In der Vergangenheit wurde auch während öffentlicher Messen für ein Ende der Gewalt in Nicaragua protestiert.

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Ein Interview von Papst Franziskus war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Am Wochenende kappte Nicaraguas Diktator die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan. Ganz überraschend kam dies jedoch nicht: Die Spannungen hatten sich seit Monaten hochgeschaukelt. Ortega hatte Ordensschwestern und Priester des Landes verwiesen, katholische Radiosender geschlossen, Prozessionen verboten, einen kritischen Bischof wegen Vaterlandsverrats zu 26 Jahren Haft verurteilt und zuletzt auch noch das kirchliche Hilfswerk Caritas geschlossen, das tausenden Nicaraguanern humanitäre Hilfe leistet. Damit enden 115 Jahre ununterbrochener bilateraler Beziehungen zwischen dem Vatikan und Nicaragua in einem Eklat. Derzeit gibt es nur 13 Staaten der Welt, die keine Beziehungen zum Vatikan unterhalten, darunter Nordkorea, China, Somalia, Bhutan und Afghanistan.

NS-Vergleich

Vorige Woche hatte Franziskus gegenüber dem Portal "infobae" Nicaragua auf eine Stufe mit kommunistischen Diktaturen und dem Nazismus gestellt und das Regime als "rüpelhaft" kritisiert. Der Papst hatte lange gezögert, klare Worte zur Repression in Nicaragua zu finden. Immer hatte er betont, man sei mit Nicaragua im Dialog. Kaum war das Interview online, fand es zahlreiche Unterstützer. Unter anderem den Weihbischof von Managua, Silvio Baéz:"Er hat ihnen gesagt, was sie sind: eine Diktatur von unausgewogenen, vulgären und anachronistischen Menschen im Stile Hitlers und des Kommunismus", twitterte Baez, der von Ortega ausgebürgert wurde und seit vier Jahren im Exil in den USA lebt. Auch die Anwältin Martha Patricia Molina, die über 400 Angriffe des Regimes auf die Kirche dokumentiert hat, begrüsste die klaren Worte des Papstes, fürchtete jedoch eine Eskalation der Repression gegen alles Katholische.

Wenige Stunden nach dem Interview, berichtete am Sonntag das Portal Confidencial, habe eine nicaraguanische Gesandte in Rom eine Verbalnote überreicht, die "Aussetzung" der Beziehungen angekündigt und dem vatikanischen Geschäftsträger in Managua eine Woche Zeit gegeben, um seine Koffer zu packen. Der Nuntius, also der eigentliche Botschafter des Vatikan, war schon 2022 des Landes verwiesen worden. Ortega bezeichnete wiederholt katholische Würdenträger als "arrogant", "verstört" und "verrückt". Die Bischöfe seien "Terroristen" und "Putschisten", weil sie angeblich "Komplizen" lokaler und internationaler Organisationen seien, die ihn stürzen wollten. Trotz der Eskalation vermied das Außenministerium das Wort "Abbruch" und sprach nur von einer "Suspendierung" der bilateralen Beziehungen – eine inexistente Figur in der internationalen Diplomatie.

Wechselhafte Beziehungen

Die Beziehungen Ortegas zur katholischen Kirche gleichen einer Achterbahnfahrt. Sie waren in den 1980er-Jahren sehr angespannt, als die linke sandinistische Befreiungsfront die Macht übernommen hatte – mit Ortega an der Spitze und linksprogressiven Kirchenleuten wie Ernesto Cardenal im Gefolge, der lange Kulturminister war. Der 2020 verstorbene Cardenal kassierte für seinen politischen Aktivismus eine Rüge vom Papst und wurde vom Priesteramt suspendiert. Erst Franziskus rehabilitierte ihn 2019, als Cardenal schon schwer krank war.

Als Ortega Ende der 1990er-Jahre in der Opposition war, näherte er sich der konservativen lokalen Kirchenhierarchie an, die ihm zu dem Zeitpunkt kritisch gegenüberstand. Er versprach dem damaligen Kardinal Miguel Obando y Bravo, bei einer etwaigen Wiederwahl am strikten Abtreibungsverbot und am Verbot der homosexuellen Ehe festzuhalten und stellte ihm allerlei Vergünstigungen in Aussicht. Unter anderem dank diesem Pakt gelang Ortega im Jahr 2006 die Wiederwahl. Seither ist er an der Macht. (Sandra Weiss, 14.3.2023)