"Frau mit dem Sklaven" titelt das Gemälde, bei dem Kokoschka die Schauspielerin Käthe Richter und den Dichter Walter Hasenclever verewigte. Das Auktionshaus "Adolf Loos Apartement and Gallery" (Prag) beziffert den Rufpreis mit 8,3 Millionen Euro.

Foto: Adolf Loos Apartment and Gallery

Am 19. März gelangt in Prag ein Gemälde von Oskar Kokoschka zur Versteigerung, das eine bemerkenswerte Vita samt Notverkauf in der NS-Zeit vorzuweisen hat, aber auch von kunsthistorischem Interesse ist. Frau mit dem Sklaven ist das 1920 in pastoser Manier gemalte Bild, das ein Paar in einem Blumengarten zeigt, betitelt. "Wenn das letzte Licht / mich streift, werde ich lebendig / OK" hatte der Künstler auf der Rückseite vermerkt, eine Botschaft, deren Bedeutung sich vorerst nicht erschließt.

Gut möglich, dass sich in Aufzeichnungen des Künstlers oder in seiner Korrespondenz dazu Hinweise fänden. Der Eintrag im Online-Werkkatalog der Fondation Oskar Kokoschka gibt darüber keinen Aufschluss, auch zur Identifikation der Dargestellten nicht. Sosehr die Theorie, es handle sich um die legendäre Alma Mahler mit ihrem Ex-Geliebten Kokoschka im Hintergrund, auch einen lukrativen Erlös befeuern könnte – der Rufpreis beträgt immerhin stolze 8,3 Millionen Euro –, bleibt es doch eine Fehlannahme.

Wer dann? Käthe Richter und Walter Hasenclever, erklärt Alfred Weidinger auf Anfrage. Der Kunsthistoriker und Museumsdirektor (OÖ Kultur GmbH) dissertierte über das Frühwerk des Künstlers und verfasste gemeinsam mit Alice Strobl das Werkverzeichnis der Zeichnungen und Aquarelle (2008), für das er einen zweiten Band vorbereitet. Der Abgleich mit Zeichnungen oder auch Fotografien der Personen sowie anderen Gemälden ließe daran keinen Zweifel, ist Weidinger überzeugt.

Dresdner Freundeskreis

Die Schauspielerin Käthe Richter war zu jener Zeit am Dresdner Albert-Theater tätig und wirkte sowohl in Stücken ihres Lebensgefährten Hasenclever als auch in expressionistischen Bühnenstücken Kokoschkas mit (u. a. Mörder, Hoffnung der Frauen). Das Paar gehörte, ebenso wie Ivar von Lücken und der Psychiater Fritz Neuberger, zum Freundeskreis Kokoschkas, der sich noch vor seiner Professur (1919–1926) in Dresden dort 1917 in einem Sanatorium von einer schweren Kriegsverwundung erholte.

Ein Freundeskreis, dem man in mehreren Werken Kokoschkas begegnet: Das Gruppenbildnis Die Freunde (1917/18) im Lentos-Museum gilt als bekanntestes, dazu Liebespaar mit Katze (1917), das Richter und Hasenclever zeigt (Kunsthaus Zürich), zu dem das Leopold-Museum eine Vorstudie in der Sammlung verwahrt.

So weit die kunsthistorische Einordnung, die beim letzten öffentlichen Gastspiel der Frau mit dem Sklaven kein Thema war: in der Schau Klimt, Schiele, Kokoschka und die Frauen im Unteren Belvedere (Oktober 2015 bis Februar 2016). Im begleitenden Katalog wurde das Bild zwar als Leihgabe der Galerie Zlatá Husa (Prag) publiziert, blieb jedoch in den Textbeiträgen unerwähnt. Es war ursprünglich nicht als Leihgabe vorgesehen und war kurzfristig angeboten worden, erinnert sich Weidinger, als Vizedirektor damals einer der Kuratoren der Ausstellung.

