Im Gastblog zeigt Harald Havas, wie das wissenschaftliche Interesse an Ufo-Thematiken wächst.

Ein Hauptaugenmerk dieser Blogserie liegt auf der Beobachtung des und der Berichterstattung über den langsamen, aber an Fahrt aufnehmenden Paradigmenwechsel der internationalen Wissenschaftsgemeinde, was die Erforschung des sogenannten Ufo-Phänomens betrifft. Oder besser gesagt der Vielzahl an unterschiedlichen Ufo-Phänomenen.

Wobei die US-Regierung den aufgeladenen Begriff Ufo in ihren Berichten und Arbeitsgruppen seit einigen Jahren durch den Begriff "UAP" ersetzt hat, vermutlich, um der Beschäftigung mit dem Thema ein wenig von seinem Stigma zu nehmen.

Dabei kam es in den letzten Jahren zu einer interessanten Veränderung, einer Art kosmetischen Korrektur. Wurde das Akronym UAP anfangs noch als "unidentified aerial phenomena", also als unidentifizierte Luftphänomene, angegeben, wird es nunmehr als "unidentified anomalous phenomena" definiert, also unidentifizierte anomale Phänomene. Eine Erklärung dafür wurde nicht gegeben, aber es wird vermutet, dass durch die Neuinterpretation des Begriffs auch die massenhaften Beobachtungen der Navy von abnorm schnellen unterseeischen Objekten (auch USO "unidentified submerged objects" genannt), Objekten an der Grenze zum Weltraum, Objekten, die zwischen den Medien Weltraum, Luftraum und Wasser wechseln, sowie solchen, die als mehrere Dezimeter große schwebende Kugeln in Bodennähe (Orbs) auftreten, abgedeckt werden sollen.

Nach jahrzehntelanger Skepsis und Ablehnung gibt es seit rund fünf Jahren ein stetig wachsendes Interesse an der Beschäftigung mit diesen unbekannten Phänomenen weltweit und bis in höchste Wissenschaftskreise. Einige der Persönlichkeiten stechen dabei besonders heraus. Dazu nun eine Art Who-is-Who der Ufo-Forschungsavantgarde. Alle Biografien sind – teilweise stark reduzierte – Kurzfassungen der akademischen Leistungen und Karriere der beschriebenen Persönlichkeiten und heben nur ein paar Punkte hervor.

Garry Nolan und die metallischen Ufo-Fragmente

Garry Nolan, 1961 geboren, ist Immunologe und Professor in der Abteilung für Pathologie an der Stanford University School of Medicine. Er hat über 300 Forschungsartikel veröffentlicht, ist Inhaber von 40 US-Patenten und wurde als einer der 25 besten Erfinder an der Stanford University ausgezeichnet. Nolans Forschungsgebiete umfassen Hämatopoese, Krebs und Leukämie, Autoimmunität und Entzündung sowie Computeransätze für Netzwerk- und Systemimmunologie. Er wurde von amerikanischen Regierungskreisen sowohl zur Untersuchung des sogenannten Havanna-Syndroms herangezogen als auch zur Untersuchung von Personen, die unerklärliche Symptome nach Begegnungen mit UAPs zeigten.

Erste Bekanntheit in der Ufo-Community erlangte Nolan durch seine Untersuchungen des sogenannten Atacama-Skeletts, das scheinbar nicht-menschlichen Ursprungs war. Nolan konnte diese These durch pathologische Untersuchungen jedoch schlüssig widerlegen. In weiterer Folge wurde er auch durch die Untersuchung von metallischen Objekten bekannt, die angeblich von Ufo-Abstürzen stammten oder scheinbar von vorbeifliegenden Objekten herabgefallen waren. Dabei zeigten sich sowohl herkömmliche Legierungen als auch einige mit extrem ungewöhnlichen Kombinationen und Isotopen. Garry Nolan ist in der entstehenden Community von wissenschaftlichen UAP-Forschenden sehr aktiv und hat als erster Artikel zu diesen Phänomenen in regulären renommierten Fachzeitschriften publiziert.

Garry Nolan im Interview.
Merged Podcast

Avi Loeb und die Suche nach außerirdischen Artefakten

Avi Loeb, 1962 geboren, ist Plasmaphysiker, Astrophysiker und derzeit Professor für Naturwissenschaften an der Harvard Universität sowie Gastprofessor am Weizmann Institute of Science und der School of Physics and Astronomy der Tel Aviv University. Er hat fast 800 Forschungsartikel und mehrere Bücher verfasst. Neben bahnbrechenden Beiträgen zur Astronomie, etwa im Bereich Gravitationslinsen-Effekt und Rotverschiebung, interessiert sich Loeb seit 2006 auch für die Suche nach außerirdischen Intelligenzen und schlug dazu unter anderem mehrere Methoden zur Nutzung elektromagnetischer Wellen vor.

