Spotify soll einen vertikalen Feed erhalten.

Foto: Spotify

Jeder will das neue Tiktok sein. Kein Wunder, denn die Nutzerzahlen gehen in die Milliarden und der App aus China wird im Westen ein Wert von rund 50 Milliarden US-Dollar nachgesagt. Der Erfolg beruht auch auf dem Interface, per Wisch werden nahezu endlos viele Videos abgespielt.

Social Media Plattformen wie Instagram versuchten bereits das Userinterface zu kopieren und scheiterten, weil die Nutzerinnen und Nutzer die Änderungen ablehnten. Der Tenor war eher: Wer Tiktok will, geht zum Schmied und nicht zum Schmiedl.

Spotify will das Musik-Tiktok werden

Spotify dürfte jetzt in eine ähnliche Falle getappt sein, wenn man den ersten Reaktionen über die am Mittwoch präsentierten Änderungen glauben darf. Herzstück der Neuerungen sind nämlich Feeds, die es Nutzern ermöglichen, vertikal durch einen Mix aus Vorschlägen zu scrollen. Darin enthalten sind beispielsweise Songs der Lieblingskünstler, neue Musik, Podcasts oder Hörbücher. Die Änderungen sollen dazu dienen, dass die Benutzeroberfläche lebendiger und interaktiver gestaltet wirkt. Ganz nach dem Vorbild von Tiktok will Spotify dabei auf Videoclips setzen, die Nutzer auf Inhalte aufmerksam machen.

"Danke, aber ich hasse es"

Doch was ausgerechnet Videoclips in einem Musikdienst verloren haben, erschließt sich offenbar nicht allen Spotify-Nutzenden. "Danke, aber ich hasse es", sagt etwa der Techjournalist Rory Mellon von "Tom’s Guide". Spotify hatte eine gut strukturierte Oberfläche, die wirklich gut darin war, relevante Empfehlungen zu geben. Doch statt diese übersichtlich zusammengefasst zu bekommen, müsse man als User oder Userin zukünftig durch Karten an Empfehlungen scrollen – einer nach der anderen.

"Das wird sicherlich schnell langweilig werden. Der neue Feed sieht so abstoßend aus, dass ich vermute, dass viele Nutzer als erste Anlaufstelle die Suchleiste nutzen werden, anstatt auf der Startseite zu surfen. Das wiederum wird den Kontakt der Nutzer mit neuer Musik stark einschränken, und viele werden stattdessen auf die Wiederholung ihrer bekannten Favoriten zurückgreifen", so Mellon.

Tech-Unternehmen nehmen ihre Geschäftsmodelle auseinander

Ähnlich sieht das auch Tim Marcin von "Mashable": "Spotify ist eine Musik-Streaming-App und eine äußerst beliebte dazu. Gibt es wirklich eine Nachfrage nach einer Umwandlung in Tiktok? Möchte jemand die App öffnen und endlos durch Schnipsel von Musikvideos und Podcasts scrollen? Oder wollen wir auf bequeme Weise Musik hören?"

Ryan Broderick von "Garbageday" geht sogar noch einen Schritt weiter. Es sei verrückt zu beobachten, wie Tech-Unternehmen ihre Benutzeroberflächen und Geschäftsmodelle auseinandernehmen, um mit Tiktok zu konkurrieren. Der Journalist Tony Webster rief Spotify-CEO Daniel Ek sogar auf, die geplanten Änderungen zu stoppen. Es bestehe kein Grund, Spotify in ein Tiktok zu verwandeln. "Wir brauchen ein Moratorium für das, was auch immer mit Tech-CEOs passiert", spielt Webster auf die zahlreichen Versuche die chinesische Videoapp zu kopieren, an. Ähnlich sieht es auch Natali Dowzicky von "Reason": Man müsse nicht in jede App mit Gewalt einen Feed stopfen, meinte sie.

Spotify hat wie üblich keinen definitiven Veröffentlichungstermin für das neue Benutzerinterface genannt. Man werde die neue Oberfläche an Premium- und Gratisnutzer in den kommenden Wochen und Monate ausrollen. (pez, 11.3.2023)