Wieder einmal steht Aussage gegen Aussage. Nach einem militärischen Zwischenfall zwischen den USA und Russland über dem Schwarzen Meer warnt die US-Regierung Moskau vor einer Eskalation. So wies etwa der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, die Darstellung aus Moskau zu dem Vorfall zurück und sagte, die US-Regierung erwäge, Bildmaterial von dem Aufeinandertreffen einer US-Drohne mit zwei russischen Kampfjets zu veröffentlichen, um für Aufklärung zu sorgen.

Kirby mahnte, ein derart unangemessenes Vorgehen russischer Piloten könnte zu "Fehleinschätzungen" zwischen den Streitkräften beider Länder führen. Mit Blick auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine sagte er: "Wir wollen nicht, dass dieser Krieg über das hinaus eskaliert, was er dem ukrainischen Volk bereits angetan hat."

VIDEO: Der Sprecher des Pentagons Pat Ryder bezeichnete das Verhalten der russischen Piloten als "ungewöhnlich, bedauerlich und unsicher."
DER STANDARD

Frage: Was ist am Dienstagmorgen passiert?

Antwort: Nach Angaben des US-Militärs ist am Dienstagmorgen um 7.15 Uhr südöstlich der zur Ukraine gehörenden Schlangeninsel im Schwarzen Meer eine unbemannte US-Militärdrohne mit einem russischen Kampfjet kollidiert. Zwei russische Kampfjets hätten ein Abfangmanöver mit der amerikanischen Drohne vom Typ MQ-9 Reaper betrieben, die im internationalen Luftraum geflogen sei. Einer der Kampfjets habe dabei den Propeller der US-Drohne getroffen und sei im Grunde in die Drohne hineingeflogen. Diese sei danach nicht mehr manövrierfähig gewesen, US-Kräfte hätten sie deshalb vom Himmel holen und ins Meer stürzen lassen müssen. Durch den Crash habe man die Drohne komplett verloren. Schuld am Zusammenstoß seien die Russen, heißt es aus Washington, wo man sich über "unsicheres und unprofessionelles" Handeln der russischen Seite beschwerte.

Eine US-Reaper musste im Schwarzen Meer versenkt werden.
Foto: Senior Master Sgt. Paul Holcomb HANDOUT

Frage: Was soll dieses "unsichere und unprofessionelle Handeln" gewesen sein?

Antwort: Die beiden russischen Jets hätten sich vor der Kollision etwa 30 bis 40 Minuten in der Nähe der US-Drohne aufgehalten, heißt es aus Washington. 19-mal habe es enge Vorbeiflüge gegeben. Das US-Militär gab zudem an, vor dem Zusammenstoß hätten die russischen Flieger Treibstoff über der US-Drohne abgelassen und seien mehrfach vor dieser hergeflogen – in rücksichtsloser, umweltschädlicher und unprofessioneller Weise. Dies zeuge von einem "Mangel an Kompetenz".

Frage: Warum lässt man Treibstoff ab?

Antwort: Dazu gibt es verschiedene Theorien, wovon keine bestätigt ist. Eine ist die, dass man versucht habe, Treibstoff abzuwerfen, während der zweite Kampfjet mit dem Nachbrenner sozusagen die Drohne zu entzünden versucht. Es wäre aber auch denkbar, dass die Russen glaubten, durch den Treibstoff die Sensoren oder den Antrieb der Drohne stören zu können. Die Flieger könnten also versucht haben die Drohne zum Absturz zu bringen, möglichst ohne eigene Geschosse zu verwenden.

Frage: Was sind Abfangmanöver?

Antwort: Abfangmanöver haben nicht zwingend das Ziel, ein Flugzeug abzudrängen oder zur Landung zu zwingen, sondern dienen oft auch nur dazu, etwa durch Sichtkontakt festzustellen, ob von einem verdächtigen Fluggerät eine Gefahr ausgeht. Kirby betonte, solche Abfangmanöver seien nicht ungewöhnlich. Dieser Fall steche allerdings heraus durch das unprofessionelle Vorgehen der russischen Seite.