Internationales Aufsehen erregte Professor Loeb 2018 mit seinen Wortmeldungen zu dem interstellaren Objekt 'Oumuamua, wobei er die These vertrat, es könnte sich dabei um ein außerirdisches Raumschiff oder eine außerirdische Sonde handeln. Bis heute ist nicht restlos geklärt, worum sich bei diesem Objekt handelte. In weiterer Folge schlug Avi Loeb vor, die Suche nach außerirdischen Leben auf neue, evidenzbasierte Füße zu stellen. So gründete er in Harvard das "Galileo-Projekt zur systematischen wissenschaftlichen Suche nach Beweisen für außerirdische technologische Artefakte" . Ein weiteres Projekt Loebs ist die "Copernicus Space Corporation", bei der er zusammen mit Kollegen und Partnerfirmen mithilfe von massenweise ausgestreuten Kleinstsatelliten gezielt nach Spuren außerirdischer Intelligenzen im Sonnensystem suchen möchte.

Avi Loeb im Interview.
Lex Fridman

Travis Taylor – zwischen paranormalem Entertainment und Regierungsarbeit

Travis Taylor, 1968 geboren, hat akademische Abschlüsse in einem halben Dutzend Disziplinen – von Elektrotechnik, Physik, optischen Wissenschaften, Ingenieurwissenschaften über Maschinenbau, Luft- und Raumfahrttechnik bis zu Astronomie. Er war und ist zeitweise freier Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums und der Nasa.

Weltweit bekannt wurde Taylor durch seine Teilnahme als leitender Wissenschafter der Doku-TV-Serie "Das Geheimnis der Skinwalker Ranch", die zwar telegen und effekthascherisch, aber durchaus streng nach wissenschaftlichen Kriterien seltsame Vorkommnisse auf einer Ranch in Utah untersucht, die schon seit Jahrzehnten im Zentrum der Aufmerksamkeit unter anderem des amerikanischen Militärs steht. Die beobachteten Phänomene rangierten und rangieren zwischen UAP-Sichtungen, Orbs, plötzlichem lokalen Temperaturabfall, spontan auftretender und unerklärter, hoher Radioaktivität, die manchmal auch nur einzelne Individuen in eng stehenden Gruppen von Personen verstrahlt, regelmäßigen Störungen elektrischer Geräte (etwa dem plötzlichen Totalausfall frischgeladener Akkus) bis hin zu Stellen auf der Ranch, an denen der Erdboden eine unerklärliche elektrische Leitfähigkeit besitzt.

Durch seine Auftritte in der Fernsehserie sorgte Taylor für viel Nasenrümpfen, umso verblüffender war dann die Nachricht, dass er 2022 zum Chefwissenschafter der "Unidentified Aerial Phenomena Task Force" des amerikanischen Verteidigungsministeriums berufen wurde.

Travis Taylor im Interview.
Mystery Wire

Jacques Vallée – Grand Seigneur der Ufologie

Jacques Vallée, 1939 geboren, hat akademische Abschlüsse in Mathematik, Astrophysik sowie Industrial Engineering und gilt als Mitarchitekt einer frühen Version des Internets (Arpanet). Er beschäftigt sich bereits seit Jahrzehnten mit dem UAP-Phänomen und war in diesem Bereich jahrzehntelang Berater der amerikanischen sowie der französischen Regierung. Vallée verfügt über eine der größten Datenbanken ungewöhnlicher Vorfälle überhaupt, die zum großen Teil aus den Beständen des amerikanischen und französischen Militärs stammen. Er war die Vorlage des französischen Wissenschafters in Steven Spielbergs "Unheimliche Begegnung der dritten Art".

Jacques Vallée kann getrost als die graue Eminenz der Ufologie angesehen werden und arbeitet eng mit vielen anderen in diesem Blog genannten Personen zusammen. Unter anderem ist er im Besitz mehrerer Objekte von vermeintlich außerirdischem Ursprung, die er Garry Nolan zur Untersuchung zur Verfügung gestellt hat und stellt.

Vallée hat – nicht nur – zu diesem Themenbereich sowohl zahllose Bücher als auch ebenso zahllose wissenschaftliche Publikationen verfasst. In seinem jüngsten Buch "Trinity: The Best-Kept Secret" beschäftigt er sich mit einem augenscheinlichen Ufo-Absturz in New Mexico im Jahr 1945, also bereits zwei Jahre vor Roswell, für den es nicht nur viele Zeugen, sondern auch eine gute Dokumentation sowie materielle Überreste gibt.

