Zwei Farben dominieren das rasante Geschäft mit Essenszustellungen in Wien. Mjam-Boten radeln mit kastenförmigen grünen Rucksäcken miteinander um die Wette, Lieferando-Zusteller in breiten orangefarbenen. Künftig werden aber auch blaue das Straßenbild prägen: Mit Wolt steht ein neuer internationaler Kurierdienst in den Startlöchern.

Der finnische Konzern, der 2021 vom US-Marktriesen Doordash geschluckt wurde, expandierte in den vergangenen neun Jahren in 27 Länder. Seit heuer ist er über die Wolt Austria GmbH mit drei Geschäftsführern in Wien vertreten. Hinter den Kulissen werden derzeit intensiv Arbeitskräfte für die Auslieferung bis hin zum Management rekrutiert, erfuhr DER STANDARD.

Doordash-Tochter Wolt gründete heuer in Österreich eine GmbH.
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In Europa eilt Wolt nicht der beste Ruf voraus. Erst im Februar protestierten in Prag Fahrerinnen und Fahrer gegen stark gesunkene Löhne. Ende 2022 gingen Kuriere in Dänemark auf die Straße, um für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Wolt lebt wie Rivale Mjam und anders als Lieferando überwiegend von freien Dienstverhältnissen.

Seine genauen Pläne hierzulande will Wolt auf Anfrage vorerst noch nicht teilen. Nur so viel: "Österreich ist für uns sehr interessant."

Freie Bahn für seine Onlineplattform hat der Konzern nicht. Etliche Newcomer holten sich auf dem während der Pandemie in die Breite gegangenen Markt bereits blutige Nasen. Auch für Platzhirsche wie Mjam laufen die Geschäfte alles andere als rund. Die Fahrt in die Gewinnzone bleibt lang und hürdenreich.

In der zuletzt veröffentlichten Bilanz für das Jahr 2021 weist Mjam in Österreich zwar um 71 Prozent auf knapp 63 Millionen Euro gestiegene Umsätze aus, was auf die wachsende Zahl an Essensbestellungen infolge der Corona-Krise zurückzuführen war. Der Jahresfehlbetrag nahm jedoch zugleich um vier auf 14,7 Millionen Euro zu. In Summe steht ein Bilanzverlust von mehr als 43 Millionen Euro in den Büchern.

Foodora statt Mjam?

Um nach langer Durststrecke profitabel zu werden, muss auch Mjam-Mutter Delivery Hero sparen. Heuer sollen Jobs in der Verwaltung gestrichen werden. Dem Vernehmen nach erwäge der Konzern zudem, die Zahl seiner Vertriebslinien zu straffen.

Die Marke Mjam könnte in Österreich ein Ablaufdatum haben und stattdessen wieder der Name Foodora auf pinken Rucksäcken prangen, ist aus der Gastronomie zu hören.

Foodora war in Wien bis 2019 präsent, ehe Delivery Hero hierzulande ganz auf Mjam umsattelte. Mjam Österreich selbst will einen Markenwechsel auf Nachfrage weder dementieren noch bestätigen.

Viele Baustellen

An zahlreichen Baustellen fehlt es schon bisher nicht. Wie Lieferando steht Mjam im Visier der Kartellwächter: Die Wettbewerbsbehörde klopft die Branche auf möglichen Missbrauch von Marktmacht ab.

Schlecht zu sprechen auf Essenszulieferer sind zunehmend zahlreiche Wirte, die sich finanziell ausgehungert und in ungesunde Abhängigkeiten gepresst fühlen.

Mjam weist scharf zurück, Restaurants in exklusive Partnerschaften zu drängen. Ziel der Umstellung der Liefergebühren und Mindestbestellmenge sei es, Dienstleistungen so attraktiv wie möglich zu machen. Was umstrittene Ghost-Kitchens betrifft, so gebe es derer auf der eigenen Plattform nur drei. Mjam selbst betreibe keine einzige davon.

Nicht zur Ruhe kommt der Konzern jedoch auch, was seine Arbeitsbedingungen betrifft. Nach anhaltenden Protesten bat Mjam Beschäftigte zu Gesprächen und entwickelte ein neues Lohnmodell. Der Stundenlohn erhöhte sich infolge durchschnittlich um zehn Prozent auf 13,2 Euro. Garantiert werden zumindest 8,65 Euro pro Stunde. Jeder gefahrene Kilometer werde bezahlt.

"Zu wenig Arbeit"

Mjam-Betriebsrätin Adele Siegl sieht darin nur kosmetische Verbesserungen. "Die Stimmung in der Belegschaft ist nach wie vor schlecht." Sie schließt weitere Protestkundgebungen in Österreich nicht aus.

90 Prozent der rund 2500 Mjam-Rider seien freie Dienstnehmer. Die meisten Lieferungen erledigten diese sonntags und abends.

Die Hälfte unter ihnen bekomme aufgrund sinkender Essenbestellungen kaum noch Schichten, erzählt Siegl. Fixe Dienste seien nur den Angestellten vorbehalten. "Viele wollen einen echten Dienstvertrag, bekommen aber keinen."

In Summe kämpften mittlerweile vier Fünftel der Belegschaft um ausreichend Aufträge. "Es fehlt an Arbeit. Dennoch stellt Mjam laufend neue Leute ein." (Verena Kainrath, 11.3.2023)