Bei manchen erkrankten Fröschen bildet sich weißlicher Belag, manchmal verdunkelt sich die Haut. Dieses Tier starb an der Krankheit.
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Im ganzen Tierreich kommen Epidemien vor, doch vor allem die Umtriebigkeit des Menschen sorgt dafür, dass sich Erreger weltweit rasant verbreiten können. Sind wir selbst von der Krankheit betroffen, stellen wir dies verhältnismäßig rasch fest und können im Idealfall dagegen vorgehen. Im Fall der Corona-Pandemie hätte es besser laufen können, im fiktiven Beispiel aus der Serie "The Last of Us" sorgt der Pilz Cordyceps für den Zusammenbruch moderner Zivilisation.

Ein anderer Pilz ist weniger stark ins Bewusstsein der Menschen gedrungen. Immerhin befällt der Chytridpilz "nur" Frösche, Lurche und andere Amphibien. Dass es sich dabei um die massivste Bedrohung für Wirbeltiere durch einen einzelnen Erreger seit Beginn der Aufzeichnungen handelt, wird oft übersehen. "Von den knapp 8.000 bekannten Amphibienarten sind bereits mindestens 120 durch den Pilz ausgelöscht worden", sagt der Biologe Dirk Schmeller vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, der sich mit der Krankheit befasst. Hunderte weitere Spezies sind dadurch in ihrer Populationszahl zurückgegangen.

Krankheitssymptome

Dass derzeit erschreckende 41 Prozent aller Amphibien vom Aussterben bedroht sind, liegt zu einem gewissen Teil auch an diesem Pilz, der offiziell Batrachochytrium dendrobatidis heißt, kurz: Bd. Er sorgt für Apathie und Appetitlosigkeit und kann die Haut der Tiere zerstören, an der sich mitunter weißer Belag bildet. Viele sterben an Herzversagen. Auch das Immunsystem kann geschwächt werden, selbst wenn eine Population überlebt, wird sie viel anfälliger für andere Stressfaktoren wie Krankheiten.

Bisher fiel das Massensterben vor allem in Süd- und Nordamerika auf, wobei der Erreger rund um den Globus vorkommt. Der afrikanische Kontinent lag nicht im Fokus, dort hielt sich die Verbreitung scheinbar zurück, obwohl auch gemutmaßt wurde, dass der Pilz von Afrika aus international verbreitet wurde. Wie ein Forschungsteam nun im Fachjournal "Frontiers in Conservation Science" berichtet, ist Afrika stärker betroffen als gedacht.

Übersehener Erreger

Womöglich wurde der Chytridpilz oder Bd bisher größtenteils übersehen, es sei jedoch wahrscheinlich, dass er sich stärker ausbreiten wird und in naher Zukunft über den gesamten Kontinent hinweg Tierseuchen unter Amphibien verursachen wird, machen die Autorinnen und Autoren deutlich.

Dies dürfte sich in der Folge auch auf menschliche Erkrankungen auswirken, etwa Malaria. Immerhin wird diese Infektionskrankheit von Stechmücken übertragen, die auch von Amphibien gefressen werden. Eine Studie aus Zentralamerika berichtete bereits über den statistischen Zusammenhang, dass ein Rückgang der Amphibien mit mehr Malariafällen einherging.

"Wir zeigen, dass sich Bd seit dem Jahr 2000 auf dem gesamten afrikanischen Kontinent stärker verbreitet hat", sagt Studienautor und Biologe Vance Vredenburg, der an der San Francisco State University und dem Wirbeltier-Museum der University of California in Berkeley forscht.

Langlebiger Erreger

Besonders gut überträgt sich der Pilz im Wasser: Seine Sporen können schwimmen und sind in Gewässern bis zu 24 Stunden lang überlebensfähig. Das macht den Erreger besonders ansteckend. Der Chytridpilz wächst vor allem auf der Haut und im Mundbereich von Fröschen und Kröten, aber auch bei Molchen, Wühlen und Salamandern. Mindestens 1.000 Tierspezies können infiziert werden.

Für die aktuelle Studie untersuchte das Team rund 17.000 Amphibien auf Anzeichen der Krankheit Chytridiomykose, die der Pilz verursacht. Dafür wurden etwa Museumsexemplare PCR-getestet, die zwischen 1908 und 2013 in das Universitätsmuseum und zwei weitere Institute gekommen waren und beispielsweise aus Kamerun, Äthiopien, Lesotho und Uganda stammen. Zusätzlich wurden Hautproben von lebenden Amphibien ausgewertet sowie wissenschaftliche Literatur, die bis ins Jahr 1852 zurückreichte und Charakteristika der Krankheit beschreiben könnte.