Kokoschkas Gruppenbildnis "Die Freunde" (1917/1918) im Bestand des Lentos Museum (Linz): Dicht um den Tisch gedrängt sitzen die Schauspielerin Käthe Richter, der Dichter Walter Hasenclever, Ivar von Lücken, der Psychiater Fritz Neuberger und Kokoschka selbst – als Rückenfigur mit dem Kopf im Profil.
Foto: Sammlung Lentos Kunstmuseum Linz© Bildrecht Wien, 2023

Gastspiel ohne Provenienzprüfung

Zeit für eine Recherche fehlte damals offenbar, etwa auch die brisante Provenienz des Werkes betreffend. Denn das Bild befand sich von spätestens 1929 bis 1942 in der Sammlung des in Dresden tätigen Anwalts Fritz (Salo) Glaser. Im Herbst 1933 war ihm als Juden von den Nationalsozialisten zuerst die Zulassung als Rechtsanwalt und Notar, 1935 schließlich auch die als Steuerberater entzogen worden.

Den Lebensunterhalt der Familie konnte Glaser deshalb nur durch Verkäufe aus seiner einst umfangreichen Kunstsammlung bestreiten. Deren Rekonstruktion ist rückwirkend schwierig, da Glaser im Hinblick auf drohende Beschlagnahmungen aus Vorsicht sämtliche Erwerbsbelege und sogar ein Verzeichnis seiner Kollektion vernichtete, wie in einer Publikation der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden von 2006 nachzulesen ist, die sich mit Dresdner Privatsammlungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts befasste.

Ein weiteres Mal wurde die Sammlung Glaser im Umfeld des sogenannten "Schwabinger Kunstfunds" 2013 Thema. Drei Werke konnten bislang identifiziert werden, die einst Fritz Glaser gehörten und spätestens ab 1945 im Gurlitt-Fundus nachweisbar sind. Restituiert wurden sie bis heute nicht. Den aktuellen Angaben in den zugehörigen Einträgen in der Datenbank "Lost Art" zufolge befänden sich diese Werke derzeit in "Abklärung". Vermutlich gehören sie zur Kategorie verfolgungsbedingter Verkäufe, die in der Causa Glaser seit Jahren Gegenstand von Verhandlungen und im Idealfall von Restitutionen oder Vergleichen waren.

Zwangsverkauf in der NS-Zeit

Auch mit dem Eigentümer des Kokoschka-Gemäldes kam es zwischenzeitlich zu einem Vergleich. 2016 war das Bild in der öffentlich zugänglichen Datenbank Lost Art noch als Verlust gemeldet gewesen. Eine Überprüfung war seitens des Belvedere allerdings unterblieben. Das damals auf zehn Millionen Euro versicherte Gemälde wurde zurück nach Prag transportiert.

Fritz Glaser hatte das Kokoschka-Bild, zusammen mit einigen anderen Werken, im Sommer 1942 einem gewissen Hans Dittmayer verkauft. Der ebenfalls aus Dresden gebürtige Unternehmer hatte in den 1920er-Jahren zu sammeln begonnen, zunächst preisgünstige Arbeiten auf Papier von jüngeren Künstlern aus dem Dresdner Umfeld. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg seiner Reißverschlussproduktion ging auch die sukzessive Erweiterung seiner Kollektion um Ölbilder einher, die Anfang der 1940er-Jahre ihren Höhepunkt erreichte. Der von den Nationalsozialisten verfemte deutsche Expressionismus wurde zu einem Schwerpunkt.

Die Verfolgung des Nazi-Regimes betraf auch Dittmayers Familie: Angehörige seiner jüdischen Ehefrau Stephanie wurden in Auschwitz ermordet, ihre Kinder waren zeitweilig interniert oder mussten Zwangsarbeit leisten. Der Deportation entging Stephanie Dittmayer kurzfristig aufgrund des Bombardements auf Dresden im Februar 1945. Die Familie flüchtete nach Prag, wo der Unternehmer Niederlassungen hatte und wohin er die 40 wertvollsten Bilder bereits 1943/44 hatte verbringen lassen: von den Keilrahmen abmontiert, zusammengerollt und in Kisten verpackt.

