
Man ist unter den Klimaklebern gewillt, bis zum Äußersten zu gehen und bei Strafen auch Ersatzfreiheitsstrafen anzutreten.
Linz/Innsbruck – Das Klima dürfte Mittwochfrüh am Landesverwaltungsgericht Linz deutlich getrübt sein. Ab 8 Uhr müssen sich Aktivisten der Letzten Generation vor dem Kadi verantworten. Konkret geht es um vier junge Klimaschützer, die im vergangenen November an mehreren Verkehrsblockaden in Linz beteiligt waren.
Kleber-Beschwerde
Am 21. und am 28. November zog auch der 35-jährige David Sonnenbaum in den Morgenstunden den nasskalten Asphalt der warmen Stube vor – und brachte mit Gleichgesinnten festklebend den Frühverkehr an der A7-Abfahrt Hafenstraße temporär zum Erliegen. Die Verwaltungsstrafen wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Erregung öffentlichen Ärgernisses folgten prompt – jeweils 350 Euro pro Blockade. Die Aktivisten weigerten sich, die Strafe zu begleichen. Und wandten sich mit Beschwerden an das Landesverwaltungsgericht in Linz.
David Sonnenbaum sagt im STANDARD-Gespräch, er werde mit einem "Funken Hoffnung" vor seinen Richter treten. "Ich hoffe, dass das Gericht einsieht, dass die Lage doch sehr, sehr dringlich ist. Wir werden uns mit einem rechtfertigenden Notstand verantworten. Der Nationalrat hat den Notstand anerkannt, und die Wissenschaft warnt seit Jahrzehnten eindringlich vor den Folgen des Klimawandels." Vor Gericht dürfte es mit dieser Rechtfertigung aber schwierig werden. "Juristisch gesehen ist die Argumentation, ob jetzt ein Klimanotstand herrscht, irrelevant, da das Versammlungsrecht keine Politik kennt", hält der Wiener Jurist Nikolaus Schuberth im Gespräch mit dem STANDARD dagegen. "Das ist das Motiv, aber kein Rechtfertigungsgrund." Schuberth gilt als Experte für Versammlungsrecht. Und dieses unterscheide "nicht zwischen Themen", erklärt er: "Sonst wären wir in der Zensur."
Entschieden werde "nach festgelegten objektiven Kriterien". Insbesondere sei die Frage zu klären, "ob das Zusammenkommen eine Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts darstellt". Wenn ja, sei zu klären, ob diese Versammlung von der Öffentlichkeit hinzunehmen sei oder nicht. Schuberth: "Der Gesetzgeber und die Behörden dürfen keine politischen Abwägungen treffen." Der Grund der Versammlung ist also nicht relevant. Es müsse von Fall zu Fall entschieden werden.
Häfen als Option
Sonnenbaum – ein studierter Informatiker, der zuletzt als Pädagoge gearbeitet, seinen Job aber für die Klimaproteste gekündigt hat – ist bereit, eine Ersatzfreiheitsstrafe anzutreten: "Zahlen bleibt für mich persönlich keine Option, weil ich nicht bereit bin, einem Staat Geld zu geben, der nicht einmal schafft, einfachste Überlebensmaßnahmen zu setzen. Ich würde sicher auch ins Gefängnis gehen."
Strafen sind innerhalb der Letzten Generation übrigens Privatsache. Sonnenbaum: "Wir stellen uns bewusst dem System und tragen auch die Konsequenzen." Es gebe aber die Möglichkeit, "im Notfall – wenn Menschen keine Möglichkeit haben, die Strafen abzusitzen", einen Spendenaufruf zu machen. "Aber erst, wenn die Urteile rechtskräftig sind."
Innsbrucker Urteil
Auch im Westen ist die rechtliche Aufarbeitung der Klimaproteste angelaufen. Am vergangenen Freitag stand die Aktivistin Maria Garzaner in Innsbruck vor Gericht. Die Richterin befand sie in einem Verwaltungsstrafverfahren für schuldig. DER STANDARD erreicht Garzaner am Dienstag telefonisch. An diesem Tag weiß sie noch nicht, wie viel sie zahlen muss. Die Strafhöhe richtet sich nach dem Einkommen und danach, ob der oder die Betroffene noch unbescholten ist. "Über 190 Euro werden es nicht sein", glaubt sie. Eine Summe, die sie "als berufstätige Frau mittleren Alters" gut stemmen könne.
Garzaner – die nach eigenen Angaben zuvor noch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war – hat am 19. Dezember erstmals zu härteren Mitteln gegriffen, um auf ihre Sorgen aufmerksam zu machen. Gemeinsam mit anderen Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation blockierte sie die Haller Straße im Innsbrucker Osten – keine Klebeaktion, sondern eine Sitzblockade. Garzaner wurde wegen Teilnahme an einer nicht angemeldeten Versammlung und Nicht-Verlassens nach Auflösung der Versammlung angezeigt. (Maria Retter; Markus Rohrhofer; 14.3.2023)