Muschi, Pipi, Spatzi, Schlitz, Mumu, Vulva, Nudel, Glied, Scheide, Schwanz, Vagina, Penis, Knospe, Yoni, Pimmel... und wie sagst du?

Foto: Illustration: Fatih Aydogdu

"Ich gebe meinen Penis in Lisa ihre Vagina rein", sagt der Fünfjährige, als ich um sieben Uhr morgens gerade Butterbrote streiche. Noch vor dem ersten Kaffee, puuuh! Was sagt man da? "Ähm, wie kommst du darauf?" Sehr einfallsreich von mir. Kichern. Das Gespräch wird genauso schnell beendet, wie es begonnen hat. Gut so, finde ich. Ein Kindergartenkind muss ich noch nicht aufklären. Oder doch?

"Genitalien sollten von Geburt an bei ihrem Namen genannt werden: Vulva und Penis."

Magdalena Heinzl, Sexualpädagogin und Sexualtherapeutin, findet: "Für sexuelle Aufklärung ist es nie zu früh!" Bereits im Alter von drei oder vier Jahren tauchen bei Kindern die ersten Fragen rund um Sexualität auf. Häufig dann, wenn ein Geschwisterchen unterwegs ist. Sie fragen nach Fortpflanzung und Schwangerschaft. Der Klassiker: "Mama, wie ist das Baby in den Bauch gekommen?" Was sagen Eltern dann? "Am besten die Wahrheit", findet Heinzl. Die hätten Kinder verdient. Entscheidend ist dabei, dass man Sexualität immer alters- und entwicklungsgerecht erklärt: "Einem Vierjährigen etwas über Samen und Eizelle zu erklären ist sinnlos." Heinzl setzt bei jüngeren Kindern auf die "Häppchen-Methode". Oft würden erst einmal ein bis zwei Sätze genügen. Dann sollten Erwachsene abwarten: Ist das Kind mit der Antwort zufrieden? Hat es noch Fragen?

Beispiel: "Wo kommen Babys her?"

Fachgerechte Antwort, je nach Alter und Entwicklungsstand:

· 0–3 Jahre: "Aus dem Bauch."

· 4–5 Jahre: "Babys wachsen im Bauch in der Gebärmutter und kommen dann bei der Geburt entweder bei der Vagina raus oder über einen Kaiserschnitt aus dem Bauch."

· 6–7 Jahre: "Babys entwickeln sich in der Gebärmutter aus einer Samenzelle und einer Eizelle neun Monate lang. Danach wird das Baby bei der Geburt über die Vagina auf die Welt gebracht. Oder bei einem Kaiserschnitt – das ist eine Operation – aus dem Bauch gehoben."

Sexualpädagogin- und therapeutin Magdalena Heinzl spricht auf Instagram und in ihrem Podcast @sexologisch humorvoll und ganz ohne Scham über Liebe, Sex und Body Positivity.
Foto: SIMART Fotografie, 2022

Schutz vor Missbrauch

Wichtig ist in jedem Fall eine klare, simple Sprache: "Genitalien sollten von Geburt an bei ihrem Namen genannt werden: Vulva und Penis." Heinzl weiß aus Erfahrung, dass es nicht die Kinder sind, die Begrifflichkeiten überfordern, sondern die Erwachsenen. Kinder hingegen lernen von Anfang an, völlig wertfrei: "Wenn Babys gewickelt werden, benennen Bezugspersonen gerne spielerisch diverse Körperteile, wie Nase, Füße, Arme, Bauch. Die Genitalien werden dabei meist ignoriert." Es entsteht von Beginn an ein Tabu, Kinder lernen, dass man über Genitalien nicht spricht. Doch was, wenn die Vulva wehtut oder der After juckt? "Das ist ein Problem", sagt Heinzl. Vor allem für das Kind: "Wenn es keine Begriffe für gewisse Körperregionen kennt, kann ein Kind weder Fragen dazu stellen noch Schmerzen äußern".

Heinzl selbst hat lange in einem Kinderschutzzentrum gearbeitet, sie weiß: "Auch für die Präventionsarbeit von sexuellem Missbrauch ist es wichtig, dass Kinder Begriffe für ihre Körperteile haben, um zu äußern, was sich gut anfühlt und was nicht." Kinder sollten deshalb die fachrichtigen Begriffe kennen – auch wenn Erwachsene selbst lieber "Schniedel" oder "Mumu" sagen. "Wenn Erwachsene von Penis, Hoden, Vulva, After, Vagina oder Scheide sprechen, sollte jedes Kind wissen, was damit gemeint ist." Mittlerweile gibt es für jede Altersklasse (ab drei Jahren) Literatur zum Thema Sexualität (siehe Infokasten). Heinzl empfiehlt: "Bezugspersonen sollten sich die Bücher vorab durchlesen, um sicherzugehen, dass Text und Abbildungen geeignet sind." Schließlich transportieren Eltern bei sexueller Aufklärung auch eigene Werte mit. Das sei völlig okay. Und vergleichbar mit anderen Erziehungsthemen. Sagt der kleine Bub zum Beispiel "mein Schwanz", können Eltern ruhig begründen, warum sie das Wort unpassend finden. Wichtig sei, fachgerechte Antworten zu liefern, wertfrei müssen sie nicht sein.

Beispiel: "Warum macht man Sex?"

Fachgerecht antworten, je nach Wertehaltung:

· "Sex ist etwas, das zwei Menschen machen, weil es Spaß macht und ihnen guttut."

· "Das machen zwei Menschen, weil sie ein Kind haben wollen."

· "Das machen nur Leute, die verliebt ineinander sind und sich ganz, ganz nah sein wollen."

· "Das macht man alleine oder zu zweit oder mit mehreren Menschen, wenn man Lust darauf hat und weil man es geil findet."

