Das Team von "Everything Everywhere All at Once" freute sich über sieben Oscars.

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In der Nacht auf Montag fand zum 95. Mal die Verleihung der Academy Awards statt. Moderator Jimmy Kimmel führte mit sicherer Hand durch einen effizienten Oscar-Abend. Keine Watschn und kaum unangenehme Witze störten den straffen Ablauf, der wenig Überraschungen bereithielt.

Das favorisierte schräge Fantasy-Familiendrama Everything Everywhere All at Once reüssierte in sieben der wichtigsten Kategorien – ein Erdrutschsieg. Auch der deutsche Netflix-Antikriegsfilm Im Westen nichts Neues – mit dem Österreicher Felix Kammerer in der Hauptrolle – konnte sich vier Oscars sichern, darunter den für den besten internationalen Film.

Edward Bergers "Im Westen nichts Neues" erhielt vier Auszeichnungen. Hier dankt der Regisseur dem jungen Österreicher Felix Kammerer für seine Hauptrolle in dem Film.
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Die österreichische Filmeditorin Monika Willi, die aufgrund einer Gehirnerschütterung nicht nach L.A. reisen konnte, ging, ebenso wie Todd Fields Dirigentinnendrama Tár, leer aus. Damit befand sie sich in der illustren Gesellschaft der Verlierer des Abends. Am tragischsten wurde die Freundschaftsparabel The Banshees of Inisherin, der wie Helmut Bergers Kriegsdrama neunmal nominiert war, übergangen. Auch Regiegrößen wie Steven Spielberg (Die Fabelmans) oder Baz Luhrmann (Elvis) gingen leer aus.

Netflix Deutschland, Österreich und Schweiz

Wie zu erwarten war, gewannen die großen Blockbuster jeweils nur einen Oscar für technische Kategorien. Avatar: The Way of the Water und Top Gun: Maverick zählten zu den größten Kassenerfolgen des letzten Jahres, manche sahen in ihnen gar die Rettung des Kinos – eine teure, denn Avatar 2 zählt mit einem Budget von etwa 300 Millionen Dollar zu den schwersten Brocken der Filmgeschichte.

Asiatische Repräsentation

Dass auch "kleinere" Filme an der Kinokasse und bei den Preisvergaben glänzen können, bewies der große Gewinner des Abends Everything Everywhere All at Once des Mittdreißiger-Regieduos Daniel Kwan und Daniel Scheinert. Der vom 2012 gegründeten Arthouse-Horror-Studio A24 produzierte Film spielte mit 108 Millionen Dollar etwa das Vierfache seiner Produktionskosten ein. Auch der Regie- und der Drehbuchpreis ging an "die Daniels", denn dem Film gelingt der ungewöhnliche Brückenschlag zwischen verrücktem Action-Spektakel und realistisch-migrantischem Familien- und Behördendrama.

A24

Auch das Schauspielensemble des Films durfte Freudensprünge machen. Für ihre Rolle der Metaversen-durchstreifenden Waschsalonbesitzerin Evelyn Wang wurde die 60-jährige Michelle Yeoh als erste Asiatin in der Kategorie "Beste Hauptdarstellerin" geehrt. Durchsetzen konnte sie sich gegen Cate Blanchett in der ebenso schlagfertigen Rolle von Dirigentin Lydia Tár.

Ke Huy Quan, Yeohs Filmehemann, der einst als Kinderdarsteller in Indiana Jones anfing, war nun überglücklich über den Nebendarstellerpreis, der dem Fünfzigjährigen ein unerwartetes Comeback verheißt.

Ke Huy Quan wurde bester Nebendarsteller geehrt. Bekannt wurde er einst als Kinderschauspieler (Shorty) in Steven Spielbergs "Indiana Jones".
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Die Dankesreden Yeohs und Quans fokussierten denn auch auf ihre holprigen Karrierewege als Asiaten in Hollywood: Allen Kindern, die so aussähen wie sie, machte Michelle Yeoh Mut, und Ke Huy Quan, dessen Eltern kurz nach dem Vietnamkrieg emigrierten, dankte seiner Mutter und beschwor den "amerikanischen Traum".

Berührende Comebacks

Die Riege der berührenden Comebacks abschließen durfte ein sichtlich bewegter Brendan Fraser. Der 54-Jährige, der innerhalb der letzten Jahrzehnte wegen gesundheitlicher Probleme einen Karriereknick erlitt, wurde für Darren Aronofskys The Whale, worin er einen sterbenden adipösen Lehrer spielt, als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet.

Brendan Fraser erhielt den Oscar für sein Comeback in "The Whale".
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Dass Jamie Lee Curtis und nicht die favorisierte Angela Bassett den Oscar für die beste Nebenrolle gewann, stand sinnbildlich für die ohnehin mangelnde afroamerikanische Repräsentation bei den diesjährigen Oscars, die im Vorfeld für ein Wiederaufflammen des Hashtags #OscarsSoWhite führte. Curtis‘ Bürokratin aus Everything Everywhere All at Once stach Bassetts Königin in Black Panther: Wakanda Forever aus.

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Als einziger Film einer Regisseurin – Maria Schraders Journalismus-Thriller She Said und Gina Prince-Bythewoods The Woman King waren nicht nominiert – erhielt Sarah Polleys starkes Emanzipationsdrama Women Talking den Preis für das beste adaptierte Drehbuch. Ebenso absolut verdient, aber auch wenig überraschend waren die Oscars an das Kostümdesign von Black Panther: Wakanda Forever, an dem die österreichische Designerin Julia Körner beteiligt war.

Nawalny, in dem Niki Waltl die Kamera führt, erhielt den Oscar für die beste Dokumentation. In ihrer Dankesrede rief seine Ehefrau Julija Nawalnaja den inhaftierten russischen Dissidenten zum Durchhalten auf. Auch wenn mit Im Westen nichts Neues ein klassischer Antikriegsfilm prämiert wurde, war das der einzige Moment, in dem sich der Krieg in die mit Repräsentationsfragen ausgelastete Realität Hollywoods schlich. (Valerie Dirk, 13.3.2023)