Die Winter werden wärmer. Was sind die Auswirkungen?

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"Wir stehen knapp vor der Blüte", sagt Franz Lehner. Seine 12.000 Marillenbäume wurzeln auf zwölf Hektar in Geitzendorf, einer kleinen Gemeinde im Weinviertel. Sie werden in den kommenden Tagen blühen – und damit rund ein bis zwei Wochen früher als noch vor einigen Jahren. Das ist den warmen Temperaturen im Winter geschuldet.

Denn dadurch friert der Boden nur wenige Wochen anstatt wie früher über längere Zeiträume. Die Bäume kommen also früher in den Saft, wie Lehner sagt. Sie blühen dadurch früher aus. Ob das in einigen Wochen zu einem Ernteausfall führen wird, weiß der Biobauer heute noch nicht.

Denn die frühere Fruchtentwicklung treibt auch die Sorge um möglichen Spätfrost an. Blüten oder Früchte könnten dann erfrieren – und ohne sie gibt es keine Marillen. Die letzten drei Jahre seien von Ernteausfällen geprägt gewesen. Temperaturschwankungen hätte es schon immer gegeben, genauso wie Spätfrostnächte bis in den Mai hinein. Sie würden heute aber viel mehr Schäden verursachen als vor zehn Jahren, weil die Früchte weiter entwickelt und dadurch schlechter geschützt sind.

Trotzdem geht Lehner "optimistisch" in die Saison. Er hofft auf ein Jahr ohne Frost und Schäden. "Was die Natur macht, kann man ohnehin nicht voraussehen", sagt er.

Sind die Marillenbäume ausgeblüht, sind sie vor Spätfrost schlechter geschützt.
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Keine Winter-Hitzewelle in Österreich

Auch das "Klimamonitoring" der ehemaligen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik kann nicht in die Zukunft blicken. Dafür zeigt es die aktuellen Temperaturen im Vergleich zu Mittelwerten anderer Messzeiträume. "Der Winter war wieder zu warm", sagt Klaus Haslinger, Klimaexperte bei GeoSphere, der neugegründeten Bundesanstalt Geologie, Geophysik, Klimatologie und Meteorologie.

Laut der Aufzeichnungen war es im März um 2,6 Grad wärmer als zur gleichen Zeit in den Jahren 1961 bis 1990. Die Temperaturen im Februar wiederum lagen um 2,8 Grad darüber und die im Jänner sogar um 3,7 Grad. Der Dezember vergangenen Jahres war um 2,2 Grad wärmer als im Vergleichszeitraum.

Das Klimamonitoring der ZAMG visualisiert den Vergleich aktueller Temperaturen mit jenen vergangener Jahre.
Quelle: ZAMG/Screenshot

Gegenüber den Jahren 1991 bis 2020 hat sich ebenfalls einiges verändert, wie man erkennen kann, wenn man sich durch die Datenvisualisierung klickt. So lag die Temperatur im März bisher um 0,7 Grad über den Vergleichstemperaturen dieser Jahrzehnte, im Februar um 1,8 und im Jänner um 2,2 Grad. Von einer "Winter-Hitzewelle" möchte Experte Haslinger dennoch nicht sprechen. "Hat es im Februar 20 Grad, dann ist das eine ungewöhnliche Wärme, aber keine Hitze."

Das Wort Hitze nutzen dafür Wetterexperten in Spanien dieser Tage dafür sehr häufig. An den Wetterstationen in Portopí in Palma oder Castellón in der Region Valencia wurden am Samstag die höchsten März-Temperaturen seit Beginn der Aufzeichnungen gemessen. Dass die Temperaturen in Spanien und anderen Teilen Europas seit Jahren steigen, wird auf den Klimawandel zurückgeführt. Folgen, wie etwa mangelnder Regen und darauffolgende Dürreperioden haben vielerorts zu Problemen geführt.

Lange Vegetation, mehr Verdunstung

Zu den Folgen des Temperaturanstiegs zählt auch in Österreich Dürre, wie Klaus Haslinger weiß: "Feuchtigkeit verdunstet, der Boden trocknet aus." Diese Verdunstung habe in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen und werde weiter zunehmen – denn während die Temperaturen steigen, bleibe der Niederschlag annährend gleich.

Auch ein Zusammenhang mit den Pflanzen bestehe, erklärt der Experte. Diese geben nämlich ebenfalls Feuchtigkeit ab – durch die Erwärmung verlängert sich ihre Vegetationsphase und sie werden früher aktiv. "Sobald die Pflanzen austreiben, beginnen sie mehr Feuchtigkeit zu verdunsten und das kurbelt den Effekt nochmals zusätzlich an."

Schnee liegt weniger und kürzer

Der Schnee schmilzt früher ab, und daher braucht es früher im Jahr Niederschlag.
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Durch höhere Temperaturen im Winter schmelze auch die Schneedecke früher ab. "Weil eine Schneedecke nichts anderes ist als gespeicherter Niederschlag, führt das dazu, dass man früher im Jahr von Niederschlägen abhängig ist."

Und kann man von dem warmen Winter auf die Temperaturen für den Sommer schließen? Ist der warme Winter eine Art Vorbote für die Hitze im Sommer? "Dieser Schluss ist nicht zulässig", sagt dazu Haslinger. Die Temperaturen hängen mit der Verteilung der Hoch- und Tiefdruckgebiete zusammen, erklärt der Experte.

DER STANDARD

Die Frage sei also vielmehr: "Werden wir viele Tiefdruckgebiete haben, die uns kühlere Luft und Niederschlag vom Atlantik bringen? Oder setzt sich ein Hochdruckgebiet durch, das die Regenfronten abblockt und für viel Sonnenschein sorgt?" Diese Zirkulation, "die das Wetter ausmacht", sei nur sehr schwer für die nächsten Monate zu prognostizieren.

Mehr Schädlinge in der Landwirtschaft

Die wärmeren Temperaturen bieten jedenfalls angenehmere Bedingungen für Schädlinge. "Die sind mehr geworden", sagt Biobauer Lehner. In den vergangenen fünf Jahren hat er verstärkt mit Kirschessigfliegen und Blattläusen zu kämpfen. "Die hätten wir so wahrscheinlich auch, aber in niedrigerer Population", so Lehner.

Eine Gemeinde weiter in Steinabrunn wurzelt Weizen und Raps auf den Feldern von Lorenz Mayr. Bald folgt die Sommerbraugerste, dann Zwiebel, Zuckerrüben, Mais und Erdäpfel. Ende April dann Kürbisse und Soja – das gehe in den nächsten Wochen Schritt für Schritt. Der Landwirt habe schon im Dezember und Jänner bemerkt, dass es zeitig warm wird. Für die Ackerpflanzen sei das per se kein Problem, aber "die Schädlinge sind viel früher unterwegs".

Mayr habe den Großen Rapsstängelrüssler schon Mitte Februar in den Feldern gehabt. Er musste die Pflanzen bereits behandeln. Somit scheinen die wärmeren Temperaturen den Schädlingen angenehme Bedingungen zu bereiten. Mayr ist überzeugt, dass "Schädlinge mit Trockenheit und den warmen Temperaturen besser zurechtkommen als unsere Pflanzen". (Julia Beirer, Lisa Breit, 15.3.2023)