Mitarbeitende stehen vor dem Hauptsitz der geschlossenen Silicon Valley Bank. Ab Montag soll die Kundschaft des Instituts wieder auf ihre Guthaben zugreifen können.

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Wien – Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) löst Unruhe im Finanzsektor aus. Die Angst vor einer Ansteckung ist groß – also davor, dass nun auch andere Banken in Mitleidenschaft gezogen werden können. Am Montagvormittag tauchten die europäischen Aktienmärkte ab, der Euro Stoxx 50 und der deutsche Leitindex Dax verloren jeweils um drei Prozent an Wert. Beim bankenlastigen Wiener ATX ging es gar um mehr als vier Prozent nach unten. Wie konnte es so weit kommen und was genau ist eigentlich passiert? Ein Überblick.

Frage: Wie kam es zur Pleite der SVB?

Antwort: Wie so oft gibt es nicht den einen Grund, der das Debakel ausgelöst hat. Es sind mehrere Faktoren zusammengekommen. In den vergangenen Jahren gab es einen regelrechten Boom im Technologiesektor. Das brachte auch viele Start-ups hervor, die auch viel Geld verdient haben. Geld, das auch bei der SVB eingelegt wurde. Weil die Bank im gleichen Ausmaß aber nicht so viele Kredite vergab, hat sie das Geld selber veranlagt. Ein Teil floss in Anleihen – genauer gesagt in Staats- und Hypothekenanleihen.

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DER STANDARD

Frage: Gelten diese Papiere nicht als stabile Investments?

Antwort: Ja, das ist richtig. Aber die Bank investierte zu einem Zeitpunkt, als die Kurse dieser Papiere schon hoch waren. Dann hob die US-Notenbank Fed aber die Zinsen in mehreren Schritten rasch an, was Anleihenkurse fallen lässt. Das verteuerte einerseits die Schulden im Tech-Sektor. Der Tech-Boom endete damit: Die Folge davon sind Korrekturen, Entlassungen und Reorganisation von Geschäftsfeldern. Zudem sind aufgrund der gestiegenen Zinsen die Kurse der Anleihen gefallen. Weil die Not im Tech-Sektor auch groß war, wollten viele Unternehmen nun auf ihre Einlagen zugreifen. Die SVB musste also ihre Anleihen verkaufen – und fuhr damit Verluste ein. Dass die Bank hohe Verluste realisierte, sprach sich herum. Aus Angst davor, an das einbezahlte Geld nicht mehr heranzukommen, zogen viele verunsicherte Kunden ihre Gelder in großem Stile ab. An einem einzigen Tag wurden 42 Milliarden US-Dollar an Bankeinlagen abgehoben. Das hat zur behördlichen Schließung der Bank am Freitag geführt.

Frage: Welche Folgen hat die Pleite?

Antwort: Das ist noch nicht ganz abzusehen, und das löst auch die Unsicherheit aus, die jetzt für Nervosität im Bankensektor sorgt. Am stärksten betroffen sind freilich die Kunden der Bank. Weil sie auf die Finanzierung von Start-ups spezialisiert war, ist wohl davon auszugehen, dass es auf der Kundenseite Unternehmen geben wird, die nun selbst in Finanznöte geraten.

Frage: Hatte die SVB nur Kunden aus den USA?

Antwort: Nein. Es gibt auch Geschäftsbeziehungen in Europa. In ganz Europa zählt die SVB laut Schätzungen des "Handelsblatts" rund 3.600 Kunden. Dazu zählen auch bekannte Namen wie der Kochboxenversender Hellofresh, der vor allem in der Pandemie boomte. Allzu ausgeprägt sind die Verbindungen nach Europa aber nicht, in der Europäischen Zentralbank als zuständige Bankenaufsicht ist kein Notfalltreffen wegen der SVB-Pleite geplant. Österreichs Geldhäuser hätten kein nennenswertes Geschäft mit der US-Pleitebank, heißt es auf Anfrage aus der Finanzmarktaufsicht FMA.

Frage: Warum ziehen die Probleme einer Bank andere Institute mit?

