Die Raiffeisenbank International sorgt aufgrund ihrer Russland-Verbindungen einmal mehr für Schlagzeilen.

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Es sind heikle Dokumente, die vergangene Woche der Wochenzeitung "Falter" zugespielt wurden. Die Schriftstücke aus einer Vorstandssitzung der Raiffeisenbank International (RBI), die als "streng vertraulich" klassifiziert wurden, sollen belegen, wie die Bank an einem möglichen Deal mit der staatlichen russischen Sberbank arbeitet. Die RBI, die nach wie vor in Russland aktiv ist und dafür international kritisiert wird, würde sich damit auf schwieriges Terrain begeben. Der Grund für den Deal liegt auf der Hand: Sowohl die RBI als auch die russische Sberbank könnten mit dem Geschäft wirtschaftliche Probleme lösen, die sich aus den EU-Sanktionen und aus den russischen Gegensanktionen ergeben. Worum geht es dabei genau, und wer sind die Mitspieler?

Frage: Die RBI will das Vermögen der Sber Vermögensverwaltungs AG in Abwicklung übernehmen. Wer ist die Sber AG?

Antwort: Die Abwicklungsgesellschaft, in der das restliche Vermögen der Sberbank Europe liegt, die ihre Zentrale in Wien hatte. Die Sberbank Europe gehörte der russischen Sberbank, die nun auch die Wiener Abwicklungsgesellschaft besitzt. Das Vermögen und die Schulden der früheren Bank wurden großteils verwertet, zum Beispiel hat die Bawag vorigen Mai das Privatkundengeschäft gekauft, um rund eine Milliarde Euro. Eine Transaktion, der die US-Sanktionsbehörde OFAC zugestimmt hat, schließlich gehört die Bawag US-Investoren und auch in ihrem Vorstand sitzen Amerikaner. Der Erlös aus dem Deal floss in die österreichische Einlagensicherung, die damit Gläubiger entschädigte.

Frage: Was ist die Sber Abwicklungsgesellschaft jetzt noch wert?

Antwort: Ganz genau ist das nicht bekannt, das Restvermögen beträgt rund 400 Millionen Euro, 220 Millionen davon sind Cash. Der Rest entfällt auf Kredite, die demnächst auslaufen, auch Restvermögen aus der Liquidation des Geschäfts in Tschechien sind im Topf sowie Schulden, die die Ex-Sberbank-Europe in Ungarn hat.

Frage: Was genau will die RBI?

Antwort: Die Idee geht so: Die RBI tauscht ihre Dividendenansprüche, die sie aus Gewinnen ihrer russischen Tochter hat und die mit 200 bis 400 Millionen Euro bewertet werden (im Vorjahr hat die AO Raiffeisenbank Russland zwei Milliarden Euro verdient), gegen das Vermögen der Sber Abwicklungsgesellschaft. So bekäme die staatliche russische Sberbank Assets in Rubel, und "Wladimir Putin bekäme keine Fremdwährung, mit der er etwa Waffen kaufen könnte", wie es ein Wohlinformierter ausdrückt. Die RBI könnte damit ihr Engagement in Russland verringern; ihre Tochter repräsentiert einen Wert von mehr als vier Milliarden Euro (Equity). In Österreich sollen in der Folge die restlichen Sber-Assets mit Unterstützung von Wilhelm "Willi" Hemetsbergers Ithuba Capital verwertet werden; die Ithuba gilt als Spezialistin für derlei Geschäfte.

Frage: Wäre ein solches Tauschgeschäft der RBI nach den EU-Sanktionen überhaupt zulässig?

Antwort: Die RBI würde sich mit dem Deal auf heikles Terrain begeben, weil die Sberbank Russland auf der Sanktionsliste der EU steht und ihre Vermögenswerte innerhalb der EU eingefroren sind. Laut dem Sanktionsbeschluss dürfen sanktionierten Banken grundsätzlich "weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen". Dabei ist es egal, ob es sich um eine Kaufpreiszahlung oder ein Tauschgeschäft handelt. Eine Umgehung der Sanktionen auf diesem Weg oder durch zwischengeschaltete Gesellschaften ist nicht erlaubt. Aus Sicht von Juristen, mit denen DER STANDARD gesprochen hat, wäre der Deal nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.

Frage: Welche Voraussetzungen sind das?

Antwort: Für den Kauf von Resten der Sberbank Europe gibt es – wie auch für andere sanktionierte russische Unternehmen – eine eigene Ausnahmeregelung in der EU-Sanktionsverordnung, sagt Anwalt Marc Lager. Der Deal könnte deshalb abgewickelt werden, allerdings müssten dafür die für die Sanktionen zuständigen Behörden ihren Sanctus geben. In Österreich ist das die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) im Innenministerium. Notwendig wäre wohl auch die Zustimmung der US-Sanktionsbehörde OFAC. Die russische Sberbank bräuchte zudem das Placet der russischen Zentralbank. Die RBI betont seit Bekanntwerden des Projekts "Red Bird", dass sie alle nötigen Genehmigungen einholen würde. Für einen möglichen Kauf der Sberbank-Reste sieht der EU-Sanktionsbeschluss eine Frist bis zum 17. Juni 2023 vor. Die Frist wurde bereits einmal nach hinten verschoben, eine weitere Verlängerung ist möglich. Das Sberbank-Management hat sich voriges Jahr vorgenommen, die Abwicklung bis Ende März zu beenden.

Frage: Weiß man, was die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) zu den Ideen sagt?

Antwort: Als Sanktionsbehörde ist die OeNB nur für Banken zuständig, für die Sber Abwicklungsgesellschaft ist sie es also nicht. Zuständig ist vielmehr die DSN. Die Großbank RBI wird zwar von der EZB beaufsichtigt, aber natürlich beobachtet auch die österreichische Aufsicht die Ereignisse mit Argusaugen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es aus der OeNB, der angedachte Deal sei ein "Spiel mit dem Feuer", denn es gelte, alles zu verhindern, was Probleme mit der US-Sanktionsbehörde verursachen könnte. Grundsätzlich sei die Idee aber nicht schlecht, wenn es darum gehe, Russland oder Belarus (auch da hat die RBI eine Tochter) zu verlassen. Der Reputation der RBI seien die jüngsten Ereignisse, die über Medien publik wurden, aber nicht zuträglich.

Frage: Wie reagiert die Politik?

Antwort: Die Grünen befürchten, dass eine Umsetzung des Projekts Österreich Schaden zufügen könnte, und haben, wie berichtet, eine entsprechende parlamentarische Anfrage bei Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) eingebracht. Im Ö1-"Mittagsjournal" am Mittwoch bezeichnete die Abgeordnete Nina Tomaselli (Grüne) die Pläne der RBI als "Spiel mit dem Feuer" und forderte eine Prüfung durch die Bankenaufsicht FMA. Aus dem Finanzministerium heißt es laut "Morgenjournal" dazu, dass man die parlamentarische Anfrage rechtzeitig beantworten werde. Für eine Prüfung durch die Bankenaufsicht FMA gäbe es allerdings keine Gründe, denn die RBI unterliege der Aufsicht der EZB. Das Ministerium erkenne zudem keine Anzeichen für eine Umgehung der Sanktionen durch die RBI oder eine andere österreichische Bank. (Renate Graber, Jakob Pflügl, 15.3.2023)