Der Umgang mit queeren Personen ist von Unsicherheit geprägt.

Foto: getty images

Beim britischen Luftfahrtunternehmen Virgin Atlantic gibt es für Mitarbeitende seit September geschlechtsunabhängige Uniformen, bestehend aus Rock oder Hose und Sakko. Die Crewmitglieder dürfen die Kombi wählen, in der sie sich am wohlsten fühlen, bei British Airways dürfen seit Ende vergangenen Jahres auch männliche Mitarbeiter mit Make-up und Nagellack arbeiten. Und auch bei den Austrian Airlines werde gerade die Uniformtrageverordnung überarbeitet, heißt es von der Fluglinie. "Uniformen sind ein großes Thema. Geschlechterzuschreibungen basieren häufig darauf, wie sich jemand kleidet", sagt Alexander Nikodemus, Psychotherapeut, Coach und Supervisor mit Schwerpunkt Diversität und Lgbtq+.

Uniformen sind aber nur ein sehr plakatives Beispiel. Beim Umgang mit queeren Personen gebe es noch viel Verbesserungspotenzial in vielen Unternehmen und Bereichen – allen voran bewusstseinsbildende Maßnahmen darüber, was aus Sicht der queeren Person diskriminierend sei, sagt er. Aus seiner beruflichen Erfahrung weiß er, dass so gut wie jeder aus dem Lgbtq+-Spektrum in irgendeiner Form Diskriminierung erlebt hat.

Seit September bietet Nikodemus, der davor bereits in der Männerberatung Wien den Bereich Lgbtq+ geleitet hat, auch eine Supervisionsgruppe für Menschen, die mit queeren Personen arbeiten, an. Die teilnehmenden Supervisanden kommen meist aus dem psycho-sozialen Bereich, ergänzt er. Brauchen könnte es aber jeder, denn in Kontakt mit queeren Menschen sei sicher jeder schon einmal gekommen.

Unsicherheiten nehmen

Zudem herrsche beim Umgang mit diesen Personen bei vielen noch große Unsicherheit, meint Nikodemus. Das beginne bereits bei der Ansprache dieser Menschen und gehe weiter zur Ausstattung der Arbeitsplätze. Als inklusives Beispiel nennt er die genderneutralen Toiletten der Berta-von-Suttner-Privatuniversität. Aber auch bei Firmenfeierlichkeiten, wo Partner und Partnerinnen miteingeladen sind, sei ein sensibler Umgang gefragt. Denn aus seiner Sicht als personenzentrierter Coach könne Privates und Berufliches nicht getrennt werden.

Er arbeitet aber auch mit Leuten, die selbst queer sind, und diese suchen sich sehr genau aus, in welchem Umfeld sie arbeiten wollen, und schauen genau, ob sie im Unternehmen wertgeschätzt werden, wo es ehrliches Interesse gibt, was die sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität angeht, ergänzt er.

In der Supervisionsgruppe arbeitet er unter anderem daran, eine solche Umgebung zu ermöglichen. "Von Supervisorinnenseite gibt es Dinge, die hilfreich sind", sagt er. Dazu gehöre, dass man sich ein Minimum an Wissen dar über aneigne. Es gehe auch darum, Interesse zu zeigen und sich damit auseinandergesetzt zu haben, welche Diskriminierungen queere Menschen erlebt hätten. "Menschen, die nie Diskriminierung erfahren haben, können das schwerer nachvollziehen. Hier wäre es auch sinnvoll, sich Fachwissen über gesellschaftliche Normenkonstrukte anzueignen", ergänzt Nikodemus.

Gespür entwickeln

Sein erster Rat im Umgang mit queeren Menschen lautet: "Genau schauen: Wo merke ich, dass mir Dinge unangenehm sind, wo habe ich Angst, in ein Fettnäpfchen zu treten. Und da kann eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen sexuellen Orientierungen, Geschlechtsidentitäten und auch unterschiedlichen Lebensentwürfen schon helfen. Leute machen sich oft selber einen Stress, um keine Fehler zu machen. Dabei gehe es nicht darum, sich in der Lgbtq+-Welt gut auszukennen. "Viel wichtiger ist es, offen zu sein, Interesse zu zeigen und das auch zum Thema zu machen", sagt der Therapeut. (Gudrun Ostermann, 11.3.2023)