"Flatout 2" erschien 2006 für Windows, die Xbox sowie die Playstation 2.

Screenshot: Flatout 2
Screenshot: Flatout 2
Screenshot: Flatout 2
Screenshot: Flatout 2

Eines vielleicht gleich vorweg: Ich schreibe diesen Retro-Test nicht von einem neutralen Standpunkt. Denn dafür hängen an "Flatout 2" zu viele schöne Erinnerungen. Es war eines der ersten Games, die ich nach der Anschaffung meines ersten selbstbezahlten PCs im Salzburger Studentenheim mit Mitbewohnern im Netzwerk spielte, und nach meiner Übersiedelung nach Wien auch ausgiebig in meiner ersten WG.

An zig Abenden wurde um Sekundenbruchteile gerast, während man sich alle Mühe gab, die Konkurrenz von der Rennstrecke zu rammen. In Destruction Derbys war die – mehr oder weniger – systematische Zerstörung der Widersacher ohnehin das erklärte Ziel. Im Eventmodus hingegen ritterten wir um Punkte, indem wir Fahrerin oder Fahrer strategisch aus dem Auto und auf eine Bowlingbahn, eine Dartscheibe, ein Fußballtor, durch Feuerringe oder sonstige Ziele katapultierten. Dazu kommen unzählige Stunden, die ich mit dem Karrieremodus des Games zugebracht habe.

GOG

Ein Oldie zur rechten Zeit

Wiederentdeckt habe ich das 2006 veröffentlichte Spiel des finnischen Studios Bugbear eher zufällig durch den Empfehlungsstapel auf Steam. Meine physische Kopie, sofern überhaupt noch existent, schlummert wahrscheinlich in den Tiefen einer Kiste am Dachboden im Elternhaus. Und für zwei Euro, die es aktuell (Stand: 13. März) kostet, kann man nichts falsch machen.

Der Oldie kam außerdem sehr gelegen, denn kurz nach der Anschaffung starb das Mainboard meines Desktoprechners einen bedauerlichen Unfalltod und muss erst noch ersetzt werden. Und auf meinem Laptop, der schon Baujahr 2018 maximal für Casual Gaming taugte, laufen viele aktuelle Games nur unspielbar oder gar nicht. "Flatout 2" dafür wie geschmiert.

Es gibt aber Einschränkungen. Optisch ist das Game heutigen Rennspielen natürlich unterlegen und konkurriert eher mit Indietiteln oder schöneren Mobile Games. An die etwas mühsame Menüführung des für Konsolen umgesetzten Spiels muss man sich ebenfalls gewöhnen. Zumindest die Steuerung beim Fahren ist simpel gehalten. Links, Rechts, Beschleunigen, Bremse, Handbremse, Nitro – fertig. Optional kann man auch manuell Gänge schalten, aber wer will das bei einem solchen Spiel schon?

Vroom, vroom, Mother-effer

Für einen Arcade-Racer ist die Fahrphysik allerdings recht herausfordernd gehalten. Scheint ein Fahrzeug in der Auswahl mit schlechtem "Handling"-Wert auf, so ist Vorsicht geboten. Rasante Beschleunigung ist zwar nett, aber auch ziemlich hinderlich, wenn die Karre beim geringsten Lenkfehler aus jeder Kurve fliegt.

Screenshot: Flatout 2

Dazu kommt ein detailliertes Schadensmodell, das solche Patzer nicht nur sichtbar abbildet, sondern bei fortgeschrittener Desintegration des Vehikels auch wenig erfreuliche Auswirkungen auf Steuerverhalten und Motorleistung hat. Wer zu oft in Hindernisse crasht oder von der Konkurrenz auf die sprichwörtliche Schaufel genommen wird, scheint am Ende mit "Did Not Finish" auf dem letzten Platz in der Wertung auf. Immerhin ohne Extra-Punkteabzug.

