Wenn es mit der Verdauung nicht klappt, sind so manche rasch unentspannt. Grund zur Sorge ist das aber nicht sofort. Wie oft man auf die Toilette muss, hängt von vielen Faktoren ab und ist sehr individuell.

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Bei den einen läuft die Verdauung wie ein Uhrwerk, andere plagen sich, damit sie sich alle drei Tage einmal entleeren können. Oder es passiert dreimal an einem Tag. Und dann fährt man auf Urlaub, und alles ist sowieso wieder ganz anders. Da läuft bei vielen die ersten paar Tage einmal gar nichts. Dazu kommen Mythen wie "einmal täglich Stuhlgang ist unbedingt nötig", die bei denen, bei denen das nicht so läuft, für zusätzlichen Stress sorgen. Was ist also normal? Und ab wann wird es bedenklich oder sogar gefährlich?

Medizinisch ist die Antwort präzise unpräzise. "Alles in der Bandbreite von Stuhlgang dreimal am Tag bis dreimal pro Woche ist normal", weiß Günther Malek, Allgemeinmediziner und Gründer des Zentrums für Integrative Medizin und Schmerztherapie Trinicum. Die Verdauung hängt dabei von mehreren Faktoren ab: der Anatomie, dem Lifestyle, aber auch der Psyche.

Rein anatomisch gesehen ist der Darm nicht bei allen Menschen gleich lang. Manche haben einen kurzen, andere einen besonders langen – dann dauert es auch länger, bis alles durch ist. Auch die Peristaltik, also die Darmbewegungen, sind nicht bei allen gleich stark, auch das beeinflusst die Zeitspanne der Verdauung. Wer testen will, wie lange es dauert, bis eine Mahlzeit durch den Körper durch ist, kann einen Test mit Mais oder Roten Rüben machen. Mais ist nämlich unverdaulich, er kommt wieder raus. Und Rote Rüben, vor allem wenn man sie roh isst, färben den Stuhl richtiggehend pink.

Die Psyche verdaut mit

Zweiter wesentlicher Faktor ist der Lifestyle, und da vor allem die Ernährung. Wer Vollkornprodukte und viel Gemüse isst, hat eine ballaststoffreiche Ernährung, das putzt besser durch. Greift man lieber zu Weißbrot und mehr Fleisch, fehlen die Faserstoffe. Auch die Trinkmenge wirkt sich auf die Verdauung aus, ebenso Medikamente oder andere Substanzen, die man einnimmt. Das beeinflusst auch die Zusammensetzung des Mikrobioms, also die Bakterienvielfalt im Darm, was wiederum bei der Verdauung für Irritationen sorgen kann.

Schließlich ist auch noch die Psyche ein wesentlicher Faktor. Denn zum Stuhlgang gehört eine gewisse Entspannungsfähigkeit. Malek erklärt: "Wir haben ein für unser Bewusstsein nicht direkt zugängliches vegetatives Nervensystem, das unter anderem die Verdauung steuert. Der für Entspannung und Regeneration zuständige parasympathische Teil des Nervensystems muss aktiviert sein. Wenn stattdessen sein Gegenspieler, der Sympathikus, sehr aktiv ist, bremst das die Verdauung, man ist im Kampf- oder Fluchtmodus. Da ist aber Stuhlgang das Letzte, was man brauchen kann, die Schließmuskel machen zu."

Wie oft man auf die Toilette geht, ob täglich oder eher alle drei Tage, sei aber insgesamt nicht so relevant, solange man dadurch keinen Leidensdruck habe. Aufmerksam solle man dann werden, wenn es zu untypischen Veränderungen kommt, die man nicht erklären kann, betont Malek: "Das muss an sich nichts Tragisches sein, aber plötzliche, unerklärliche Veränderungen sollte man medizinisch abklären lassen, besonders, wenn es eine starke Veränderung ist." Insgesamt sind die Grenzen, was eine normale Verdauung anbelangt, also fließend und individuell.

Und man muss sich auch keine Sorgen machen, dass man bei unregelmäßiger Verdauung vielleicht zu wenig Nährstoffe aufnimmt. Malek erklärt: "Die Nährstoffaufnahme passiert bereits im Dünndarm, im Dickdarm ist dieser Prozess im Grunde abgeschlossen." Im Dünndarm verbleibt der sehr flüssige Nahrungsbrei aber nur zwei bis vier Stunden. Er wird dort mit Enzymen versetzt, die Nährstoffe aus der Nahrung herausfiltern. Von dort rauscht er regelrecht in den Dickdarm, wo dann der bekannte Stuhl daraus wird. Und dort liegt auch der Grund dafür, dass es nicht bei allen gleich schnell geht.