Das erste Bd-positive Tier datierte das Forschungsteam auf das Jahr 1933. Bis zum Jahr 2000 blieb die Infektionsrate für den afrikanischen Kontinent mit unter fünf Prozent niedrig. Dann sprang sie allerdings bald auf mehr als 21 Prozent in den 2010er-Jahren an, berechneten die Fachleute. In einzelnen Ländern lag der Wert viel höher, etwa bei fast 74 Prozent bei den jüngeren Proben aus Burundi in Ostafrika. Verhältnismäßig stabil blieb die Zahl in Südafrika, auch über die Jahrzehnte hinweg.

Attraktivere Männchen

Weshalb die Werte in Afrika erst ab dem Jahr 2000 anstiegen und nicht schon ab den 1970er-Jahren wie auf anderen Kontinenten, bleibt rätselhaft. "Vielleicht lag es an Glück", sagt Vredenburg. Auch könne der Klimawandel für Stress sorgen, der die Amphibien anfälliger mache. "Wahrscheinlich ist auch der zunehmende Flugverkehr, der Menschen und Fracht befördert, ein Grund dafür."

Der Chytridpilz führt nicht bei allen Arten zum Tod, dürfte aber bei manchen Spezies zumindest für Verhaltensänderungen sorgen. Ein Forschungsteam zeigte vor mehreren Jahren, dass eine Infektion das Quaken der Männchen attraktiver machen kann. Es klingt hektischer, was den Experten Michael Ryan von der Universität Austin in Texas überraschte: Immerhin werden befallene Frösche normalerweise lethargischer.

Damit habe sich außerdem eine Parallele zum Cordyceps-Pilz gezeigt, der bestimmte Ameisenarten dazu bringt, sich an einen für Pilzwachstum und Sporenverbreitung vorteilhaften Ort zu bewegen. Wieder wird das Verhalten des Wirts verändert, um sich besser ausbreiten zu können.

Salamanderpest könnte aus Deutschland überschwappen

Auch in Europa spielt der Chytridpilz eine große Rolle. "Die Chytridbedrohung in Österreich ist durchaus gegeben", sagt die Zoologin Doris Preininger, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Tiergarten Schönbrunn, auf STANDARD-Anfrage. Der Bd-Pilz sei in allen Bundesländern in Gewässern nachgewiesen worden. "Aktuell ist uns kein Massensterben in Österreich bekannt, allerdings gibt es auch kein kontinuierliches Monitoring für Bd oder großflächige und wiederholte Populationsdichte-Erhebungen von Amphibien."

In anderen europäischen Ländern gebe es sehr wohl Massensterben, die etwa die Geburtshelferkröte betreffen. Ein eng verwandter Pilz, Batrachochytrium salamandrivorans oder Bsal, hat ebenfalls für einen massiven Rückgang der Bestände gesorgt. Die "Salamanderpest" bringt in den Beneluxstaaten und Deutschland den Feuersalamander an den Rand des Aussterbens.

Die Gefahr sei hoch, "dass wir auch in Österreich bald erste Ausfälle beobachten müssen", sagt Preininger. In Europa breiten sich zudem viele andere Arten aus, die nicht ursprünglich einheimisch sind. Das wird auch beim Krallenfrosch zum Problem, der ebenfalls den Chytridpilz übertragen kann.

Keine Amphibien-Neobiota aussetzen

Was lässt sich dagegen unternehmen? Amphibien, die in menschlicher Obhut gehalten werden, dürfen keinesfalls ausgesetzt werden. Ist der Erreger in der freien Wildbahn angekommen, lässt er sich kaum mehr bekämpfen. Einige Fachleute plädieren auch dafür, den Handel mit Amphibien komplett zu verbieten.

Allerdings ist der Chytridpilz nicht der einzige Grund für das Amphibiensterben, das seit den 1980er-Jahren beobachtet wird. Die Habitate der Tiere werden zerstört, der Klimawandel verschärft ihre Situation zusätzlich. Hinzu kommt beispielsweise der Einsatz von Pestiziden und anderen Chemikalien, die für Kröten, Molche und Co lebensbedrohlich werden können, nicht nur, weil ihnen Beute abhandenkommt.

Eine positive Nachricht gibt es immerhin zu vermelden: Wenigstens in Panama scheint sich die Bedrohungslage durch den Chytridpilz etwas entspannt zu haben. Das liegt daran, dass die heimischen Frösche eine bessere Immunabwehr entwickeln konnten, wie sich in ihrem Sekret nachweisen ließ. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Pilz nicht weiterentwickelt und diesen kleinen Erfolg durch eine neue Variante zunichtemacht. (Julia Sica, 15.3.2023)