Sprünge, Drifts, das Rammen von Gegnern und Umräumen allerlei zerstörbarer Streckendekoration füllen den virtuellen Nitro-Tank auf. Und der kann am Ende die Entscheidung zu eigenen Gunsten beim Fotofinish bescheren. Oder die beschleunigte Zerstörung des fahrbaren Untersatzes, weil man im Geschwindigkeitsrausch mal wieder "den einen Baum an der Gabelung" nicht einkalkuliert hat (Grüße gehen aus an "den einen Baum", dieses hinterhältig platzierte Gewächs).

Mit Nachhilfe zum Onlinespaß

Schadenfrohes Gelächter im Voicechat ist also vorprogrammiert. Während sich das das Spiel problemlos im lokalen Netzwerk und Splitscreen spielen lässt, muss man für den Multiplayer-Spaß etwas nachhelfen. Denn "Flatout 2" nutzte dereinst den Dienst Gamespy, der 2012 von einem anderen Unternehmen übernommen und 2014 abgedreht wurde.

Hier hilft ein vom Entwickler "Zolika1351" erstellter Patch nach (Verwendung auf eigenes Risiko). Er rüstet das Spiel nicht nur auf den quelloffenen Gamespy-Ersatz Openspy um, sondern beschert ihm außerdem ein paar moderne Features. Insbesondere Unterstützung für Widescreen-Auflösungen sowie für Monitore mit höherer Bildwiederholrate ist hier zu nennen. Gepatcht als auch ungepatcht läuft der Oldie übrigens selbst unter Windows 11 stabil. Der Online-Multiplayer-Modus setzt Steam nicht voraus. Auch wer noch das Original auf DVD-ROM zu Hause oder das Spiel auf einer anderen Plattform wie Gog gekauft hat, kann mit allen anderen gemeinsam spielen.

Die Community lebt

Das Rennen über den neuen Dienst mit bis zu acht Leuten klappt auch reibungslos. Und es stellt sich heraus, dass es auch heute noch eine kleine, aktive "Flatout 2"-Community gibt. Wer zu europäischen Abendzeiten einsteigt, hat gute Chancen, offene Lobbys oder Mitspieler für selbsterstellte Runden zu finden. Wer nur im Freundeskreis fahren möchte, muss aber schnell beim Beitreten sein oder "fremde" Rennteilnehmer nachträglich kicken, denn private Lobbys oder Passwortschutz kennt das Spiel nicht.

Ein verzeihbares Defizit, denn je mehr Spieler dabei sind, desto lustiger wird es. Eine Ausnahme sind die Eventmodi. Über den Humor des Konzepts, Fahrerin oder Fahrer durch ein Stadion auf Hindernisse zu schießen, lässt sich streiten. Dass man nicht gleichzeitig antritt, sondern jedem Spieler einzeln zusehen muss, zieht das Erlebnis stark in die Länge. Zu mehrt vor einem Computer oder auf einer LAN-Party kann das ganz witzig sein, als Online-Erlebnis ist es dann doch etwas zu "retro".

Megadeth - Topic

Oh, mercy me, god bless catastrophe

Damit bleibt mir eigentlich nur noch, auf den vielleicht wichtigsten Aspekt von "Flatout 2" einzugehen. Was das Game grafisch nicht mehr bieten kann, kompensiert es immer noch mit seinem grandiosen, fetzigen Soundtrack. Gegner von der Strecke fegen oder die Pumpe einer Tankstelle, begleitet von einer fetten Explosion, "wegzuräumen" macht mit "Symphony of Destruction" oder "Mercy Me" im Ohr gleich umso mehr Spaß.

Und das ist ohnehin die beste Beschreibung, die man diesem Game verpassen kann. "Flatout 2" ist, im besten Sinne, eine "Symphonie der Zerstörung". Die klingt auch 17 Jahre nach Release immer noch genauso schön wie damals. (Georg Pichler, 15.3.2023)