Noch etwas sei wichtig: "Wenn Kinder sich an ihren Genitalien berühren, reagieren Eltern häufig negativ", sagt Heinzl. "Pfui, nimm die Hand da raus!" – das sei eine reflexartige Reaktion Erwachsener. "Beim Kind kommt an, dass der eigene Körper eklig ist oder Empfindungen falsch sind." Auch so werden Genitalien zur Tabuzone, entstehen ambivalente Gefühle, die bis ins Erwachsenenalter Zweifel auslösen können. Besser sei es, das Kind durch positives Feedback in der eigenen Körperwahrnehmung zu stärken: "Das fühlt sich für dich gerade ganz toll an, oder?" Trotzdem ist es auch Aufgabe der Erwachsenen, die sozialen Regeln für diese Entdeckungsreise der Kinder abzustecken: "Du kannst das gerne machen, aber bitte warte damit, bis wir zu Hause sind und du Ruhe hast."

So dürfen Kinder sexuelle Erfahrungen machen, ohne verurteilt oder geschimpft zu werden. Sie spüren ihre Grenzen besser, können sagen, wenn ihnen etwas nicht gefallen hat: "Diese Berührung war seltsam", "Ich mag nicht, dass Tante Susi mir ein Bussi gibt", "Ich will jetzt nicht kuscheln". Den eigenen Körper spüren heißt also auch besser geschützt vor Übergriffen zu sein.

Keine Fantasiegeschichten

Im Alter von fünf bis acht Jahren zeigen Kinder bereits ein tieferes Verständnis für Geschlechterrollen und erkunden ihren Körper und den von anderen im Rahmen von "Doktorspielen". Buben haben in diesem Alter vielleicht schon die erste Erektion. "Spätestens jetzt ist es wichtig, mit dem Kindern über Sexualität zu sprechen", sagt Heinzl. Dabei sei es auch nicht schlimm, wenn Eltern einmal nicht sofort eine Antwort wissen. Sie können dann sagen: "Deine Frage ist echt gut, ich muss dazu noch ein bisschen nachlesen. Dann erkläre ich es dir!" Wichtig ist, dass darüber dann auch wirklich gesprochen wird. In ihrem neuen Buch "Was kribbelt da so schön" gibt Heinzl 80 Antworten auf neugierige Kinderfragen. "Sie können helfen, wenn Eltern um eine Antwort verlegen sind", sagt sie.

Beispiel: Wieso wird ein Penis steif?

Eine Frage, die Expertin Heinzl in Volksschulen gestellt wird. Ihre Antwort:

"Dein Penis kann, wenn du an etwas Schönes denkst oder wenn du ihn berührst, weil sich das gut anfühlt, steif werden. Manchmal passiert das aber auch einfach so, weil dein Körper prüft, ob überall Blut fließt. Das kann richtig blöd sein, wenn du gerade im Bus stehst und dein Körper diesen Check-up macht. Aber das können wir nicht beeinflussen. Das macht er ganz allein, manchmal auch mitten in der Nacht. Das ist ganz normal."

Kinder wollen ehrliche Antworten. Fantasiegeschichten würden nur für Verwirrung sorgen. Heinzl erinnert sich an eine Schulklasse, in der sie einen Workshop hielt: "Die Lehrerin hatte den Kindern zuvor erklärt, dass Penis und Scheide beim Geschlechtsverkehr verschmelzen. Das sorgte bei den Kindern für Angst und Verwirrung. Die Kinder glaubten, dass die Genitalien wie Kerzenwachs verschmelzen würden und dann kaputt sind."

Der Sexualkundeunterricht findet in Österreich zum ersten Mal in der vierten Klasse Volksschule statt. Selten gibt es dafür eigens ausgebildete Lehrkräfte, die Lehrerinnen und Lehrer übernehmen selbst. Oder es werden externe Personen wie Magdalena Heinzl dafür herangezogen. "In der ersten Viertelstunde kichern die Kinder. Lachen ist ganz wichtig!" Das gilt auch für Aufklärungsgespräche zu Hause: "Eltern können ruhig humorvoll über Sex sprechen. Das macht die Situation für alle einfacher." Schließlich würden Kinder sofort merken, wenn Eltern sich überfordert fühlen oder schämen. Was dann passiert: "Sie stellen keine Fragen mehr und suchen sich ihre Infos woanders."

Vorbereiten statt verbieten

Kommen die Kinder in die Pubertät, werden Themen wie Menstruation, Liebe, das erste Mal, Aids, Verhütung oder Homosexualität hauptsächlich in Peergroups besprochen. Auch das Internet spielt dann eine große Rolle. Viele Eltern würden sich Sorgen darüber machen, dass Kinder verstörende oder gewalttätige Inhalte im Netz konsumieren. "Pornos verbieten bringt aber nichts", sagt Heinzl. Eltern könnten nur Kompetenzen vermitteln, sie auf Inhalte vorbereiten. "Ruhig mit dem Kind besprechen, warum der Gesetzgeber Pornos für unter Achtzehnjährige verbietet", sagt Heinzl. "Und auch erörtern, wie Pornos produziert werden, dass es Schauspieler sind, ein Filmset mit Kameras." Jugendliche sollten laut der Sexualpädagogin jedenfalls kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie Pornos schauen. Wieder spielt die offene Haltung der Eltern, die Bereitschaft, über alles zu reden, eine große Rolle. Werden dem Kind etwa Fotos oder Nachrichten geschickt, die für Unbehagen sorgen, braucht es womöglich eine Anlaufstelle. "Die Message der Eltern sollte sein: Du kannst mir alles erzählen", sagt Heinzl. Und zwar ohne dass das Kind Angst vor Konsequenzen haben muss. (18.3.2023, Nadja Kupsa)