Antwort: Das hat viel mit dem Vertrauen der Banken untereinander und mit deren geschäftlicher Verbindung zu tun. Banken borgen sich auch untereinander Geld. Fehlt das Vertrauen, dass ein Institut das geborgte Geld rechtzeitig zurückzahlen kann, wird es eng. Diese Art der Vertrauenskrise hatte während der Finanzkrise 2008 für viel Unsicherheit gesorgt. Weil sich kein Marktteilnehmer mehr sicher war, ob er dem anderen vertrauen kann, trocknete der Markt aus. Liquide Mittel waren rar – sprich: Die Geldvergabe kam ins Stocken. Daher haben die Notenbanken eingegriffen. Viele Banken haben seit Ende vergangener Woche bereits starke Kursverlauste an den Börsen hinnehmen müssen. Daran lässt sich auch ablesen, für wie sicher oder wie vertrauenswürdig für die Kundschaft und Investoren die unterschiedlichen Institute derzeit halten.

Frage: Warum werden jetzt Erinnerungen an Lehman Brothers wach?

Antwort: Weil die Marktteilnehmer Angst haben, dass der Fall einer Bank eine Systemkrise auslöst, wie das ab 2008 nach dem Fall der Investmentbank Lehman Brothers der Fall war. Damals kamen viele Institute, die mit Lehman Geschäfte gemacht hatten, unter Druck. Das Vertrauen in den Sektor nahm rasch ab. Der Fall von Lehman hatte auch Schockwellen in Europa ausgelöst. So war Lehman der Emittent vieler Investmentzertifikate. Das in diese Papiere veranlagte Geld gilt nicht als Sondervermögen (wie das etwa bei Fonds der Fall ist) – somit mussten auch tausende Anleger Ausfälle hinnehmen.

Frage: Kommt jetzt ein neuer Bankencrash?

Antwort: Für diese Einschätzung ist es noch zu früh. Die Banken werden in den kommenden Stunden und Tagen ihre Geschäftsverbindungen prüfen, ihre Finanzierungen durchforsten. Dass es zu Folgereaktionen im Zuge des Ausfalls der SVB kommt, kann freilich nicht ausgeschlossen werden. Am Wochenende wurde mit der Signature Bank ein weiteres US-Geldhaus behördlich geschlossen. Diese war auf Geschäfte im Kryptobereich spezialisiert, hatte also auch ein sehr spezielles Geschäftsmodell. Ob daraus eine umfassende Bankenkrise entsteht, wird sich erst zeigen – gilt unter Experten aber als unwahrscheinlich. Allerdings werden die steigenden Zinsen zu vermehrten Kreditausfällen im Bankensektor sorgen.

Frage: Was machen Kunden der SVB jetzt?

Antwort: Die US-Behörden haben die Einlagen der Kunden gesichert. Ab Montag sollen die Kunden Zugang zu ihren kompletten Guthaben bekommen. US-Finanzministerin Janet Yellen und andere Regulierer wollen so verhindern, dass es zu einer Panik an den Märkten kommt.

Frage: Wie geht es mit der Bank weiter?

Antwort: Yellen hat eine staatliche Rettung des Instituts ausgeschlossen. Vielmehr sucht der US-Einlagensicherungsfonds derzeit nach einem Käufer für die SVB. Wegen der Größe der Bank – sie ist die Nummer 16 der US-Institute – gilt der Kreis möglicher Retter jedoch als begrenzt. Die britische Tochter der SVB dürfte hingegen bereits einen neuen Eigentümer gefunden haben. Laut Medienberichten will die britische Großbank HSBC das Geschäft übernehmen.

Frage: Wie wird die US-Notenbank Fed auf die Bankenpleite reagieren?

Antwort: Ursprünglich, also vor Bekanntwerden der Bankenpleite, wurde im Finanzsektor damit gerechnet, dass zur Wochenmitte die Fed zur Bekämpfung der hohen Inflation um einen halben Prozentpunkt erhöhen wird. Von diesem Vorhaben wird sie nun womöglich abrücken, um keinen zusätzlichen Stress auf das Bankensystem auszuüben. "Bleibt die Situation unbeständig und unsicher, wird die Fed in einen Zwiespalt geraten und möglicherweise gezwungen sein, die Zinsen auf der kommenden Sitzung weniger stark anzuheben oder sogar auf eine Anhebung zu verzichten", schreiben die Experten des Vermögensverwalters Franklin Templeton. (Bettina Pfluger, Alexander Hahn, 13.3.2023)