Künstliche Intelligenz wäre eine Chance für Europa, wieder in der ersten Liga mitzuspielen.


(Dieses Bild wurde von der Bild-KI Midjourney erstellt. Der Prompt lautete: "a robot, dressed in a blue shirt with yellow stars, with a sad expression on his face, in the style of a graphic novel. --ar 16:9".)

Foto: Midjourney/Stefan Mey

Können Sie mir auch nur ein einziges erfolgreiches Social Network nennen, das aus Europa kommt? Nein? Dann probieren wir es einmal anders herum: Welche fünf Buchstaben fallen Ihnen an erster Stelle ein, wenn Sie das Wort "Datenschutz" hören? Richtig: die DSGVO! Geplant als Erfolgs- und teils als Exportprodukt in die gesamte Welt, wurde an diesem sperrigen Regelwerk jahrelang gebastelt, nur um am Ende ein in vielen Stellen zahnloses Verwaltungsexperiment zu haben.

Im Verwalten sind wir Europäer absolute Spitzenklasse, im Regulieren vermutlich sogar Weltmeister. Dabei kommen die meist gut gemeinten Intentionen oft nicht bei der Bürgerin oder beim Bürger an, und für die Wirtschaft sind sie ohnehin alles andere als förderlich. So ist es nicht verwunderlich, dass die meisten großen Player im Social Business aus den USA und mit Tiktok der stärkste Herausforderer in diesem Feld aus China stammt. DSGVO hin oder her, haben weite Teile der Bevölkerung ihre Daten nach Westen und Osten vergeben und lassen sich von den ungezügelten Algorithmen der Big-Tech-Player ihr Weltbild einprogrammieren.

Künstliche Intelligenz: Bitte besser machen!

Es ist Zeit, dem nicht nur einen Riegel vorzuschieben, sondern aktiv an einer stärkeren Position Europas in der digitalen Welt zu arbeiten. Etwa im Bereich der künstlichen Intelligenz, die – glaubt man den Expertinnen und Experten – in den kommenden Jahren weite Teile unseres Arbeits- und Privatlebens auf den Kopf stellen wird. Während sich auch hier wieder vor allem die großen US-Konzerne in Stellung bringen und an neuen Lösungen arbeiten, ist man freilich auch in den EU-Institutionen nicht untätig – indem das EU-Parlament aktuell über die Gestaltung des geplanten AI Act debattiert. Dessen Ziel ist wieder äußerst europäisch: mehr Regulierung.

Vor allem soll es mit dem AI Act möglich sein, als "Hochrisiko" klassifizierte KI-Modelle mit entsprechenden Auflagen zu versehen, dazu gehört etwa mehr Transparenz in Bezug auf die jeweiligen Algorithmen. Auch hier ist die Intention keine schlechte, vor allem Big Tech gehören an die kurze Leine genommen und intensiv geprüft. Gleichzeitig besteht jedoch die Gefahr, dass es bei allem guten Willen letztlich die Falschen trifft: per se innovative Start-ups, die jedoch mit ihrem Produkt nicht aktiv werden können, weil sie sich im Gegensatz zu den Großen keine Heerschar an Anwälten und Lobbyisten leisten können.

Hier ist es essenziell, Ausnahmen und Übergangsfristen für wachsende Jungunternehmen zu schaffen. Oder sie im besten Fall auch noch zu fördern. Denn das kreative Humanpotenzial ist in Europa vorhanden, es darf nur nicht im Keim erstickt werden. Sonst wandern die klugen Köpfe in andere Teile der Welt ab, Europa verpasst auch diesen Zug – und begibt sich auf der weltweiten Bühne ein weiteres Mal in die Rolle des passiven Beobachters, der lieber verwaltet, als aktiv zu gestalten. (Stefan Mey, 12.3.2023)