit erwerbstätigen Männer in Österreich ist eine der höchsten in Europa. Dies wird unter anderem durch steuerliche Begünstigung von Überstunden und All-in-Verträgen begünstigt.

Mütter müssen die lange Abwesenheit der Väter abdecken. Die Debatte sollte daher auch die überlange Vollzeit der Väter in den Blick nehmen. Eine Verbesserung der Kinderbetreuungsangebote hinsichtlich Verfügbarkeit, Leistbarkeit und Qualität (Gruppengröße, Betreuungsschlüssel) ist unbedingt notwendig. Doch selbst wenn die Öffnungszeiten der (primär)pädagogischen Einrichtungen Vollzeiterwerbstätigkeit beider Eltern erlauben würden, ist kein rapider Anstieg von Vollzeit unter Müttern zu erwarten. Zu groß ist die Lücke zur derzeitigen Praxis, dass Kinder nur halbtags Kindergarten und Schule besuchen, insbesondere außerhalb der Städte. Zudem würde ein Aufstocken die gesamte Arbeitsbelastung der Frauen deutlich erhöhen: In vielen Familien wären sie weiterhin hauptzuständig für Kinder, Haushalt und Pflege.

Für viele Mütter bringt Teilzeit Nachteile, von verminderten Karrierechancen bis hin zu finanzieller Abhängigkeit, die sich insbesondere bei Scheidung und im Alter negativ auswirken kann. Es gäbe also bereits einige Anreize für Mütter, Vollzeit zu arbeiten. Und dennoch verbleiben viele Mütter selbst dann in Teilzeitbeschäftigung, wenn die Kinder älter als drei oder sechs Jahre sind. Auch mit Kindern im Teenageralter ist nur rund ein Drittel der Mütter Vollzeit beschäftigt. Es ist also zu vermuten, dass unter den gegebenen Rahmenbedingungen (unter anderem Väterbeteiligung, Normen und Kinderbetreuungseinrichtungen) eine weitere Attraktivierung von Vollzeit nicht ausreichen wird.

Alternative Modelle sind gefragt

Angesichts dieser Überlegungen sollte die Debatte nicht auf "die Teilzeit" und "die Vollzeit" reduziert werden. Teilzeitarbeit umfasst ein breites Spektrum von einer bis 35 Wochenstunden. Bereits ein Aufstocken von 20 auf 30 Stunden ("lange Teilzeit") schwächt etwa nachteilige Effekt auf die Pension deutlich ab, wie Berechnungen des Wifo gezeigt haben. "Lange Teilzeit" wäre oftmals einfacher zu realisieren und würde weniger negativ beurteilt als Vollzeit.

Zudem kann über alternative Aufteilungen von Erwerbsarbeit nachgedacht werden, etwa dass beide Elternteile mit jüngeren Kindern 32 Stunden arbeiten anstatt, wie so oft, der Vater (über) 40 und die Mutter (unter) 20 Stunden. Verbunden mit entsprechender Arbeitszeitflexibilität würde dies einseitig negative Konsequenzen für Mütter abfedern und Vätern mehr Zeit mit ihren Kindern ermöglichen. Teilzeit kann in einzelnen Lebensphasen auftretende Probleme der Vereinbarkeit von Familie und Beruf temporär entschärfen, aber auch zu Beginn und am Ende des Arbeitslebens ein wertvolles Instrument sein, um Personen in Beschäftigung zu bringen oder zu halten.

Viele Nachteile, die mit Teilzeitarbeit einhergehen, ergeben sich vor allem dann, wenn sie zum permanenten Arrangement wird. Alternative Arbeitszeitmodelle sind jedenfalls gefragt, denn die Verteilung der Arbeitszeit wird uns allein aufgrund der demografischen Entwicklung noch länger beschäftigen. (Caroline Berghammer, Bernhard Riederer, 16.3.2023)