Halb aufgeblasener Abrams-Kampfpanzer.

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Das Gerät in aufgeblasenem Zustand. Sogar das Infrarotvisier für den Kommandanten, das das aktuelle Modell M1A2 von seinen Vorgängern unterscheidet, wurde nachgebildet.

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Insgesamt 38 Himars-Mehrfachraketenwerfer und eine nicht genannte Anzahl des ähnlichen Systems M270 haben die USA und Großbritannien offiziellen Angaben zufolge seit Kriegsbeginn an die Ukraine geliefert. Laut russischen Angaben ist es den Angreifern seither gelungen, 48 Himars-Abschussrampen zu zerstören.

Eine mögliche Erklärung für den Zahlenunterschied: Die Ukraine setzt zahlreiche Täuschkörper ein, die von Satelliten, Luftaufklärung und Radar nicht von echten Militärfahrzeugen zu unterscheiden sind. Die "Washington Post" berichtete im August 2022, dass russische Truppen in wenigen Wochen zehn Kalibr-Marschflugkörper mit einem Stückpreis von einer Million Euro auf hölzerne Himars-Abschussrampenattrappen abgefeuert hätten.

Weinfässer als Geschütze

Die Taktik, den Gegner mit Waffenattrappen zu verwirren, ist altbekannt. Schon im Ersten Weltkrieg imitierten französische Truppen mit alten Weinfässern großkalibrige Geschütze.

Im Zweiten Weltkrieg kamen erstmals aufblasbare Fahrzeuge zum Einsatz. Auf amerikanischer Seite war ab Jänner 1944 eine 1.100 Mann starke Spezialeinheit, die 23rd Special Troops, im Einsatz, die sich darauf spezialisiert hatte, den Feind durch Fahrzeugnachbildungen und das Abspielen von Kriegsgeräuschen zu verwirren. Die Existenz der "Ghost Army" wurde lange geheim gehalten, erst durch einen 2013 erschienenen Dokumentarfilm erlangte sie öffentliche Bekanntheit.

Die Nachkommen des Ghost-Army-Soldaten Mickey McKane mit einem Aufblas-Sherman.
Foto: Andrea J. Cheeney

Im ersten Irakkrieg setzten beide Seiten Attrappen ein. Die US-Armee berichtet, dass es gelungen sei, mit einer hundertköpfigen Kompanie die Anwesenheit einer 15.000 Mann starken Panzerdivision vorzutäuschen.

Panzer statt Hüpfburgen

Am Montag lud der tschechische Aufblaspanzer-Hersteller Inflatech die Presse zu einer Informationsveranstaltung in sein Werk in Děčín an der Grenze zu Deutschland. Die 2014 in einer Garage gegründete Firma produzierte ursprünglich Hüpfburgen für Kinder. Mittlerweile arbeiten hier 20 Angestellte, die 35 Attrappen im Monat herstellen können. Für das Jahr 2023 erwartet Geschäftsführer Vojtech Fresser einen Umsatz von mindestens 150 Millionen Euro. Mittelfristig will er die Belegschaft verdoppeln, sagte er der dpa.

Über 30 verschiedene Militärfahrzeuge stehen im Inflatech-Katalog. Das neueste Produkt ist eine M270-Attrappe.
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Das Geschäft läuft offenbar gut. Wie im Rüstungsbereich üblich, ist es schwierig, Informationen über die Abnehmer der Inflatech-Produkte zu erhalten. Man habe Kunden in den USA, Schweden, Australien, Großbritannien und Frankreich beliefert, sagte ein Firmensprecher zum STANDARD, ob auch die Ukraine zu den Käufern zählt, will man weder bestätigen noch dementieren.

Große Preisunterschiede

Auf chinesischen Handelsplattformen gibt es aufblasbare Militärfahr- und -flugzeuge um wenige Hundert Euro, westliche Erzeugnisse sind deutlich teurer. Je nach Bestellmenge und Sonderwünschen kosteten Inflatech-Produkte im September 2022 zwischen 15.000 und 55.000 Euro, beim Pressetermin am Montag war von Modellen die Rede, die um 100.000 Euro verkauft werden.

DER STANDARD

Der Preisunterschied gegenüber zivilen Produkten erklärt sich durch die im Militärbereich verlangten höheren Qualitätsstandards, die verwendeten Hightech-Materialien und die Anlagen zur Erzeugung einer dem Original entsprechenden Radar- und Wärmesignatur. Schließlich soll der Aufblaspanzer für eine Aufklärungsdrohne, die das Gefechtsfeld mit einer Infrarotkamera beobachtet, wie ein echtes Militärfahrzeug aussehen.

Den Markt für Militärfahrzeugattrappen teilt sich Inflatech mit Herstellern aus den USA, Israel, Polen, der Türkei und zahlreichen chinesischen Anbietern. Auch der russische Ballonhersteller Rusbal hatte Aufblaspanzer im Programm, hat diese aber zwischen 18. Jänner und 19. Februar 2022, also kurz vor Russlands Angriff auf die Ukraine, von seiner Webseite entfernt. Im Internetarchiv ist der Menüpunkt "Decoys" aber weiter zu sehen.

Über die Qualität der Rusbal-Produkte ist wenig bekannt, das in einem Video des Propagandasenders Ruptly gezeigte Luftabwehrsystem wirkt allerdings etwas fragil. (Bert Eder, 10.3.2023)