Sieben Oscars – mit dieser Anzahl an Trophäen ging Everything Everywhere All at Once aus der 95. Oscar-Verleihung als der große Sieger hervor. Aber es war nicht nur der Sieg zweier Genre-Filmemacher. Es war auch ein Gewinn für das Asian-American Cinema. Dass Kino, wie so vieles in den USA, von einer weißen Mehrheitsgesellschaft dominiert ist, sollte nicht überraschen. Und doch ist in den letzten Jahren ein diverser und vielfältigerer Diskurs entstanden.

Dank des Oscar-Siegerfilms "Everything Everywhere All at Once" bekommen asiatische und asiatisch-amerikanische Filmemacher:innen mehr Präsenz. Dass die Community auf dem Weg zum Erfolg ist, zeigen auch andere Filme aus den letzten Jahren.
DER STANDARD

Ungleich den Afroamerikanern, die ein Drittel der Kinobesucher in den USA stellen, war die Asian-American Bevölkerung lange wenig sichtbar und wirtschaftlich irrelevant, da sie nur ungefähr fünf Prozent der Bevölkerung ausmacht. Frühe "Repräsentation" fand sich primär in der populären Fu Man Chu-Reihe der 1930er und 1940er – ein Sinnbild für die "Yellow Peril", das Schüren von Ängsten vor asiatischen Völkern.

"Töchter des Himmels" war die erste große Studioproduktion mit Asian-American Cast.
Foto: Imago

Anna May Wong konnte in den 1920ern und 1930ern zum Filmstar aufsteigen, wobei sie unter der rassistischen Rollenauswahl litt. Der Hongkong-Star Bruce Lee begeisterte in den 1970ern die Massen. Für alle anderen asiatisch-stämmigen Filmschaffenden bot das Independent-Kino einen Zufluchtsort.

Im Mainstream-Kino war ihnen stets nur das Anderssein vorbehalten. Männer wurden emaskuliert, die Frauen hypersexualisiert. Asiaten galten als dünner, kleiner, aber auch als höflich und bescheiden. Eine Vorzeigeminorität, die sich bereitwillig unterwarf. Frauen waren exotische Kreaturen, die als naive China-Doll, als Sexarbeiterin oder als eiskalte Drachenlady auftraten.

Stets Nebenfigur

Die Rollen waren Nebenfiguren, seien es Vorzeigeschüler, Immigranten, Agenten, Kriegsopfer oder Soldaten. Doch vielmehr noch als als Bedrohung dienten die Figuren der Belustigung. Der weiße Mickey Rooney spielte 1961 in Frühstück bei Tiffany die japanische Karikatur Mr. Yunioshi. Gebbe Watanabe erlangte 1984 zweifelhaften Ruhm, als er in Das darf man nur als Erwachsener den absurden chinesischen Austauschstudenten Long Duk Dong spielte.

Die langsame Veränderung ist jedoch nicht allein dem gesellschaftlichen Diskurs geschuldet. Die asiatische Bevölkerung steigerte ab den 1980ern ihre Wirtschaftskraft in den USA und auf dem asiatischen Kontinent. Dieser Zwang, sensiblere Darstellungen zu zeigen, gilt noch heute. Kein Blockbuster kommt mehr ohne den Blick auf das chinesische Box-Office aus. 1993 kam mit Töchter des Himmels die erste große Studioproduktion mit einem Asian-American Cast in die Kinos. Als Produzent fungierte Oliver Stone. Die Verpflichtung von Wayne Wang als Regisseur zeugte vom Interesse, authentische Geschichten zu erzählen. Star Wars: Episode I erntete 1999 wiederum Kritik für die Stereotype, die es seinen Alienrassen überstülpte. Eine solche waren die Neimoidianer, die nicht nur die L- und R-Laute vertauschten, sondern auch wie Fu Man Chu-Bösewichte agierten.

"Everything Everywhere All at Once" und Actionstar Michelle Yeoh räumten bei den Oscars ab.
Foto: APA/AFP

Einfluss in Hollywood

Auch die Zusammensetzung der Asian-American-Bevölkerung hat sich stark verändert. Immer mehr werden in Asien geboren, es gibt starke Bindungen zu den Wurzeln. Mit der zunehmenden Globalisierung begann auch das asiatische Kino den Stil Hollywoods zu beeinflussen. Man denke nur an Matrix oder die John Wick-Filme. Ein wichtiger Meilenstein in der Debatte um das Asian-American-Kino ereignete sich 2002 beim Sundance Film Festival, als Regisseur Justin Lin seinen Actionkrimi Better Luck Tomorrow präsentierte.

Ein Zuschauer kritisierte beim Q&A, dass dieser Film "amoralisch für Asian-Americans" sei. Filmkritiker Roger Ebert schwang sich daraufhin zum Verbündeten auf und schmetterte zurück, dass niemand weißen Regisseuren sagen würde, "wie könnt ihr das euren eigenen Leuten antun". Der globale Mainstreamerfolg kam 2018 mit der Romanze Crazy Rich, die 238 Millionen Dollar einspielte. Dabei hatte ein früher potenzieller Produzent noch vorgeschlagen, die Hauptfigur, eine Asian-American Professorin, mit einer weißen Frau zu besetzen.

Janet Yang ist Präsidentin der Academy of Motion Picture Arts and Sciences.
Foto: Leonine

Heute ist asiatische Kultur populär. Die Serie Fresh Off the Boat war die erste Asian-American Sitcom, Töchter des Himmels bekommt ein Sequel, der südkoreanische Film Parasite gewann Oscars. Auch die Präsidentin der Academy of Motion Picture Arts an Sciences, der Heimat der Oscars, ist Asian-American. Janet Yang arbeitete sich an die Spitze der Academy empor, nachdem ihr rassistische Witze sauer aufgestoßen waren. Nun hat sie es sich zum Ziel gesetzt, mehr Raum für Inklusivität und Diversität zu schaffen. Inzwischen haben Asian-Americans nicht nur ihre importierten Hits. Everything Everywhere All at Once zeigt, dass sie mit ihrer eigenen Stimme in Hollywood angekommen sind. (Susanne Gottlieb, 14.3.2023)