Frage: Was hat die US-Drohne dort überhaupt gemacht?

Antwort: Die MQ-9-Drohne wird in erster Linie zur Aufklärung genutzt, kann theoretisch aber auch Präzisionsangriffe durchführen. Sie wird aus der Ferne gesteuert. Das Pentagon wollte keine genaueren Angaben dazu machen, was genau die Mission der Drohne in diesem Fall gewesen war und ob sie bewaffnet war oder nicht. Es dürfte aber wohl um Aufklärungsfragen gegangen sein.

Solche Flüge führen die USA im internationalen Luftraum regelmäßig durch. Dazu passt auch, dass Moskaus Botschafter in Washington den USA eben das vorwarf. Man sammle Geheimdienstinformationen, "die später vom Kiewer Regime genutzt werden, um unsere Streitkräfte und unser Territorium anzugreifen", teilte der russische Botschafter Anatoli Antonow in Washington mit. Tatsächlich gibt es aber bis auf vereinzelte Sabotageakte und Grenzscharmützel keine bestätigten ukrainischen Angriffe auf russisches Territorium, während Russland seit mehr als einem Jahr laufend Angriffe auf ukrainischem Territorium lanciert und einen Angriffskrieg ausübt. Dennoch fordert Russland die USA auf, die Aktivitäten in Grenznähe einzustellen.

Frage: Wird die Drohne nun geborgen?

Antwort: Zu einer möglichen Bergung des Fluggeräts äußerte sich das Pentagon zunächst nicht. Kirby sagte lediglich, die USA hätten Vorkehrungen getroffen, damit die Drohne nicht in fremde Hände gerate. Es ist davon auszugehen, dass die sensiblen Daten ferngelöscht wurden.

Frage: Haben die russischen Jets auch Schaden genommen? Was sagt Moskau?

Antwort: Die USA behaupten dies, die Russen sagen aber, es hätte keine Kollision gegeben. Die Drohne sei weder beschossen noch auf andere Weise angegriffen worden, hieß es in einer von der Staatsagentur Tass verbreiteten Mitteilung. Jets der Luftwaffe seien aufgestiegen, um einen unbekannten Eindringling über dem Schwarzen Meer zu identifizieren.

Bei einem scharfen Ausweichmanöver habe die Drohne rapide an Höhe verloren und sei abgestürzt, lautete die Darstellung aus Moskau. "Die russischen Kampfflugzeuge haben keine Bordwaffen eingesetzt, sind nicht in Kontakt mit dem unbemannten Flugapparat geraten und kehrten sicher zu ihrem Heimatflughafen zurück." Die USA entgegneten: Nach einem Jahr des russischen Kriegs gegen die Ukraine sollte jeder alles, was die Russen über Aktivitäten in und um die Ukraine sagen, mit größter Vorsicht genießen, so Kirby.

Frage: Kann irgendeine Seite ihre Sicht der Dinge beweisen?

Antwort: "Wir schauen uns einige Bilder an, um zu sehen, ob sie geeignet sind, veröffentlicht zu werden. Aber wir haben noch keine Entscheidung dazu getroffen", sagte Verteidigungssprecher Kirby. Es scheint also Bildmaterial zu geben, nun ist es noch eine Frage, ob es "classified" bleibt.

Frage: Wie hat die Ukraine reagiert?

Antwort: Die ukrainischen Luftstreitkräfte haben den Einsatz von US-Aufklärungsdrohnen verteidigt. "Das Schwarze Meer ist kein Binnenmeer Russlands, so wie sie das Asowsche Meer besetzt haben und es für ihres halten", sagte der Sprecher der ukrainischen Luftstreitkräfte, Jurij Ihnat. (APA, faso, 15.3.2023)