Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion, im Vordergrund Journalistin Raphaela Scharf.

Foto: Presseclub Concordia / M. Zojer

Wien – Drei Jahre lang sei sie allein vor Gericht gestanden, sagt Raphaela Scharf. Drei Jahre, in denen sie sich jemanden gewünscht hätte, der sie von außen durch den Prozess begleitet. Die Journalistin und Moderatorin hatte ihrem ehemaligen Arbeitgeber Wolfgang Fellner vorgeworfen, sie sexuell belästigt zu haben, und wurde daraufhin fristlos entlassen. In ihrer damaligen Lage habe sie nicht gewusst, an wen sie sich wenden konnte – und darum die Frauenhelpline angerufen, sagt Scharf. Dort verwies man sie an die Gleichbehandlungsanwaltschaft. Eine eigene Stelle für von Machtmissbrauch Betroffene in der Medienbranche gibt es bis heute nicht.

Seit Jahren sammeln sich Nachrichten von Betroffenen in ihrem Postfach, erzählt Scharf. Als Privatperson könne sie aber nicht umfassend helfen. Auch den existierenden Einrichtungen fehlen teils Mandat oder Mittel, um direkt und ausschließlich in der Medienbranche aktiv zu werden. Das Frauennetzwerk Medien versammelte darum am Freitag Befürworterinnen und Befürworter einer neuen Anlaufstelle zu einer Podiumsdiskussion im Presseclub Concordia. Zwei mögliche Vorbilder gibt es bereits: Die deutsche Stelle "Themis", die sich für Menschen aus den Branchen Kultur und Medien engagiert, und die österreichische Vertrauensstelle vera*.

Schwierige Bedingungen, kleine Szene

Im Frühling 2021 durch einen Entschließungsantrag im Parlament geschaffen, ist vera* Anlaufstelle für Betroffene aus Kunst, Kultur und Sport. Als deren Vertreterin nahm Sophie Rendl an der Diskussion teil. Sie sieht große Ähnlichkeiten zwischen ihrem Zuständigkeitsbereich und der Medienbranche: Da wie dort gebe es Bedingungen, die Machtmissbrauch begünstigen. Dazu zählt Rendl prekäre Arbeitsbedingungen, steile Hierarchien, tradierte Verhaltensweisen und die geringe Größe der Branche.

Sophie Rendl, Sprecherin der Vertrauensstelle vera*.
Foto: Presseclub Concordia / M. Zojer

Dass in der österreichischen Medienszene "jeder jeden kennt", wird immer wieder als Hürde genannt. "Die Frauen haben Angst vor Konsequenzen, denn die Medienbranche in Österreich ist sehr klein", sagt Scharf. Auch darum ist Rendl nicht sicher, ob das Modell von "Themis" in Österreich funktionieren könnte. Denn der deutsche Verein wird von 26 Branchenverbänden, Einrichtungen und Sendern getragen – also von den Arbeitgebern selbst, auch wenn sich deren Mitspracherecht stark einschränken lässt.

"Ich glaube, dass schon die bloße Existenz einer solchen Anlaufstelle wichtig wäre", sagt Walter Strobl vom Rechtsdienst Journalismus. "Sie würde jeder einzelnen Journalistin den Rücken stärken."

Klagsfonds gefordert

Der rechtliche Schutz vor Machtmissbrauch am Arbeitsplatz ist in Österreich eigentlich solide. "Wir sind in Österreich Vorreiterinnen", sagt Sandra Konstatzky von der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Seit 1992 gibt es hierzulande ein Gesetz gegen Belästigung am Arbeitsplatz. Doch ein Abschnitt, der eine Verknüpfung von Förderungen mit Engagement der Arbeitgeber gegen Machtmissbrauch vorsieht, sei heute "totes Recht". Hier könne man nachbessern.

Von allen Themenbereichen, in denen die Gleichbehandlungsanwaltschaft Hilfe leistet, kämen die meisten Anfragen zu sexueller Belästigung. Doch um intensiv in einer einzelnen Branche aktiv zu werden, fehlten die Ressourcen. Dazu kommt, dass die Gleichbehandlungsanwaltschaft kein Klagsrecht hat. Konstatzky fordert darum Klagsfonds, die Betroffenen Anwälte zur Seite stellen. So könne man verhindern, dass Betroffene durch Gegenklagen zum Verstummen gebracht werden: "Das ist das Schlimmste, wenn man seinen Anspruch nicht durchsetzen kann."

Frage der Förderung

Die Gewerkschaft GPA verfügt im Gegensatz zur Gleichbehandlungsanwaltschaft über ein Klagsrecht. "Wir sehen eine unabhängige Anlaufstelle als gute Ergänzung", betonte deren Vertreterin Julia Ilger. Denn psychosoziale Beratung könne die GPA nicht bieten. Dennoch könnten sich Menschen, die in der Medienbranche beschäftigt sind, an Betriebsräte wenden. Im Kultur- und Sportbereich sei das oft nicht der Fall.

"Das Problem ist groß. Gerade weil es um Presse- und Meinungsfreiheit geht, ist es notwendig, hier genau hinzuschauen", sagte auch Caroline Kerschbaumer, Geschäftsführerin des Vereins Zara (Zivilcourage & Anti-Rassismus-Arbeit). Wichtig sei jedoch, wie die neue Vertrauensstelle finanziert werden soll. Denn wer sich von Förderungsantrag zu Förderungsantrag hangeln müsse, könne als Verein nur schwer nachhaltige Arbeit leisten. Doch diese Frage bleibt offen.

Das Problem gibt es, den Willen, dagegen aktiv zu werden, auch. Doch solange keine Finanzierung vorhanden ist, kann mit der Arbeit nicht begonnen werden, sagt Scharf im Anschluss an die Veranstaltung. Die Diskussion soll ein Startschuss sein. (Ricarda Opis, 10.3.2023)