Stillstand im Urlaub

Bleibt die Frage, warum viele im Urlaub auf einmal unter Verstopfung leiden, gerade dann, wenn sie eigentlich besonders entspannt sein sollten. Daran dürfte wohl die ungewohnte Umgebung schuld sein, meint Malek: "Beim Stuhlgang findet unbewusst eine gewisse Konditionierung statt, ähnlich wie beim pawlowschen Hund. Viele Menschen entwickeln gewisse Muster, wann sie sich entleeren, etwa immer am Morgen oder auch, wenn man nach Hause kommt." Im Urlaub hält man seine übliche Routine nicht ein, Reize und Gerüche sind anders, das kann einiges durcheinanderbringen. Das ist etwa auch der Grund, warum Raucher oft berichten, dass nichts mehr geht, wenn sie aufhören zu rauchen. Der Nikotinreiz fehlt.

Und es gibt auch noch einen geschlechtsspezifischen Unterschied. Tendenziell sind Frauen häufiger von Verdauungsproblemen betroffen, viele berichten etwa, dass in den Tagen vor ihrer Periode gar nichts geht. Das dürfte an den Hormonen liegen. Der Progesteronspiegel ist vor der Periode erhöht, das kann tendenziell die Muskulatur im Darm beeinflussen oder lahmlegen. Mit Einsetzen der Menstruation sinkt der Spiegel, das Problem löst sich von selbst.

Passender Lifestyle

Will man der Verdauung auf die Sprünge helfen, kann man einiges tun. Es beginnt bei der Ernährung, die sollte ballaststoffreich und gemüselastig sein. Unpasteurisierte fermentierte Produkte helfen auch, weil sie das Mikrobiom positiv beeinflussen, ebenso wie längere Essenspausen. "Der Darm braucht längere Ruhephasen, damit er insgesamt ordentlich arbeiten kann. Ständiges Snacken ist kontraproduktiov", weiß Malek.

Außerdem sollte man sich Zeit nehmen zum Essen und jeden Bissen gut kauen, das sorgt für Entspannung. Isst man nebenbei am Computer und checkt womöglich noch die Schlagzeilen, lässt einen das eher nicht zur Ruhe kommen, man schlingt womöglich große Bissen fast ungekaut hinunter. "Das kommt dann in einen schlaffen Magen mit geschlossenem Schließmuskel, das kann der Verdauung nicht guttun", sagt Experte Malek. "Diese Esskultur ist definitiv ein großes Thema in Bezug auf Verdaungsprobleme."

Schließlich zählt auch noch der Lebensstil abseits der Ernährung dazu. Menschen die sich viel bewegen und an die frische Luft gehen, haben tendenziell eine bessere Verdauung und auch ein vielfältigeres Mikrobiom.

Richtig hocken

Beachtet man all das, sollte einem regelmäßigen Stuhlgang – in welcher Frequenz auch immer – nichts im Wege stehen. Ist es dann so weit, stellen sich manche die Frage nach der richtigen Sitzposition. Vor einigen Jahren wurde etwa der "SquattyPotty" intensiv beworben, ein Hocker, auf den man die Füße beim Toilettengang stellt, damit ein spitzerer Winkel im Enddarm entsteht und es leichter flutscht. Das kann vor allem für jene eine Hilfe sein, die sich mit der Entspannung schwertun, meint Malek. Wenn man bei dem in unseren Breiten üblichen Sitzen gut entleeren kann, brauche man sich darüber aber keine Gedanken zu machen.

Schließlich weist der Allgemeinmediziner noch auf die Darmkrebsvorsorge hin, immerhin ist das die dritthäufigste Krebserkrankung. Ab Mitte 40 sollte man jährlich einen Test auf Blut im Stuhl machen, alle paar Jahre eine Darmspiegelung. Denn: "Darmkrebs entsteht aus einem Polypen, das ist zu stark wachsendes Darmgewebe. Das wächst lange Zeit oberflächlich im Darm, im Schnitt etwa fünf Jahre, und ist dabei vollkommen harmlos. Irgendwann wächst es aber in die Tiefe und breitet sich aus, dann kann Krebs entstehen." Solange es nur ein Polyp ist, kann man diesen aber einfach wegschneiden, das Problem ist gelöst. Und dafür hat man immerhin durchschnittlich fünf Jahre Zeit – vorausgesetzt, man weiß aufgrund einer Untersuchung, dass es da ist.

Insgesamt ist es also gar nicht so schwer, die eigene Verdauung in den Griff zu bekommen. Voraussetzung: dass man es entspannt angeht. (Pia Kruckenhauser, 28.3.2023)