Bis 2027 soll ein Netzwerk aus 170 Satelliten eine EU-eigene Alternative zu Starlink bieten.

Foto: REUTERS, NASA

Bereits im Februar 2022 kündigte die Europäische Kommission Überlegungen zum Bau eines eigenen Satellitennetzwerks an, um langfristig die Unabhängigkeit von anderen Anbietern zu sichern. Nachdem die Pläne Ende letzten Jahres konkreter wurden, hat der Ministerrat letzten Dienstag eine Verordnung über das "Programm für sichere Konnektivität" angenommen. Damit ist ein wichtiger Grundstein für den Aufbau eines EU-eigenen Netzwerks für Breitband-Internet gelegt.

170 Satelliten bis 2027

IRIS2 (Kurzform für "Infrastruktur für Resilienz, Interkonnektivität und Sicherheit per Satellit") soll das Netzwerk heißen und eine Alternative zu kommerziellen Systemen wie Elon Musks Starlink oder One Web bieten. Eine Konstellation aus 170 Satelliten, die sich in niedriger Erdumlaufbahn (das entspricht in etwa einer Höhe von 500 bis 600 Kilometern) bewegen, soll "hochsichere Kommunikationsdienste" mit geringer Verzögerung ermöglichen, berichtet das Nachrichtenportal "Heise". Sechs Milliarden Euro soll das Programm kosten, wobei 2,4 Milliarden von der EU beigesteuert werden. Die verbleibenden 3,6 Milliarden Euro sollen aus dem privaten Sektor stammen. Bereits 2027 soll das Netzwerk einsatzbereit sein.

Nutzen für Regierungen und Zivilbevölkerung

"Die Satellitenkommunikation ist sowohl für Regierungen als auch für die Zivilgesellschaft von strategischer Bedeutung", heißt es auf der Seite des Europäischen Parlaments. Sie sei eine Ergänzung terrestrischer Netzwerke und würde eine "nahtlose Kommunikation" auch dann ermöglichen, "wenn terrestrische Netze fehlen oder von Störungen betroffen" seien. Beispiele für derartige Störungen sind unter anderem Naturkatastrophen, aber auch Terrorismus und Cyberangriffe. "Derzeit fehlt es der EU noch an spezieller Infrastruktur für solche satellitengestützten Dienste. Durch den Vorschlag würde es der Union ermöglicht, eine private Partnerschaft für die Planung und Errichtung der Infrastruktur einzugehen", beschreibt das EU-Parlament die Vorteile der Verordnung.

Sichere Verbindung – von der Arktis bis Afrika

Das EU-Programm für sichere Konnektivität soll nicht nur einen erschwinglichen Internetzugang in ganz Europa ermöglichen, sondern auch eine sichere Konnektivität zwischen geografischen Gebieten von strategischem Interesse wie der Arktis und Afrika bieten, wird in einer Pressemitteilung erläutert. Weiters gehe es darum, die Resilienz der EU und ihre strategische Unabhängigkeit – im Weltraum und auf der Erde – zu sichern.

Wie sicher ist das geplante System?

Das Schlagwort "Sicherheit" bezieht sich einerseits auf die erwähnte Ausfallsicherheit, wenn terrestrische Systeme beispielsweise durch Umweltkatastrophen oder Krieg unterbrochen würden, erklärte Wilfried Gappmair, Professor am Institut für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation der TU Graz, gegenüber ORF.at. Andererseits wäre damit aber auch Datensicherheit gemeint, die mithilfe von Quantenkryptografie ermöglicht werden könnte. Die Forschung des Nobelpreisträgers Anton Zeilinger ist hier ein nennenswerter Trumpf im Ärmel der EU, so Gappmair.

Bei der Quantenkryptografie kommen Elementarteilchen und Photonen zum Einsatz, mit denen ein unknackbares Verschlüsselungssystem erschaffen wird. Das liegt daran, dass der Quantenstatus eines Systems nicht messbar ist, ohne es dabei zu beeinflussen. Dadurch können beispielsweise Abhör- und Manipulationsversuche nicht unentdeckt bleiben.

Spionage-Frühwarnsystem?

Seitdem im Februar ein chinesischer Beobachtungsballon diplomatische Spannungen zwischen den USA und China auslöste, ist das Thema Spionage umso präsenter. Da Satellitenkommunikationsdienste wie IRIS2 ihr Umfeld ständig beobachten müssen, um Störungen zu vermeiden, können künftig unidentifizierte Flugobjekte festgestellt und identifiziert werden. Eine derartige Früherkennung möglicher Spionageversuche wäre also ein willkommener Nebeneffekt des geplanten Netzwerks. (Lisa Haberkorn, 10.3.2023)