Im Gastblog schreibt Gregor Ruttner-Vicht, Pädagoge und Chief Project Officer von YEP – Stimme der Jugend, wie gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern über eine Weiterentwicklung des Schulsystems nachgedacht werden kann.

Vor fast 250 Jahren hat Kaiserin Maria Theresia in Österreich die Schule so eingeführt, wie wir sie heute kennen. Und seit damals hat sich gar nicht so viel verändert. Das liegt daran, dass bisher immer die Leute entschieden haben, wie Schule aussehen soll, die schon lange nichts mehr mit ihr zu tun haben, nämlich Menschen, die diese schon lange abgeschlossen haben. "Obwohl Erwachsene auch in der Schule waren, haben sie schon viel davon vergessen und sehen die Dinge jetzt ganz anders. Deshalb ist es so wichtig, dass wir selbst mitbestimmen, weil wir sind noch mittendrin", sagte kürzlich eine 13-jährige Schülerin in einem Schulworkshop.

Zu wenig werden Schülerinnen und Schüler in ihren Anliegen zur Gestaltung des Schulwesens gehört – obwohl sie doch einiges zu sagen hätten.
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Keine Sorge, das wird jetzt kein Plädoyer dafür, dass junge Menschen alleine bestimmen sollen, was, wie, wann und wo sie lernen. Es ist stattdessen ein Aufruf für reale Partizipationsmöglichkeiten auf Augenhöhe. Getreu dem Motto, "if you don't have a seat on the table, you are probably on the menu", kommen bei sämtlichen Bildungsdebatten die Betroffenen selbst nur wenig zu Wort. Was dabei oft vergessen wird: Kinder und Jugendliche haben das Recht, an Entscheidungen teilzuhaben, die sie betreffen. Das ist in der UN-Kinderrechtscharta festgeschrieben, die auch von Österreich ratifiziert wurde.

Möglichkeiten, sich einzubringen

Dabei ist es von großer Bedeutung, dass Kinder und Jugendliche bei Bildungsthemen mitentscheiden können, da dies ihr Interesse und ihre Motivation steigern kann. Wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Meinung und ihre Bedürfnisse gehört und berücksichtigt werden, fühlen sie sich in ihrem Lernprozess wertgeschätzt und ernstgenommen. Außerdem können Kinder und Jugendliche oft einen einzigartigen und wertvollen Einblick in ihre eigenen Lernbedürfnisse und -präferenzen bieten. Durch die Beteiligung an Entscheidungsprozessen können sie helfen, die Bildungslandschaft besser auf ihre eigenen Bedürfnisse und die Bedürfnisse anderer Schülerinnen und Schüler abzustimmen.

Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Bildungsentscheidungen fördert darüber hinaus ihre Fähigkeit zur demokratischen Partizipation und ihr Verständnis für politische Prozesse. Indem sie frühzeitig in Entscheidungen einbezogen werden, lernen sie, wie man seine Meinung äußert und sich für die Interessen anderer einsetzt, was wichtige Fähigkeiten sind, um aktive und engagierte Bürgerinnen und Bürger zu werden. Das ist umso wichtiger in Zeiten, wo laut dem aktuellen Österreichischem Demokratiemonitor 66 Prozent der Bevölkerung nicht davon überzeugt sind, dass das politische System gut funktioniert. In meinen Augen tragisch zusammengefasst, hat es vor kurzem eine 15-jährige Schülerin mit internationaler Geschichte, als sie zu mir meinte: "Ich kann in der Gesellschaft nicht mitbestimmen, weil schau mich an. Außerdem bin ich eine Frau."

Konkrete Projekte zur Teilhabe

Bis wir dort angekommen sind, dass junge Menschen bei allen Themen, die ihre Lebensrealität direkt betreffen, miteinbezogen werden, ist es noch ein weiter Weg. Umso erfreulicher ist es, dass nun erste Schritte gesetzt werden: Die Bundesschülervertretung hat für dieses Schuljahr Partizipation als ihr Nummer Eins Thema definiert. Noch weiter geht das kürzlich gestartete Projekt #DemokratieMachtSchule: Erstmals sind Schülerinnen und Schüler eingeladen, ihre Stimme einzubringen und bei der Gestaltung der Lehrpläne mitzuwirken – mit klar festgelegtem Wirkungsrahmen.

Und die Sinnbildungsstiftung, die Bildungsinnovationen finanziell und ideell unterstützt, setzt seit diesem Monat auf die sogenannten Youth Experts, ein Gremium aus zwölf jungen Menschen, die nicht nur die inhaltliche Ausrichtung, sondern vor allem auch die Verwendung der Gelder mitbestimmen werden – nicht alleine, aber jedenfalls auf Augenhöhe mit denjenigen, die die Schule schon lange abgeschlossen haben. (Gregor Ruttner-Vicht, 20.3.2023)