Die Lebensmittelproduktion leistet oftmals einen unterschätzten Beitrag zur Erwärmung des Planeten. Eine neue Studie kam erst vor wenigen Tagen zu dem Schluss, dass allein durch die Herstellung von Lebensmitteln die Durchschnittstemperatur auf dem Planeten bis zum Jahr 2100 um 0,9 Grad steigen könnte. 60 Prozent davon würden auf das Konto von Methan entfallen, weitere 20 Prozent auf CO2. Für die restlichen 20 Prozent sorgt das weniger bekannte Treibhausgas Lachgas, das vor allem von Düngemitteln stammt.

Wie also ließe sich Essbares klimaneutraler herstellen? Zwei britische Forscher warten im Fachblatt "PNAS" mit einem Vorschlag auf, der auf zweifache Weise gegen die Klimaerwärmung hilft: Wenn bewirtschaftete Flächen gezielt zur Speisepilzproduktion genützt würde, könnten solche zusätzlichen Wälder zum einen mehr Kohlenstoff binden. Zum anderen gäbe es mit den Speisepilzen eine proteinreiche und zudem kohlenstoffneutrale Nahrungsquelle.

Pilze helfen bei der Kohlenstoffbindung

Bei den Analysen zur Bindung von Kohlenstoff auf unserem Planeten wird gerne darauf vergessen, wie wichtig dabei Pilze sind. So ermittelten Forschende unter Beteiligung des IIASA in Laxenburg im Jahr 2019, dass Ökosysteme mit Pflanzen-Pilz-Symbiosen weltweit 350 Gigatonnen Kohlenstoff im Boden speichern, während jene pflanzenbewachsenen Flächen ohne diese sogenannten Ektomykorrhiza nur 29 Gigatonnen Kohlenstoff binden.

Paul W. Thomas and Alistair S. Jump, zwei Forscher der Universität Stirling in Schottland, nützten solche Erkenntnisse, um eine neue Idee durchzurechnen: Was wäre, wenn man Wälder gezielt auch zur Speisepilzkultivierung nutzen würde? Ließe sich dadurch zusätzlich Kohlenstoff binden? Und wie viele Menschen könnte man dadurch zusätzlich ernähren?

Edel-Reizker als kultivierte Speisepilze

Thomas und Jump rechneten für ihre Pilotstudie durch, welche Folgen es hätte, würde man Wälder weltweit gezielt mit drei verschiedenen Arten von wohlschmeckenden Reizkern bewirtschaften, die in verschiedenen Klimazonen wachsen.

Zwei Edel-Reizker, umgeben von vielen Kiefernnadeln. Diesen wohlschmeckenden Speisepilz, der nach Konsum den Urin rötlich färben kann (deshalb auch Kiefern-Blutreizker), schlagen die Forscher als Modellspeisepilz für unsere Breiten vor.

Für unsere Breiten käme dafür der Edel-Reizker (Lactarius deliciosus) infrage, ein Mykorrhiza-Pilz, der vor allem mit Kiefern in Symbiose lebt. Charakteristisch ist der an verletzten Stellen austretende Milchsaft, der orangerot gefärbt ist, weshalb er auch Kiefern-Blutreizker genannt wird.

Die Autoren integrierten die potenziellen Produktionserträge des Pilzes mit Daten zum Treibhausgasaustausch von tropischen, subtropischen, gemäßigten und borealen (also sehr weit nördlich gelegenen) Waldflächen aus den Jahren 2001 bis 2019. Der Anbau von Lactarius-Arten würde laut den Studiendaten zu einer zusätzlichen Kohlenstoffbindung führen, wobei dieser Effekt in borealen Klimazonen besonders ausgeprägt sein würde.

Ineffizient bei der Fläche, nicht fürs Klima

Hinsichtlich der Flächennutzung sei die Lactarius-Produktion zwar ineffizient. Immerhin gehen die Forscher davon aus, dass sich dadurch der Nährstoffbedarf von knapp 20 Millionen Menschen decken ließe. Verglichen mit neun weiteren Lebensmitteln, die viel Eiweiß enthalten, wären die so gewonnenen Pilze aber das einzige kohlenstoffneutrale Lebensmittel. Ihnen am nächsten kommen getrocknete Hülsenfrüchte, während Rindfleisch bekanntermaßen die schlechteste Klimabilanz pro Kilogramm Eiweiß aufweist.

Das einfache Resümee der Autoren: Die gezielte Produktion von Speisepilzen in Verbindung mit forstwirtschaftlichen Aktivitäten könnte nicht nur eine kohlenstoffneutrale Nahrungsquelle liefern, sondern auch die Ernährungssicherheit verbessern und zugleich einen zusätzlichen Anreiz für die Schaffung von Wäldern bieten. (Klaus Taschwer, 14.3.2023)