Zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr soll man am anfälligsten für Nomophobie sein – die Angst, nicht mehr erreichbar zu sein.

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Sie sind allgegenwärtig und nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken: In Österreich besitzen mehr als 90 Prozent der Bevölkerung ein Smartphone, und mehr als zwei Drittel können sich ein Leben ohne Handy eher nicht oder gar nicht mehr vorstellen. Eine Studie aus Deutschland zeigt nun, wie sich intensive Nutzung auf die Psyche auswirken kann: Nomophobie – die Angst, nicht erreichbar zu sein – dürfte weiter verbreitet sein als bisher angenommen.

Unter Nomophobie – die Abkürzung für "no mobile phone phobia" – versteht man eine Angststörung, die durch Smartphone-Entzug entsteht. Eine an der Privaten Hochschule Göttingen (PFH) durchgeführte Studie hat diese Störung nun erstmals in Deutschland untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass fast die Hälfte (49,4 Prozent) aller 807 Teilnehmenden bereits ein mittleres Maß an Nomophobie aufweisen. In 4,1 Prozent der Fälle wurde eine schwere Nomophobie festgestellt.

Dabei wurden vier Dimensionen untersucht, die für Smartphone-Entzug typisch sind: "nicht kommunizieren können", "Verbindungsverlust", "nicht auf Informationen zugreifen können" und "Komfortverzicht". Diese Faktoren korrelieren laut den Forschenden unterschiedlich stark mit Persönlichkeitsmerkmalen wie Gewissenhaftigkeit, Offenheit oder Neurotizismus, aber auch mit Angst und Stress.

Eigenständige Störung

Obwohl es Überschneidungen mit der Smartphone- und Internetsucht gibt, stellt Nomophobie ein eigenständiges Konstrukt dar. "Geht das Handy verloren, oder ist man aufgrund eines Funklochs oder eines leeren Akkus kurzzeitig nicht erreichbar, kommt es zu einem subjektiv verschobenen übermäßigen Angstempfinden", erläutert Yvonne Görlich, Professorin für Psychologische Diagnostik und Differentielle Psychologie und Leiterin der Studie.

Im Unterschied zur Smartphone-Abhängigkeit, die zu den Suchterkrankungen zählt, handle es sich bei Nomophobie konkret um eine Angststörung. Der Verlust der Kontrolle über die Smartphone-Nutzung zeige sich dabei in anderen Lebensbereichen. "In früheren Studien wurden signifikante Zusammenhänge zwischen Nomophobie und Einsamkeit, Depression, Ablenkung und verminderter Impulskontrolle festgestellt", sagt Görlich.

Frauen möglicherweise stärker betroffen

Während die Studie bewusst Personen mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren untersuchte, also mit jenem Alter, in dem Personen am häufigsten von Nomophobie betroffen sein sollen, zeigten sich beim Nomophobie-Wert geschlechterspezifische Unterschiede. Frauen zeigten bei den Faktoren "nicht kommunizieren können" und "Komfortverzicht" signifikant höhere Werte als Männer.

"Wir können davon ausgehen, dass Frauen aufgrund eines stärkeren Bedürfnisses nach sozialen Beziehungen das Smartphone stärker zur Kommunikation nutzen und somit höhere Nomophobie-Scores erzielen", erläutert Görlich. Bei der Häufigkeit der Smartphone-Nutzung hingegen gab es keine signifikanten Unterschiede, aber Frauen waren länger mit dem Smartphone beschäftigt als Männer.

Nomophobie noch nicht anerkannt

Aufgrund dieser Resultate und weiterer internationaler Studien stellt sich die Frage, ob Nomophobie als anerkannte Krankheit eingestuft werden soll. Die Forschungsleiterin verweist auf eine Aufnahme in Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD), weil dort auch spezifische Phobien aufgelistet sind. "Die technischen Veränderungen und ihre psychischen Folgen zeigen sich zum Beispiel darin, dass im seit 2022 gültigen ICD-11 die Computerspielsucht in der Rubrik Verhaltenssüchte neu aufgenommen wurde", sagt Görlich. (bbr, 14.3.2023)