Protest gegen die Massengräber von indigenen Kindern im Juli 2021.

Foto: EPA / Andre Pichette

Ottawa/Genf – Viele indigene Kinder in Kanada werden laut UNO auch Jahrzehnte nach dem Ende des berüchtigten Internats-Systems immer noch von ihren Eltern getrennt. Das kritisierte der UN-Menschenrechtsbeobachter für Indigene Völker, Francisco Calí Tzay, am Freitag am Ende eines zehntägigen Besuches in dem nordamerikanischen Land. 53 Prozent der Kinder in Pflege seien Ureinwohner, obwohl nur 7,7 Prozent aller kanadischen Kinder Indigene seien, sagte der guatemaltekische Experte.

Von den 1880er Jahren bis in die 1990er wurden in Kanada geschätzt rund 150.000 indigene Kinder ihren Familien entrissen und in kirchlichen Internaten untergebracht. In dem staatlich initiierten Programm erlebten sie vielfach Gewalt, sexuellen Missbrauch, Hunger und Krankheiten. Hunderte kamen nie wieder nach Hause. Funde von indigenen Kindergräbern auf Internatsgeländen lösten in den vergangenen Jahren auch international Entsetzen aus.

Schlechte Wohnsituation in Reservaten

"Das Kinderwohlfahrtsystem entfernt weiterhin indigene Kinder aus ihren Familien und schreibt die negativen Folgen der Internate fort", schrieb Calí Tzay in seinem Bericht. Kinder würden meist zu nicht-indigenen Pflegefamilien kommen und so ihre Sprache, Kultur und Kontakte zu Verwandten verlieren, kritisierte er. Die schlechte Wohnsituation in den Reservaten sei ein Grund für viele Kindesabnahmen.

Das über Generationen vererbte Trauma der Internate hat laut Calí Tzay auch zur ausufernden Gewalt an indigenen Frauen beigetragen. Eine Wahrheits- und Versöhnungskommission zum Schulsystem dazu hatte bereits 2015 festgehalten, dass manche Opfer selbst zu Tätern wurden. (APA, 11.3.2023)