"Privat trage ich nie Parfum", sagt Francis Kurkdjian. Die Aussage verwundert doch ein bisschen, wenn man bedenkt, dass sie aus dem Mund eines international arbeitenden Starparfümeurs kommt. Der 53-Jährige hat etwa das ikonische "Le Mâle" für Jean Paul Gaultier kreiert und unter seinem eigenen Namen bereits eine ganze Reihe exquisiter Nischendüfte herausgebracht. Seine ausdrucksstarken Kompositionen lassen es zwar nicht vermuten, aber Kurkdjians Motto lautet: "Weniger ist mehr." Doch im Fall seines neuesten olfaktorischen Projekts war es dann doch ein bisschen zu wenig.

Francis Kurkdjian kreierte einen Duft für die aktuelle Inszenierung von Salome an der Wiener Staatsoper.
Foto: Wiener Staatsoper / Michael Poehn, Victoria Nazarova

Der Franzose hatte für die aktuelle Inszenierung von "Salome" an der Wiener Staatsoper einen Duft kreiert. Doch zwei Wochen vor der Premiere des Einakters von Richard Strauss erhielt er eine Hiobsbotschaft von Regisseur und Auftraggeber Cyril Teste: Die Komposition, die über das Lüftungssystem der Oper versprüht werden sollte, war zu schwach für den großen Saal. "Das machte mich nervös. Schlaf bekam ich in dieser Zeit nicht viel", erinnert sich Kurkdjian. Er musste im Eiltempo die Rezeptur verändern. Im Gegensatz zu einem Parfum für den Körper, bei dem die langlebige Herznote die Hauptrolle spiele, müsse man bei Düften für einen Raum die flüchtige Kopfnote intensiver ausbauen, beschreibt er seine Erkenntnis.

Moschus, Amber und Kreuzkümmel

Wie genau seine Komposition zusammengesetzt ist, bleibt Kurkdjians Geheimnis. Bloß die Schlüsselkomponenten Moschus, Amber und Kreuzkümmel verrät er. Sie sollen den Geruch des Körpers der jungen Salome suggerieren. "Im Originaltext ist Salome ein Mädchen in der Pubertät. Wir wollten mit dem rohen, sinnlichen Duft das Erwachen der Sexualität nachempfinden", erklärt der Parfümeur. Als passenden Zeitpunkt, die Komposition in den Saal zu verströmen, haben Francis Kurkdjian und Regisseur Cyril Teste den "Tanz der sieben Schleier" ausgemacht – performt von der 13-jährigen Tänzerin Anna Chesnova.

Auch Francis Kurkdjian hatte schon als Kind Kontakt zur Oper und zu Musik. Seine Eltern lernten sich im Chor kennen, seine Geschwister und er selbst wurden in Klavier beziehungsweise Geige unterrichtet. Heute beschäftigt sich der Franzose freilich weniger mit musikalischen Akkorden als mit olfaktorischen. Auch in Sachen Parfums wurde er schon als Kind geprägt. "Wenn mein Vater von der Arbeit nach Hause gekommen war und sich geduscht hatte, sprühte er sich mit schwerem Parfum ein. Dabei hatte er nichts mehr vor. Er ging einfach zu Bett", lacht Kurkdjian.

Verströmt wird der Duft während des "Tanzes der sieben Schleier" – performt von der 13-jährigen Tänzerin Anna Chesnova.
Foto: Wiener Staatsoper / Michael Poehn, Victoria Nazarova

Auch das Thema der multisensorischen Unterhaltungsformate kennt der Parfümeur schon von früher. Der französische Sender Canal+ experimentierte mit Formaten, die um eine Geruchskomponente erweitert wurden. Zu gewissen Szenen sollte man zuvor gekaufte Karten rubbeln, die dann einen entsprechenden Duft freisetzten. Kultregisseur John Waters verwendete das gleiche Konzept für seinen Film "Polyester" mit üblen Gerüchen von dreckigen Schuhen oder Blähungen. Durchgesetzt hat sich das Konzept aber auch mit wohlriechenden Kompositionen nie.

Tanz der sieben Schleier

Auch auf der Bühne wurde bereits mit Düften experimentiert. 2009 hatte mit "Green Aria" die erste "Oper für die Nase" im New Yorker Guggenheim-Museum Premiere. Dabei wurde das Publikum 23 verschiedenen Düften, kreiert von Parfümeur Christophe Laudamiel, ausgesetzt. Selbst für Cyril Teste und Francis Kurkdjian ist das aktuelle gemeinsame Projekt nicht das erste. 2017 bedufteten sie drei Szenen der Bühnenadaption von Tomas Vinterbergs Film "Das Fest".

Und nun eben "Salome" an der Wiener Staatsoper: Als das junge Mädchen den Tanz der sieben Schleier performt, heißt es also die Nasenflügel weit öffnen und tief einatmen. Schließlich will man das Maximum aus dem multisensorischen Erleben herausholen. Aber anstatt des sinnlichen Moschusdufts machen sich die Parfums von einigen Premierengästen in der Nase breit. Anscheinend ist Kurkdjian senior mit seiner Vorliebe zur üppigen Beduftung nicht allein. Deshalb ein Appell an all jene, die die weiteren Vorstellungen im April besuchen wollen: Tun Sie es Francis Kurkdjian gleich und verzichten Sie auf Parfum! (RONDO Exklusiv, Michael Steingruber, 30.3.2023)