Die Auflagen des Bundes konvenierten der Stadt Wien nicht für ihren Versorger. Sie spannte für die Wien Energie ein eigenes Netz auf.

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Wien – Der ab Mai über Wien aufgespannte Wiener Schutzschirm geht ins Geld. Aber er kommt doch etwas billiger als der vom Bund in der Not bereitgestellte Notkredit. Das erschließt sich aus den Darlehens- und Kreditverträgen, die dem STANDARD vorliegen.

Das kommt einigermaßen überraschend, denn die Stadt Wien bedient sich bei ihrem Schutzschirm ihrer Hausbank Unicredit Bank Austria und Geschäftsbanken sind bei der Bereitstellung von Finanzierungen selten kostengünstiger, als sich die Republik Österreich auf den Kapitalmärkten refinanziert.

Ungewöhnlich sind die Konditionen auch deshalb, weil sich das Land Wien bei seinem Bundesdarlehen im September 2022 der Rechtsträgerfinanzierung des Bundes bedient, die für alle Bundesländer gleich ist. Und die für die Schuldengestion des Bundes zuständige Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (Öbfa) an der Bereitstellung der Länderfinanzierungen im Prinzip nichts verdient. Sie gibt die üblicherweise für die Haushaltsfinanzierung der Länder bereitgestellten Millionen und Milliarden zu jenen Konditionen weiter, zu denen etwa die zehnjährige Bundesanleihe auf dem Kapitalmarkt platziert wird. Das waren diese Woche 3,251 Prozent. Bereitstellungsgebühren verrechnet die Öbfa nicht, sie ist ja keine Bank, wie betont wird.

Alles anders im Hitzesommer

Im Fall Wien Energie war das im Hitzesommer 2022 aber anders. Der Notkredit von bis zu zwei Milliarden Euro war, wie berichtet, notwendig, weil die Energiemärkte verrückt spielten und die sogenannten Margins, also die Sicherheiten, mit denen Termingeschäfte an Energiebörsen zu hinterlegen sind, den städtischen Versorger fast kollabieren ließen.

Da die Möglichkeiten der im Juli und August als Feuerwehr ausgerückten Stadt Wien ausgeschöpft waren – Rathausmann Michael Ludwig (SPÖ) hatte im Wege der bürgermeisterlichen Notkompetenz zweimal 700 Millionen Euro bereitgestellt –, musste die Stadt zum Bund pilgern und bei der Öbfa ein Darlehen beschaffen. Letzteres bekam die Stadt Wien auch zu den wohlfeilen Konditionen der Staatsanleihen. Die Wien-Energie-Mutter Wiener Stadtwerke, bei der das Cashpooling der städtischen Betriebe gebündelt ist, bekam ihren Kredit von der für die Stadtfinanzen zuständigen Magistratsabteilung 5 (MA 5) allerdings bei weitem nicht so billig weitergereicht.

Tagesgeldzinssatz

Wie sich aus dem in die Untersuchungskommission im Wiener Gemeinderat eingelieferten elektronischen Akt erschließt, bekam die Stadtwerke GmbH eine variable Verzinsung, die auf dem Tagesgeldzinssatz Euro-Short-Term-Rate (€STR) basiert – zuzüglich eines Aufschlags von 0,85 Prozent –, eingeräumt. Darüber hinaus war eine Bereitstellungsgebühr von 0,32 Prozent per annum vorgesehen. Alles zusammen wurde allerdings nie schlagend. Energiebörsen und Gaspreise hatten sich wieder beruhigt und aus dem via Öbfa bereitgestellten Darlehen musste nichts abgerufen werden.

Die gemessen am Öbfa-Darlehen schlechteren Konditionen haben einen handfesten Grund: das EU-Beihilfenrecht. Ein Staatskredit an Wien Energie zu Öbfa-Konditionen wäre von der EU als unerlaubte Beihilfe qualifiziert worden. Die Verpflichtung, das Beihilfenverbot zu beachten, war aber Bedingung des Finanzministeriums: "Das Land erklärt, dass die finanziellen Unterstützungen des Landes für die Nachschüsse nicht dem Beihilfenregime widersprechen", heißt es unter Punkt 6 der Darlehenszusage vom September 2022, die dem STANDARD vorliegt.

Bank günstiger als der Staat?

Warum der nun fixierte neue Zwei-Milliarden-Euro-Kreditrahmen bei der Bank Austria ab Mai 2023 (bis längstens Ende April 2026) günstiger ist als das Schutzschild vom September 2022 ist damit noch nicht erklärt. Sowohl Aufschlag (0,82 Prozent) als auch Bereitstellungsgebühr (0,20 Prozent) sind nun um ein paar Zehntelprozentpunkte niedriger als im Spätsommer 2022.

Der Unterschied scheint auf den ersten Blick vernachlässigbar, wäre im – sehr unwahrscheinlichen – Fall einer vollen Ausnutzung der zwei Milliarden Euro über die volle Laufzeit von drei Jahren aber doch spürbar. Daumen mal Pi belaufen sich die Finanzierungskosten (Zinsen, Aufschlag, Bereitstellungsgebühr) des Wiener Schutzschirms auf gut 192 Millionen Euro. Kommende Zinserhöhungen sind allerdings ebenso wenig inkludiert wie die Kosten der 1,7 Milliarden Euro an Kreditlinien, die Wien Energie bei ihrer Mutter Stadtwerke laufen hat. Erst wenn diese ausgenutzt sind, darf die Stadt ihren Schutzschirm ausbreiten, so steht es im Kreditvertrag, der nächste Woche von Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) vorgelegt und beschlossen wird.

Aufsicht des Bundes weg

Einen weiteren Vorteil hat die Nicht-Verlängerung der Öbfa-Kreditlinie: Wien Energie ist das vom Bund entsandte Aufsichtsratsmitglied Joachim Rumstadt los. Der deutsche Energieexperte scheidet mit Ablauf der Finanzierung Ende April aus dem Kontrollgremium aus. Man ist dann wieder unter sich. Auch die Auflage, dass "erfolgsabhängige Boni und Prämien nicht an Zielen gemessen werden, die durch ein Marktverhalten bestimmt werden, das von der Gesellschaft oder den Mitarbeitern beeinflusst werden kann", fällt weg.

Erdgaspreis gesunken

Stichwort billiger: Die gesunkenen Gaspreise kommen nun mit Verzögerung zu den Endkunden. Wien Energie senkt am 1. April den Erdgaspreis für Neukunden von 17 auf neun Cent pro Kilowattstunde im Tarif "Optima Entspannt". Bestandskunden ohne Vertragsbindung können wechseln. Altverträge und Spezialtarife hingegen werden teurer – aufgrund der Koppelung von Strom- und Gaspreisindex, wie es heißt. Das betreffe rund 7000 Kunden, die der automatischen Tarifumstellung im Herbst widersprochen haben, sowie rund 30.000 Kunden mit alten Spezialtarifen.

Für wechselwillige Gewerbekunden gebe es auch günstigere Tarife, teilte Wien Energie mit. Ob und wie die im September zwangsweise in den Optima-Entspannt-Tarif migrierten Kunden davon profitieren können und werden, war am Freitagnachmittag nicht zu eruieren. In diesen Verträgen hat sich Wien Energie zwar die Möglichkeit für drei Preiserhöhungen pro Jahr vorbehalten, Preissenkungen kommen darin allerdings nicht vor. Konsumentenschützer wollen dem Problem nun nachgehen. (Luise Ungerboeck, 11.3.2023)