Die Venus gleicht der Erde in vielerlei Hinsicht. Beide haben etwa dieselbe Größe und mittlere Dichte, und auch der geologische Aufbau der Venus dürfte in groben Zügen jenem der Erde entsprechen. Bei großzügigen Annahmen liegt ihre Umlaufbahn sogar noch innerhalb der Grenzen der habitablen Zone unseres Sonnensystems – und doch könnten die Bedingungen unter der 20 Kilometer hohen Wolkendecke der Venus kaum fremdartiger sein.

Der Luftdruck auf Bodenniveau entspricht dem 90-Fachen des irdischen Luftdrucks, und die dichte Bewölkung aus Schwefelsäuretröpfchen lässt nur zwei Prozent des Sonnenlichts durch – die trockenen Landschaften der Venus sind tagsüber in unveränderliches Zwielicht getaucht. Ihre Atmosphäre besteht zu 96 Prozent aus Kohlendioxid, ein wenig Stickstoff und Spuren einiger anderer Gase. Dem eskalierten Treibhauseffekt ist es zu verdanken, dass auf der Venusoberfläche Temperaturen von über 450 Grad Celsius herrschen.

Neu berechnetes Foto der Venus auf Grundlage einer Aufnahme der Nasa-Sonde Mariner 10 vom 7. Februar 1974.
Foto: NASA/JPL-Caltech

Vielleicht einmal kühler und feuchter

Vielleicht war das aber nicht immer so. Grundsätzlich hätte die Venus ja das Zeug zu einer lebensfreundlichen Welt, und einige Simulationen legen den Schluss nahe, dass sie es vor einigen Milliarden Jahren auch zumindest eine Zeitlang war, inklusive planetenweiter Ozeane. Eine aktuelle Studie untermauert nun zwar das Szenario einer Venus mit milden Temperaturen und großen Gewässern, das Wahrscheinlichkeitsfenster dafür wäre aber sehr klein.

Alexandra Warren und Edwin Kite von der University of Chicago haben für ihre Arbeit die Entwicklung der Venusatmosphäre nachmodelliert. Vor allem wollte das Team herausfinden, auf welche Art und mit welcher Geschwindigkeit die Venus ihren Sauerstoff verloren haben könnte. Das Fehlen des Sauerstoffs stellt nämlich bei der Hypothese einer feuchten Venus noch ein größeres Problem dar.

Rätsel um Schicksal des Sauerstoffs

Sollte die Venus je flüssige Ozeane beherbergt haben, wären diese irgendwann verdampft und in der dichter werdenden Atmosphäre aufgegangen. Photodissoziation, eine durch Sonnenlicht ausgelöste chemische Reaktion, hätte das Wasser schließlich in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Während der Wasserstoff in den Weltraum entweicht, sollte der Sauerstoff eigentlich überbleiben. Bisher konnte man davon aber noch keine Spur entdecken.

Warren und Kite haben nun im Fachjournal "Pnas" einige Ideen vorgestellt, wohin der Sauerstoff verschwunden sein könnte. Sie sind das Ergebnis von über 94.000 Durchläufen venerischer Atmosphärenentwicklungen ausgehend von drei Ursprungszuständen. Nur ein winzig kleiner Prozentsatz der Modellberechnungen lieferte schließlich plausible Resultate, die der heute bekannten Venusatmosphäre gleichen.

So könnte sich etwa der Sauerstoff mit dem von Vulkanen ausgestoßenen Kohlenstoff zu Kohlendioxid verbunden haben. Doch die Forschenden halten diese Variante für nicht sehr wahrscheinlich. Eher tippen sie auf eine von zwei anderen Szenarien: Entweder der Sauerstoff entwich ebenfalls in den Weltraum, oder er wurde auf der Planetenoberfläche in leicht oxidierbarem Magma, etwa Basalt, gebunden.

Aufnahme der Venusoberfläche, basierend auf Radarbildern der Nasa-Sonde Magellan.
Foto: Nasa/JPL

Nicht viel Wasser

Das Ausmaß früherer vulkanischer Aktivität auf der Venus lässt sich anhand der Menge an atmosphärischem Argon eingrenzen. Das wiederum lässt Rückschlüsse zu, wie viel Sauerstoff durch den Vulkanismus gebunden worden sein, und letztlich auch, wie viel Wasser es ursprünglich gegeben haben könnte. Allzu viel dürfte das demnach nicht gewesen sein: Von allen Szenarien ergaben nur 2,6 Prozent eine Venusatmosphäre, die der heutigen gleicht. Diese ergab eine Reihe von Varianten der ursprünglichen – wohlgemerkt,theoretischen – Wasserbedeckung.

Selbst jene mit der maximalen Wassermenge boten demnach nur Platz für einen Ozean mit einer Tiefe von durchschnittlich 300 Metern. Das wäre weniger als zehn Prozent der durchschnittlichen Meerestiefe der Erde. In diesem Szenario könnten das Wasser bis vor drei Milliarden Jahren auf der Venusoberfläche existiert haben.

Künftige Missionen

Alles in allem widerspricht der heutige Mangel an Sauerstoff in der Venusatmosphäre damit zwar nicht der Möglichkeit einstiger lebensfreundlicher Bedingungen auf der Venus, aber die Lücke dafür sei äußerst klein, meinen die Forscher.

Freilich sind alle zugrunde liegenden Annahmen sehr vage, denn die harschen Umweltbedingungen auf unseren Geschwisterplaneten machten das Datensammeln vor Ort nicht gerade leicht. Nur eine Handvoll Sonden erreichte seit den 1960er-Jahren die Venusoberfläche und konnte davon berichten. Die Forschenden erhoffen sich daher neue Erkenntnisse von künftigen Missionen mit robusterem Erkundungsmaterial. Immerhin zeigten die Erfahrungen aus den Missionen der 1970er- und 1980er-Jahre, dass man Sonden durchaus widerstandsfähig genug konstruieren kann, damit sie zumindest eine Weile in der Gluthölle der Venus überleben können. (tberg, 15.3.2023)