In der Sammlung des Leopold Museums (Wien) wird Kokoschkas Vorstudie zu dem Gemälde "Liebespaar mit Katze" (im Kunsthaus Zürich) aus dem Jahr 1917 verwahrt. Bei den Dargestellten handelt es sich um die Schauspielerin Käthe Richter und ihren damaligen Lebensgefährten, den Dichter Walter Hasenclever.
Foto: Leopold Museum, Wien © Fondation Oskar Kokoschka/Bildrecht, Wien 2023

Enteignung in Prag

Nach Kriegsende erhielt Hans Dittmayer von den tschechischen Behörden zunächst eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und die Erlaubnis zum Wiederaufbau der Werke in Peterswalde und Prag. Im September 1945 wurde er jedoch denunziert und verhaftet, mutmaßlich wegen des Verdachts der Kollaboration mit dem NS-Regime.

Er starb am 16. Jänner 52-jährig im Gefängniskrankenhaus, seine Ehefrau und zwei der gemeinsamen Kinder wurden kurz darauf aus der Tschechoslowakei ausgewiesen.

Die beiden Kisten mit den Kunstwerken blieben zurück, die Prager Firma wurde später enteignet. Anträge auf Rückgabe der Kunstwerke verliefen ergebnislos. Mitte der 1950er-Jahre tauchte am westdeutschen Kunstmarkt eine Tranche von Gemälden auf, die ein Münchner Kunsthändler aus Tschechien importiert hatte. Teils ließ er sie in München bei Ketterer versteigern, teils trat er sie an die dort ansässige Galerie Otto Stangl ab.

Das Gemälde von Oskar Kokoschka blieb verschwunden. 2001 ließ es Hans Dittmayers Sohn zusammen mit 38 weiteren Werken bei Lost Art als Verlust aus "kriegsbedingt verbrachtem Kulturgut" registrieren: unter der Bezeichnung Dame mit Diener, mit den Maßen 78 mal 96 cm – Angaben, die er von einer Versicherungsliste seines Vaters aus dem Jahr 1942 übernommen hatte, wie Barbara Haubold erzählt. Die deutsche Kunsthistorikerin und Provenienzforscherin befasst sich seit 2015 mit dem Fall Dittmayer.

Ungeklärte Umstände

Es handelt sich um jenes 92,5 mal 109,5 cm große Gemälde, das jetzt versteigert wird, sagt auch sie. Die abweichenden Maße? Das Bild war ja in gerolltem Zustand gelagert worden, erklärt Haubold. Später wurde es auf einen neuen Keilrahmen aufgezogen und an den Rändern um Leinenstreifen ergänzt, wie an der Rückseite erkennbar ist.

Das Gemälde gehört zweifelsfrei zu jenen aus der Sammlung Hans Dittmayers, die von seinen Erben bis heute gesucht werden, wie deren Rechtsanwalt Lothar Fremy bestätigt. Juristisch ist die Angelegenheit etwas knifflig. Im rechtlichen Sinne macht die Familie zum jetzigen Zeitpunkt keine "Ansprüche" geltend, erklärt Fremy.

Das liege jedoch daran, dass bislang nicht genau geklärt sei, wie die Bilder abhandenkamen und von wem diese unter welchen Umständen verkauft wurden. In einigen Fällen konnten in den letzten Jahren laut Fremy hinsichtlich der aus den Kisten abhandengekommenen Gemälde mit den aktuellen Besitzern oder Auktionshäusern Vereinbarungen abgeschlossen werden.

Nicht so für Kokoschkas Frau mit dem Sklaven, ein Bild, das irgendwann nach Kriegsende über die Galerie Vaclav Horejs an einen tschechisch-amerikanischen Sammler verkauft worden sein soll, wie aus den Provenienzangaben des Auktionshauses hervorgeht.
(Olga Kronsteiner, 12.3.2023)