"Oma hat den süßen Schatz immer unter Verschluss gehalten"

Yvonne Rueff hat ein Faible für Schokolebkuchenbrezeln. Ihr Duft erinnert sie an ihre Kindheit und an ihre Großmutter.

Profitänzerin Yvonne Simona Rueff betreibt in Wien die Tanzschule Rueff. Sie ist Gründerin von "Dancer against Cancer", einer Charity-Organisation, die Spenden für die Österreichische Krebshilfe sammelt.
Foto: Katharina Gossow

Was kaum jemand weiß: Ich steh total auf Lebkuchenbrezeln, die mit Schokolade überzogen sind. Das ist, schon seit ich denken kann, meine liebste Nascherei. Warum? Weil mich ihr süßer Duft sofort in meine Kindheit zurückversetzt.

Damals lebte meine Oma bei uns in der Wohnung. Sie hatte in ihrem Zimmer eine Schublade, in der sie ausschließlich diese Schokolebkuchenbrezeln aufbewahrte. Schon beim Vorbeigehen stieg meinem Bruder und mir dieser typische Geruch nach Schokolade und Lebkuchen in die Nase. Wenn wir brav waren, hat die Oma ihren Schlüssel herausgeholt, die Schublade aufgesperrt und uns eine – und nur eine – Brezel gegeben. Da war die Großmutter sehr streng. Sie hat schon gewusst, warum sie diesen süßen Schatz immer unter Verschluss gehalten hat. Wir hätten uns sonst wohl schamlos bedient.

Der Duft erinnert mich also nicht nur an meine Kindheit, sondern auch an die geliebte Großmutter. Noch heute gönne ich mir zu besonderen Anlässen diese kleine Sünde. Aber nicht zu viel davon. Denn als Profitänzerin muss ich ja auch immer auf mein Gewicht achten. Also nicht, dass jetzt jemand auf die Idee kommt, mir kiloweise Schokolebkuchenbrezeln zu schicken!" (Markus Böhm)

"Das Leder im Pontiac verströmt den Duft von Geborgenheit"

Anna Reiter ist mit dem Ledergeruch feiner Schuhe aufgewachsen. Das Auto des Urgroßvaters hat für sie aber eine ganz besondere Note.

Anna Reiter ist seit 2017 Marketingmanagerin der Schuhmanufaktur Ludwig Reiter. 60 Mitarbeiter erzeugen dort jährlich rund 30.000 Paar Schuhe.
Foto: Katharina Gossow

Der Geruch von Leder hat mich meine gesamte Kindheit begleitet. Ich war als kleines Kind oft in der Schuhfabrik meiner Familie und auch häufig bei den Großeltern. Bei ihnen zu Hause hat wirklich alles nach Leder gerochen: die Schuhe, die herumgestanden sind, und die Ledercouch.

Es ist ein Geruch, der zunehmend verblasst, weil Leder nicht mehr diese intensive Note hat. Das hängt mit der Art zusammen, wie das Material gegerbt wurde, ob es sich etwa um pflanzliche oder Chromgerbung handelt. Manche Lederarten riechen heute fast schon nach Kunststoff. Lederhäute, die dagegen ihren feinen Geruch behalten sollen, dürfen nicht zu Tode gegerbt werden. Sie müssen noch atmen, dann kann man sie wiederverwerten.

Den richtig argen Geruch alter Gerbereien habe ich nie erlebt, sondern kenne ihn nur aus Patrick Süskinds Buch Das Parfum. Ich stelle mir das beißend vor.

Einen ganz spezifischen Ledergeruch aus der Kindheit verbinde ich mit den Autositzen im Pontiac Eight, den mein Urgroßvater einem amerikanischen Offizier abgekauft hat. Das war nach dem Krieg, und der Offizier wollte das Auto nicht wieder in die USA mitnehmen. Das sandfarbene Leder der Sitze verströmt einen Duft von Geborgenheit." (Sascha Aumüller)

"Der Geruch der Rebblüte ist wie eine Begrüßung"

Wenn die Weingärten im Frühjahr nach den Blüten der Reben duften, riecht der Winzer Willi Bründlmayer auch die Tage seiner Kindheit.

Willi Bründlmayer bewirtschaftet seit 1980 Weingärten in und um Langenlois. Das Weingut zählt zu den bedeutendsten des Landes. Die Zeichnung der Rebblüte stammt von der Künstlerin Lisbeth Habusta.
Foto: Katharina Gossow

Mein Vater notierte in jedem Jahr, wann die Rebblüte begann und wann sie endete. Diese zwei Zeitpunkte sagen uns ziemlich genau, wann wir mit der Ernte beginnen werden. Der Einfluss des Sommers ist gar nicht so groß, wie viele glauben. Es ist jedes Jahr eine große Freude, wenn sich die Blüten zeigen, auch wenn diesem Ereignis oft ein ängstliches Gefühl vorausgeht, denn es könnte auch zu früh im Jahr geschehen. Vor den Eisheiligen steht das Stimmungsbarometer also zwischen Spannung, Freude und Furcht. Die Rebblüte ist ein wahrlich beeindruckendes Naturereignis. Die Weinreben treiben mit einer unglaublichen Vitalität aus. Mein Vater schwärmte immer vom Geruch der Pflanzen, und ich dachte mir als Kind lange Zeit: ‚Also ich riech’ nix.‘ Dann, ich muss so zehn Jahre alt gewesen sein, hat auch mich ihr Geruch gepackt, als wir von außerhalb zurück in die Weinberge kamen. Es war ein Wow-Erlebnis. Der Geruch entspricht keinem Einzelgeruch, es ist der Duft einer ganzen Landschaft. Er taucht auf wie eine Begrüßung, die dann wieder verschwindet. In jedem Jahr denke ich zurück an dieses erste Mal. Schließe ich die Augen, kann ich es schon jetzt riechen, ein zarter, aber sehr nachhaltiger Duft, ein bisschen ähnlich der Robinie." (RONDO Exklusiv, Michael Hausenblas, 27.3.2023)