Jacques Vallée im Interview.
Marwa ElDiwiny

Kevin Knuth und die Ufologische Feldforschung

Kevin Knuth ist Professor am Institut für Physik der Universität Albany, NY. Er beschäftigt sich im Bereich der Informationsphysik unter anderem mit Grundlagen der Inferenz, Quantenmechanik und -physik sowie praktischen Anwendungen in den Bereichen Exoplanetenstudien,

Charakterisierung interstellarer organischer Moleküle, Cyberphysik und Robotik. In all diesen Tätigkeitsfeldern beschäftigt und publiziert Knuth auch zu UAPs.

Er ist Vizepräsident von UAPx, einer gemeinnützigen Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, Feldforschung über UAP durchzuführen. Außerdem ist er Forschungspartner des Galileo-Projekts der Harvard University und im Editorial Board des geplanten wissenschaftlichen UAP-Magazins "Limina".

Kevin Knuth im Interview.
Theories of Everything with Curt Jaimungal

"Limina" – Symposium und Fachzeitschrift im Grenzbereich

Neben diesen durch ihre Popularität herausragenden Persönlichkeiten, beginnt sich auch die breite Wissenschaftsgemeinde immer mehr mit den UAP-Themen auseinanderzusetzen. Beispiele dafür wurden bereits in früheren Blogartikeln beschrieben.

Eine Zusammenkunft mehrerer Dutzend solcher Forscher und Forscherinnen fand in diesem Jahr vom 2. bis zum 5. Februar beim Eröffnungssymposium des geplanten peer-reviewed Fachmagazins "Limina – Journal of UAP Studies" statt. Diese online abgehaltenen Veranstaltung bestand aus rund zwei Dutzend Vorträgen internationaler Forschenden zu verschiedenen Themengebieten rund um das Phänomen. Ein Schwerpunkt der Vorträge war dabei die forensische Aufarbeitung sowohl von historischen Ufo-Vorfällen als auch der historischen Ufo-Forschung selbst.

Die Suche nach Daten

Ein weiterer Schwerpunkt beschäftigte sich mit der Problematik, dass es bisher für das gesamte Feld nur sehr wenig (zugängliche) evidenzbasierte Daten gibt. Einige Forscher und Forscherinnen nehmen das zum Anlass, die Dinge nun selbst in die Hand zu nehmen und starten eigene Feldforschungen. So wertet Hakan Kayal von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg sowohl vorhandene Satellitendaten aus, nutzt aber auch die Zusammenarbeit mit privaten Satelliten-Betreibern, um gezielt neue Beobachtungen zu machen.

Beatriz Villarroel vom Nordic Institute of Theoretical Physics (Kopenhagen) forscht im Rahmen des sogenannten VASCO-Projekts (Vanishing & Appearing Sources during a Century of Observations) in historischen und aktuellen Aufzeichnungen der globalen Himmelsbeobachtung gezielt nach außerirdischen Sonden in unserem Orbit.

Matthew Szydagis der State University of NY, Albany berichtete in seinem Vortrag über eine einwöchige laufende Versuchsreihe der Himmelsbeobachtung an der Küste von Kalifornien mithilfe einer großen Anzahl hochsensibler technischer Geräte (normaloptisch, Infrarot, Wellendetektoren ...), die bereits interessante Ergebnisse zeitigten.

Auch der bekannte Skeptiker Mick West war eingeladen, hielt einen Vortrag und stand für Diskussionen zur Verfügung. Sogar ein österreichischer Wissenschafter, Karl Svozil von der TU-Wien, war vertreten und hielt einen Vortrag über mögliche physikalische Grundlagen der beobachteten ungewöhnlichen Flugbewegungen von UAPs.

"Limina" soll noch im Laufe des Jahres, vermutlich im Sommer das erste Mal erscheinen. Sobald das geschehen ist, wird dieser Blog darüber berichten.

Experimente mit offenem Ausgang

Alle genannten Wissenschafter und Wissenschafterinnen, egal aus welchem Gebiet sie stammen und auf welchem Gebiet sie forschen, haben eines gemeinsam: Sie haben keine fixe These über die Realität oder den Ursprung der unterschiedlichen beobachteten Phänomene, halten es aber für unabdingbar, das Tabu zu durchbrechen und weitere Zeit und Mittel zu investieren, um herauszufinden, worum es sich jeweils handelt.

Denn im Gegensatz zu den letzten Jahrzehnten lautet das neue Credo der Avantgarde: Was immer auch das Ergebnis sein mag, Hauptsache, die Forschung wird betrieben. (Harald Havas, 17.3.2023)