Der Blick von oben kann sehr hilfreich sein: Satellitendaten von Wäldern geben Auskunft über Schädlingsbefall, Kohlenstoffbilanz oder illegalen Einschlag.
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Der Sommer 2018 war ein Weckruf für die Waldwirtschaft. Hitze und Niederschlagsmangel führten zu Rekordwerten beim Borkenkäferbefall. Der Trend der jährlichen Anstiege seit 2015 setzte sich also fort, 2019 sollte nicht viel besser werden.

Satellitengestütztes Borkenkäfermonitoring

Die Erfahrungen zeigten, dass eine engmaschige Kontrolle und vorausschauendes Bewirtschaften der Waldbestände wichtiger werden. Damit schlug auch die Stunde des satellitengestützten Borkenkäfermonitorings. Waldbesitzer und Forstverwaltungen interessierten sich verstärkt für Dienste, die den Befall – oder ein Risiko dafür – aus Satellitenbildern ablesen können. Die freie Verfügbarkeit von Aufnahmen der europäischen Sentinel-Satelliten, Fortschritte in der automatisierten Analyse durch Deep-Learning-Algorithmen und ein genereller Boom im Nutzbarmachen von Satellitendaten kamen zu Hilfe.

Janik Deutscher vom Institut für Digitale Technologien des Forschungsunternehmens Joanneum Research arbeitet an Systemen, die sich nicht nur dem Borkenkäfer, sondern auch anderen Varianten des Waldmonitorings widmen. Mit welcher Bedrohung die Wälder konfrontiert sind, zeigt er anhand einer Abfrage im hausgemachten Monitoringservice für eine Region im deutschen Harzgebirge: Während auf dem Satellitenbild von 2017 noch der Großteil der abgebildeten Landschaft dunkelgrünen Nadelwald zeigt, ist das Bild von 2022 fast vollständig lila eingefärbt – was einen nicht mehr vitalen Wald markiert. "Innerhalb von fünf Jahren sind hier 75 Prozent des Nadelwaldes durch Käferbefall oder Sturmwurf abgestorben", sagt Deutscher.

In die Zukunft schauen

Im Projekt "AlpMon", unterstützt durch die Förderagentur FFG mit Mitteln des Klimaschutzministeriums, wurden Grundlagen für Auswertungen dieser Art geschaffen. Erstmals standen mit den Sentinel-Aufnahmen umfassende Zeitreihendaten zur Verfügung. Alle paar Tage gibt es also eine neue Aufnahme einer Region. Das erlaubt nicht nur ein Monitoring nahezu in Echtzeit. Aufbauende Modellierungen können automatisiert analysieren, was sich von Aufnahme zu Aufnahme ändert. Dazu werden sowohl konventionelle mathematische Methoden als auch Deep-Learning-Ansätze genutzt. "Neue Verfahren erlauben, aus den Satellitenaufnahmen auch Prognosen abzuleiten, um so herauszufinden, welche Gebiete als Nächstes befallen werden könnten", schildert Deutscher.

Ist der Käferbefall bereits passiert und bleibt unentdeckt, bleibt von vielen Bäumen kaum mehr was übrig.
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In einem Folgeprojekt wird nun künstliche Intelligenz (KI) genutzt, um eine Risikokennzahl für die Waldgesundheit zu ermitteln. "Wir koppeln dabei die Sentinel-2-Zeitreihen mit meteorologischen Daten wie Temperatur oder Niederschlag", erklärt der Forscher. "Wir analysieren, in welchen Wettersituationen sich die Borkenkäfer in der Vergangenheit ausgebreitet haben, und versuchen dadurch genauere Vorhersagen zu treffen."

Verfärbung der Nadeln als Indikator

Borkenkäferbefall wird auf den Aufnahmen durch die Verfärbung der Nadeln erkannt. Die größte Herausforderung bei der Etablierung von KI-Modellen ist, genug Referenzdaten zu sammeln, anhand der das Modell trainiert werden kann, betont Deutscher. Die Aufnahmen müssen bei Begehungen mit der tatsächlichen Situation vor Ort im Wald abgeglichen werden, um die Daten richtig zu annotieren.

Eine weitere Problematik ergibt sich aus der zeitlichen und räumlichen Distanz zwischen Trainingsaufnahmen und Anwendungsfall. "Ein Modell, das wir in Niederösterreich an einem kleinräumigen Bestand trainiert haben, war in einer anderen Region drei Jahre später nur mit Mühe anzuwenden", gibt Deutscher ein Beispiel. Das KI-basierte Modell kann nur für ähnliche Situationen genaue Ergebnisse liefern. Wechselt man in ein Gebiet mit abweichenden Klimabedingungen oder anderen Forstbeständen, sinkt die Modellgenauigkeit.

Das Monitoring der Waldgesundheit ist nur eine mögliche Nutzung der Satellitendaten. In Bezug auf den Klimawandel ist etwa die Frage nach der Kohlenstoffbilanz eines Waldes relevant. Speichert er mehr CO2 oder gibt er mehr ab? Entsprechende Methoden werden im Projekt Forest Carbon Monitoring der Raumfahrtagentur Esa entwickelt. Hier kombiniert man mehrere Datenquellen, etwa optische Aufnahmen, Radardaten oder am Boden erhobene Forstinventurdaten. Künftig soll zudem auch ein großflächiges Biodiversitätsmonitoring aus dem Orbit möglich werden.

Raubbaukontrolle

Ein weiteres Thema ist die Kontrolle illegalen Holzeinschlags. Diese Anwendung ist dort interessant, wo Schutzbestimmungen fehlen oder nicht ausreichend kontrolliert werden. In diesem Bereich hat sich das Start-up Beetle4Tech profiliert, das vom Inkubator Accent des Landes Niederösterreich und der Förderbank AWS unterstützt wird. Das vom Start-up entwickelte Tracking-Verfahren setzt auf Codes an den Baumstämmen, die den genauen Entnahmestandort verraten. Die Auswertung der Satellitendaten zeigt, ob an diesem Ort tatsächlich nur die gemeldete Anzahl an Bäumen gefällt wurde oder ob es zu einer größeren, potenziell illegalen Holzentnahme kam. Es lohnt sich also, den Blick von weit oben über den Wald schweifen zu lassen. (Alois Pumhösel, 18.3.2023)