Charity Putz verkauft in ihrem Vintage-Store "Chary Chic" in Kematen am Innbach alte Möbel in neuem Gewand.

Foto: Antje Wolm

Für die Inszenierung der Möbelstücke ist Putz zuständig.

Antje Wolm

Ein wichtiger Verkaufskanal für das Unternehmen ist der hauseigene Webstore.

Antje Wolm

Ob Schulbank, Sessel oder Kasten, Charity Putz weiß mit alten Möbelstücken etwas anzufangen. Gemeinsam mit ihrem Mann Jochen richtet die Unternehmerin in Oberösterreich Vintage-Möbel her, inszeniert sie in ihrem Laden und auf der Social Media-Plattform Instagram. Das Geschäft läuft so gut, dass die Möbel online oft nach kurzer Zeit verkauft sind.


STANDARD: Wie erklären Sie sich das gesteigerte Interesse am Selbstgemachten?

Putz: Die Präsenz von Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz ist sicher ein Grund dafür, dass Menschen zunehmend auch ein Bewusstsein dafür entwickeln, alte Dinge aufzubereiten statt wegzuwerfen.

STANDARD: Aber ist Nachhaltigkeit für Ihre Kundschaft ein Kaufargument?

Putz: In erster Linie finden die Menschen die Sachen schön. Dazu kommt dann, dass sie unseren Ansatz gut finden, Dinge wie alte Parkettböden oder Kleiderschränke wiederzuverwenden und Neues daraus zu machen.

STANDARD: Wie sind Sie zum Upcycling gekommen?

Putz: Wir hatten zu Hause von meinem Schwiegervater einen alten Schrank, der zwar groß und praktisch war, aber nicht zu unserer Einrichtung passte. Wir haben ihn abgeschliffen und lackiert, so sind wir in das Thema eingetaucht. Danach haben wir einen Apothekerschrank, den wir auf einer Onlineplattform entdeckt haben, hergerichtet. Mein Mann ist Tischler, ich bin Quereinsteigerin, anfangs haben wir oft gemeinsam gewerkelt. Heute haben wir einen Shop und zwei Mitarbeiter. Ich manage die Warenpräsentation und halte Kontakt zur Kundschaft, betreue Social Media. In den Workshops lege ich selbst Hand an, mehr geht sich zeitlich nicht aus.

STANDARD: Wo finden Sie die Möbelstücke?

Putz: Wir haben die vergangenen fünf Jahre Möbel gesammelt. Durch unsere Präsenz in den Social-Media-Kanälen wissen viele, dass wir alte Stücke aufbereiten. Ich bekomme täglich fünf bis zehn Nachrichten von Menschen, die uns Vintagemöbel von der Verwandtschaft anbieten. Das ist natürlich verlockend.

STANDARD: Nach welchen Kriterien suchen Sie alte Möbel aus?

Putz: Rare Stücke wie Apothekerschränke und Werkbänke, Schubladenkommoden, Kleider- oder Bauernschränke sind sehr beliebt, gerade arbeiten wir Betthäupter in Truhenbänke um. Die kann man gut mit neuen Stücken mixen. Wir haben bei der Auswahl aber keine fixen Kriterien. Wichtig ist, dass die Möbel nicht nass geworden sind, sich das Furnier nicht schon löst. Dann kann man mit den Möbeln nicht mehr viel anfangen.

STANDARD: Was raten Sie beim Herrichten von Stücken?

Putz: Das kommt immer auf den Zustand des Möbelstücks an. Wichtig ist, erst einmal zwischen einem Vollholz- und einem furnierten Möbel zu unterscheiden. Und sich zu fragen, ob man das Möbel in Natur oder Farbe möchte.

STANDARD: Was macht man bei furnierten Möbeln anders?

Putz: Die Furnier hat meist nur 2-3 Millimeter, daher muss man beim Schleifen sehr vorsichtig vorgehen um bei der Furnier nicht gleich durchzuschleifen. Hier macht es Sinn vorsichtig mit der Hand zu schleifen und auf eine Schleifmaschine zu verzichten. Bei einem Vollholzstück entfernt man den groben Schmutz und schafft durchs Schleifen eine schöne Oberfläche. Mit Kreidefarben kann man Möbel auch ohne Abschleifen lackieren. Wir finden trotzdem wichtig, das Möbel zumindest anzurauen. Das Schleifen frisst die meiste Zeit. Dann bessert man Schäden aus, verleimt oder bearbeitet offene Stellen mit Holzkitt. Wenn man mit einer hellen Farbe auf einem dunklen Möbelstück arbeitet, ist die Grundierung besonders wichtig. Dann folgt der Lack, wir arbeiten mit Acryllack auf Wasserbasis.

STANDARD: Wie oft lackieren Sie?

Putz: Bei hellen Farben bis zu dreimal. Durch den Zwischenschliff wird die Oberfläche feiner und glatter, es bleiben keine Pinselhärchen auf der Oberfläche. Als Finish wachsen wir, so wird das Holz geschützt, die Farbe wird satter und kräftiger. Für den sogenannten Shabby Look schleifen wir vor dem Wachsen noch einmal die Kanten, das kann man nach Geschmack auch großflächiger machen.

STANDARD: Sie bieten auch Kurse an, wer kommt zu Ihnen?

Putz: Das Publikum ist buntgemischt, zwischen 18 und 60. Interessanterweise sprechen wir wir vor allem Frauen an, bislang hatten wir nur einen männlichen Workshop-Teilnehmer. Oft hätten die Teilnehmerinnen das Handwerk gern gelernt, doch früher galt die Tischlerei als "Männerhandwerk". Viele haben Schätze von Großeltern oder Urgroßeltern zu Hause, wollten schon immer mit Holz arbeiten, Dingen einen neuen Wert verleihen.

STANDARD: Warum kommt der Shabby Chic seit Jahren so gut an?

Putz: Neue Möbel sind oft clean und steril, durch den Mix mit alten Stücken aus Holz kommen Gemütlichkeit und Individualität in die Wohnung. So sieht das Zuhause nicht nach Produktkatalog aus.

STANDARD: Sie arbeiten viel mit Pastellfarben ...

Putz: Die Farbwelt kommt gut an, gedeckte Farben entsprechen aber auch meinem Geschmack. An ihnen sieht man sich nicht so schnell satt wie an einem knalligen Orange.

STANDARD: Wann waren Sie das letzte Mal in einem konventionellen Möbelladen?

Putz: Da muss ich nachdenken. Vor rund einem Jahr, damals hat mich eine Kundin beim "Schweden" erkannt und war entsetzt, dass ich dort auch einkaufe. Für mich schließt das eine das andere nicht aus. Ich mag den bunten Mix aus Modernem und Altem. Hundertprozentig nachhaltig zu leben, ist schwierig. Ich finde es wichtiger, sich zu überlegen, wo er oder sie einen realistischen Beitrag leisten kann.

STANDARD: Sie sind keine Nostalgikerin?

Putz: (lacht) Sicher nicht! (feld, 18.3.2023)

Die Passage zur Furnier wurde am 20.3. korrigiert.