"Am 16. Jänner haben wir die Schlüssel bekommen, und dann sind wir ein paar Tage dagesessen und haben überlegt, was wir jetzt eigentlich machen", erzählt Chris Schilcher. Der "Krypt-Typ", wie er sich selbst vorstellte, führt die Cocktailbar Krypt im neunten Bezirk. Sein Geschäftspartner Franz Wogowitsch leitet seit Jahren das Lokal Burgermacher in der Burggasse. Gemeinsam haben sie das im Vorjahr in die Insolvenz geschlitterte Kleine Paradies in der Blindengasse 3 übernommen und als "Creo." (ja, der Punkt gehört dazu) eröffnet.

Wie kann man innerhalb von sieben Wochen ein neues Fine-Dining-Lokal aufziehen? Dazu braucht es jahrelange Zusammenarbeit, viele Ideen und vor allem gute Beziehungen. "Nur so haben wir überhaupt Besteck für die vielen Gänge bekommen, das auch noch zusammenpasst", sagt der gebürtige Wolfsberger Schilcher.

Wenig hat man in der denkmalgeschützten Lokalität verändert. Bissl Kunst, bissl Licht und neue Gläser, sagen die beiden Chefs, aber mehr brauchte es in der gemütlichen und lässigen Location ohnehin nicht. Zwischen 55 und 65 Personen finden Platz, im Sommer will man einen Schanigarten betreiben.

Viel hat man am Kleinen Paradies nicht ändern müssen.
Foto: Kevin Recher
Für die Bar verantwortlich ist das Team des Krypt.
Kleine Separees zeichnen das Lokal aus.
Foto: Kevin Recher

Nichts, was man nicht will

Die Grätsche zwischen Barstimmung und gutem Essen (keine Burger!, darauf bestand Wogowitsch, er wolle endlich wieder richtig kochen) wollte man schaffen. Herausgekommen ist ein schwer definierbares Konzept, das im Fine-Dining-Segment angesiedelt ist. In der Speisekarte des Creo. wird es als ein "beinahe grenzenloses Abendmenü mit internationalen Köstlichkeiten nach dem 'Was darf es NICHT sein'-Prinzip" beschrieben. Die beiden Macher selbst tun sich schwer damit, es auf den Punkt zu bringen. Menü? Ist es nicht. Buffet? Das schon gar nicht. Kulinarische Reise? Klingt bochn, aber das sei es am ehesten, sagen Schilcher und Wogowitsch. "Wenn du eine Idee hast, wie wir das nennen sollen, dann bitte her damit!"

Franz Wogowitsch und Chris Schilcher im "Creo.".
Foto: Creo

Es gibt keine klassischen Menüs, und à la carte kann man sowieso nicht bestellen. Zu Beginn des Abends sagt man dem Personal, was man nicht mag, und die Gerichte werden dahingehend angepasst. Fleisch, vegetarisch, vegan, ohne Käse – all das ist möglich.

Der Clou: Es gibt keine vorgegebene Anzahl an Gängen. "Wenn du um 18 Uhr kommst und bis 23 Uhr da bleibst, bekommst du viel mehr Gerichte, als wenn du erst um 21 Uhr auftauchst." Dementsprechend gestaffelt soll auch der Preis für das Menükonzept ohne Namen funktionieren: Ein ganzer Abend kostet 89 Euro, ein kürzerer soll bei "63, 65 Euro" liegen.

Weinbegleitung gibt es um 32 Euro dazu, ansonsten stehen auf der Getränkekarte Signature Cocktails, für die sich Barchef Julian Rott aus der Krypt-Bar verantwortlich zeigt. In der Küche werkelt Emiliano Bosi, den Wogowitsch aus seinem Burgerladen abgezogen hat. "Einen Italo-Touch" hat das Essen im Creo. logischerweise, ansonsten wollten die beiden Gastronomen die Küche nicht genauer definieren.

Salz verzweifelt gesucht

Beim Pre-Opening-Dinner servierte man acht Gänge, die das Überraschungsmenü repräsentieren sollen. Das dünn aufgeschnittene Rindfleisch, auf einer Thunfischcreme gebettet, harmoniert ungemein gut, ist geschmacklich leider aber für längere Zeit das einzige Highlight des Abends. Die Kürbiscremesuppe mit Tempura-Austernpilz ist verhalten gewürzt. Mehr Salz, mehr Wumms, mehr Mut zum Würzen hätte dem Gericht gutgetan – ein grobes Manko, das sich durch so gut wie alle Speisen durchzieht. Man fragt sich fast, ob das Salz in der Küche ausgegangen ist.

Im Kürbisrisotto sorgt der Parmesanschaum wenigstens für einen notwendigen Umami-Schub zwischendurch. Der Wolfsbarsch, gut angebraten, hinterlässt null bleibenden Eindruck.

Kürbisrisotto mit Parmesanschaum.
Foto: Kevin Recher

Die Fleischhauptspeise überzeugt: das Gemüse knackig, das Püree fein püriert – auch wenn der Trüffel nicht wirklich wahrnehmbar ist –, dafür begleitet das Beiried ein kräftiger Sud, der das Essen geschmacklich endlich auf ein höheres Level hebt. Dafür macht das Dessert einen richtigen Bauchklatscher: Die Pistaziencreme im Mille-feuille ist geronnen, Pistazienaroma sucht man vergeblich, einzig ein milchiger und nicht gerade angenehmer Geschmack bleibt über. Hätte das Personal die Creme nicht als solche angekündigt, man hätte es nicht erkannt.

Beiried auf trüffeligem Püree.
Foto: Kevin Recher

Was den Speisen an Geschmack fehlt, machen die Cocktails wett, die, ganz dem Niveau der Krypt-Bar entsprechend, erstklassig ausfallen. Super, dass man diese nun an einem zweiten Standort in Wien genießen kann.

Viel Potenzial

Die Küche des Creo. darf und muss sich noch mehr trauen. Die Cocktails sind exzellent, das Personal bemüht, die Atmosphäre gemütlich, die Chefs sympathisch. Schlecht gekocht wird auch nicht, es schmeckt aber vieles einfach fad. Man will bei einem Dinner viel schmecken, den eigenen Geschmack herausfordern – oder diesen zumindest befriedigen. Aber wer weiß, was in den nächsten sieben Wochen noch so alles passiert. (Kevin Recher, 16.3.2023)