Der Wolf-Rayet-Stern Nummer 124 lässt seine Sternwinde fahren und sieht dabei gut aus.
Bild: NASA, ESA, CSA, STScI, Webb ERO Production Team

Acht Monate ist es her, dass die ersten aufsehenerregenden Bilder des James-Webb-Weltraumteleskops veröffentlicht wurden. Die Freude über das Funktionieren das Teleskops in etwa 1,5 Millionen Kilometer Entfernung zur Erde war riesig. Das lag nicht nur daran, dass es mit acht Milliarden Euro eine beachtliche Investition in die Astronomie ist: Abgeschirmt von der Strahlkraft der Sonne und mit ihrem Fokus auf Infrarotstrahlung sind die neuen Instrumente in der Lage, noch tiefer ins Universum zu blicken.

Das neueste Beispiel hierfür wurde am Dienstag veröffentlicht. Es zeigt einen Riesenstern, der sich etwa 15.000 Lichtjahre von der Erde entfernt befindet. Der sogenannte Wolf-Rayet-Stern mit der Nummer 124 hat eine Oberflächentemperatur von rund 35.000 Grad Celsius.

Vergleich mit Hubble

Es ist nicht das erste derartige Bild, das von WR 124 aufgenommen wurde: Im Jahr 2015 veröffentlichte die europäische Weltraumorganisation Esa eine Aufnahme des Sterns und des umgebenden Nebels, die vom Weltraumteleskop Hubble stammt. Hubble konnte einen kleineren Teil des Infrarotbereichs abdecken und weniger Sterne, die im Hintergrund leuchten, darstellen. Doch bereits damals zeigten sich bemerkenswerte Details im Nebel rund um den Riesenstern.

2023 versus 2015: Links vom Schieberegler ist das neue Webb-Bild zu sehen, rechts der Vorgänger von Hubble. Auf dem neuen Bild sind etwa wesentlich mehr Hintergrundsterne erkennbar. Ein charakteristischer Unterschied der Teleskope: Sterne haben in Hubble-Aufnahmen üblicherweise vier lange Strahlen, bei Webb-Aufnahmen sechs lange und zwei kurze Strahlen.

Die Wolf-Rayet-Sterne wurden nach den französischen Astronomen Charles Wolf und Georges Rayet, die die Astronomie des 19. Jahrhunderts prägten, benannt. Sie sind selten und zählen zu den leuchtstärksten und massivsten Sternen, die derzeit bekannt sind. Der hier beobachtete WR 124 hat etwa die 30-fache Masse der Sonne und bereits das Zehnfache der Sonnenmasse abgestoßen. Nicht alle massereichen Sterne durchlaufen in ihrer Lebenszeit eine Wolf-Rayet-Phase, bevor sie am Ende ihres Bestehens in einer Supernova explodieren. Dabei wird der Kern des Sterns freigelegt und die einstige Hülle weggetrieben. Die Phase ist nur kurz und daher ein seltener Anblick.

Rasende Sternwinde

Was auf dem Webb-Bild in altrosa Färbung zu erkennen ist, sind die Sternwinde aus Gas und Staub. Mit diesen Winden stößt WR 124 in hohem Tempo seine Hülle ab, das heiße, klumpige Material erreicht Geschwindigkeiten von mehr als 150.000 km/h. "Wenn sich das ausgestoßene Gas vom Stern entfernt und abkühlt, bildet sich kosmischer Staub, der im Infrarotlicht leuchtet", heißt es in einer Aussendung der US-Weltraumagentur Nasa.

Die Infrarot-Messinstrumente des Webb-Teleskops konnten dies aufnehmen. Auf dem Bild ist der rundherum gebildete Nebel in beeindruckenden Details erkennbar. Das oben dargestellte Bild wurde aus Daten verschiedener Geräte zusammengesetzt. Die NIRCam registriert im Webb-Teleskop Licht im nahen Infrarotbereich und sorgt für die Balance in der Helligkeit des Sterns im Verhältnis zum schwächer leuchtenden Gas und Staub der Umgebung. Kollegin MIRI ist für den mittleren Infrarotbereich zuständig, das Instrument kann kühleren Staub und damit die Struktur des Nebels darstellen.

Im Slider lässt sich das aus NIRCam- und MIRI-Daten zusammengesetzte Bild (links) mit dem lediglich von MIRI stammenden Bild (rechts) vergleichen.

Überschuss im Staubbudget

Interessant ist für Astronominnen und Astronomen beispielsweise, dass sich im oberen und unteren Bereich des Bildes mehr Masse befindet als an den Seiten. "Wolf-Rayet-Sterne sind als effiziente Staubproduzenten bekannt", heißt es in der Nasa-Meldung. Staub, der sich sammelt, kann Planeten entstehen lassen, weshalb sich viele Fachleute näher mit diesem kosmischen Material und seiner Herkunft befassen. "Es gibt immer noch mehr Staub im Universum, als die derzeitigen astronomischen Theorien zur Staubbildung erklären können", schreibt die Nasa.

Der Überschuss im Staubbudget ist also noch ein ungelöstes Rätsel. Webb könnte dabei helfen, mehr über den kosmischen Staub herauszufinden: Es liefert wesentlich ausführlichere Daten als frühere Beobachtungen. So lässt sich anhand der "klumpigen" Struktur des Nebels erforschen, ob die Staubkörner in Größe und Anzahl genug sind, um die Supernova am Ende des Sternenlebens zu überstehen. Wenn ja, könnten sie signifikant zum Staubbudget beitragen.

Versteckt im Sternbild Pfeil

Entdeckt wurde der Riesenstern WR 124 bereits 1938 durch den US-amerikanischen Astronomen Paul W. Merrill. Er liegt im Sternbild Pfeil, dem drittkleinsten Sternbild am Himmel, das sich Mitte März von Zentraleuropa aus zu später Stunde am Nachthimmel erkennen lässt. Der Pfeil (Sagitta) ist nicht mit dem wesentlich größeren Schützen (Sagittarius) zu verwechseln, der sich auf der anderen Seite des Sternbilds Adler befindet.

Der Zoom auf Wolf-Rayet 124 zeigt, wohin man am Nachthimmel blicken müsste, um in die Richtung zu schauen, die die Aufnahme abbildet. Sie befindet sich im kleinen Sternbild Pfeil, 15.000 Lichtjahre von der Erde entfernt.
HubbleWebbESA

Wer eines der Bilder eingehender betrachten oder als Bildschirmhintergrund einrichten möchte: Auf der Website der europäischen Weltraumorganisation Esa lassen sie sich in verschiedenen Größen herunterladen. (Julia Sica, 15.3.2023)