Die zunehmende Alterung der Bevölkerung mitsamt der hohen Teilzeitquote in Österreich sorgt für Herausforderungen am Arbeitsmarkt. Vor allem bei den über 55-Jährigen ist viel Luft nach oben.

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Arbeitskräftemangel, alternde Bevölkerung, hohe Teilzeitquote und ein Handelsbilanzdefizit – der Austrian Economic Barometer der Statistik Austria zeigt einmal mehr die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft auf. Dabei ist nicht der ganze Himmel mit Wolken zugezogen, wie die vorläufigen Zahlen für 2022 zeigen.

So legte etwa die Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr um fünf Prozent zu. Und auch im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 wuchs Österreichs Wirtschaft um immerhin 3,2 Prozent. "Vor allem die Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sind hervorzuheben. Aber auch andere Wirtschaftsbereiche liegen deutlich über dem Vorkrisenniveau", sagte Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas bei einer Pressekonferenz am Dienstag.

Und spielt damit auf die produzierende Wirtschaft samt Energiesektor, wirtschaftliche Dienstleistungen wie Beratungen sowie die Kommunikationsbranche an.

Umsatzanstieg in Industrie preisgetrieben

Erste Anzeichen einer gebremsten Dynamik zeigen hingegen die Konjunkturdaten der Industrie. Nach dem pandemiebedingten Einbruch der Umsätze begann mit Februar 2021 zwar eine Kehrtwende. Angesichts zeitweise über 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zum Jahreswechsel 2021/22 lag die Veränderungsrate zuletzt bei vergleichsweise niedrigen acht Prozent.

Zieht man einen direkten Vergleich der aktuellen Zahlen zu jenen 2019, ergibt sich ein deutlich positiveres Bild. "Das Vorkrisenniveau haben Industrie und Bau meilenweit übertroffen", unterstreicht Thomas den Zuwachs um 42,7 Prozent.

Interessant dabei ist, dass sich mit Jänner 2021 eine Schere zwischen Umsatz und Produktion geöffnet hat. Konkret bedeutet das: Der Umsatzzuwachs ist zu einem wesentlichen Anteil preisgetrieben. Zwar stieg auch das Produktionsvolumen, allerdings in verhältnismäßig geringem Ausmaß.

Inflation wird wohl vorerst auf höherem Niveau verharren

Auch ein Blick auf die Handelsbilanz zeichnet ein eher getrübtes Bild. Der Außenhandel lag zwar deutlich über Vorkrisenniveau (+35,5 Prozent); die vermeintlich positive Nachricht wird aber durch einen noch stärkeren Zuwachs der Importwerte konterkariert.

Getrieben durch hohe Importpreise von Brennstoffen und Energie ergibt sich ein Handelsbilanzdefizit von satten 19,7 Milliarden Euro. "Das ist massiv höher als im Vorjahr", fasst Statistik-Austria-Generaldirektor Thomas zusammen.

Wenig positiv zeigen sich auch die Inflationsaussichten. "Die hohe Kerninflationsrate spricht für ein längeres Verbleiben der Teuerung oberhalb des EZB-Ziels."

Waren es zu Beginn der Teuerungskrise noch volatile Güter um Energie und Lebensmittel, haben sich die Preissteigerungen mittlerweile auch auf langlebige Konsumgüter durchgeschlagen. Zuletzt lag die Inflationsrate mit elf Prozent weit über dem angestrebten Ziel der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent.

Arbeitsmarkt vor Herausforderungen

Im Fokus der Pressekonferenz stand aber einmal mehr der vielzitierte Arbeitskräftemangel. Dass es dezidiert Arbeitskräfte- und nicht Fachkräftemangel heißt, hat einen Grund. "Der Mangel an Arbeitskräften zieht sich durch sämtliche Bereiche", von einem reinen Fachkräftemangel könne damit keine Rede mehr sein, erklärt der Statistik-Austria-Chef. Die Gründe dafür sind wohlbekannt.

Österreichs Bevölkerung wächst stetig, Zuwanderung und eine erhöhte Lebenserwartung haben zuletzt dafür gesorgt, die Neun-Millionen-Marke zu durchbrechen. Bis 2060 werden gar zehn Millionen Menschen prognostiziert.

Auf der anderen Seite rutscht mit den geburtenstarken Babyboomern ein immer größerer Teil der Gesellschaft aus dem erwerbsfähigen Alter. "Die mittlere Altersgruppe wird anteilig schrumpfen", sagt Thomas. Was das zur Folge hat?

Bevölkerung altert, Teilzeit weiter beliebt

Das Verhältnis der Personen im Erwerbs- zu jenen im Pensionsalter sinkt auf 2:1. Die Finanzierung des Sozial- und Pensionssystems wird damit zunehmend schwieriger. Erschwert wird die Erhaltung des Sozialstaates zusätzlich durch die hohe Teilzeitquote in Österreich, die seit Wochen Gegenstand hitziger Debatten ist.

"Wir sehen sowohl bei Männern als auch Frauen seit 2004 einen Anstieg der Teilzeitbeschäftigungen", sagt Matea Paskvan, Arbeitsmarkt- und Bildungsexpertin von Statistik Austria. 2022 arbeiteten demnach jeder achte Mann und jede zweite erwerbstätige Frau auf Teilzeitbasis.

Damit liegt Österreichs Teilzeitquote an zweiter Stelle im EU-Vergleich. Ein Umdenken der erwerbsfähigen Bevölkerung ist nicht absehbar, unter den gegebenen Rahmenbedingungen sind 86 Prozent der Teilzeitbeschäftigten nicht gewillt, die Stunden aufzustocken, berichtet Paskvan.

Offene Stellen auf Rekordniveau

Die Gründe sind vielseitig und oft höchst individuell, Umfragen zeigen aber klar unterschiedliche Motive zwischen Männern und Frauen. Bei Letzteren sind es vornehmlich Betreuungstätigkeiten, das Gros der Männer möchte hingegen schlicht keiner Vollzeittätigkeit nachgehen, wie aus der Erhebung der Statistik Austria hervorgeht.

Das kollidiert letztlich mit den Vorstellungen der Unternehmen. Die offenen Stellen liegen auf Rekordniveau, satte 83 Prozent davon zielen auf Vollzeitbeschäftigung ab. Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt zusammenzubringen ist damit wohl nicht nur Aufgabe der Politik, sondern auch eine der Privatwirtschaft. (Nicolas Dworak, 14.3.2023)