Radfahrerinnen und Radfahrer sind nur für sieben Prozent der Unfälle durch Vorrangverletzung verantwortlich, machen aber rund ein Fünftel aller dabei getöteten Opfer aus. Vor allem E-Biker sind gefährdet (Symbolbild aus Deutschland).

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Wien – Tödliche Verkehrsunfälle aufgrund von Vorrangverletzungen haben 2022 stark zugenommen. Von den insgesamt 369 Menschen, die 2022 auf Österreichs Straßen ums Leben kamen, starben 73, weil der Vorrang missachtet wurde. Damit ist das die zweithäufigste Hauptursache bei Unfällen mit Personenschaden. Für Klaus Robatsch vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) eine Statistik, die alarmierend ist: "Die ungewöhnlich hohe Zahl von 73 Getöteten bei Vorrangverletzungen im Gesamtjahr 2022 ist eine besorgniserregende Entwicklung. Es ist nicht nur der höchste Wert seit mindestens zehn Jahren, sondern auch deutlich höher als der Zehnjahresschnitt von 55 Getöteten pro Jahr."

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KfV (Quelle Statistik Austria)

Die Auswertung der Unfalldaten zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der Verletzten (78 Prozent) und Getöteten (60 Prozent) bei Vorrangverletzungsunfällen nicht die Hauptunfallverursacher waren. Das waren in den meisten Fällen Pkw-Lenkerinnen oder -Lenker (78 Prozent). Autofahrende machen jedoch nur 29 Prozent der Getöteten aus. Noch deutlicher wird dieses Verhältnis bei den schwächeren Verkehrsteilnehmern wie etwa Radfahrerinnen und Radfahrern, denen diese Kolumne gewidmet ist. Im Fünfjahresdurchschnitt wurden nur sieben Prozent der Vorrangverletzungsunfälle von Radlerinnen oder Radlern verursacht, aber sie machen 19 Prozent der dabei Getöteten aus.

Zweiräder und Fußgänger haben höchstes Risiko

Also fast ein Fünftel aller Unfalltoten bei Vorrangverletzung sind Radfahrerinnen und Radfahrer. Noch krasser ist dieses Verhältnis bei Motorrädern: 27 Prozent der Toten, aber nur ein Prozent der Verursacher. Und bei Fußgängern: 16 Prozent der Toten und ebenfalls nur ein Prozent der Verursacher. Der Wert bei den Motorrädern liege vor allem daran, sagt Robatsch, dass dort höhere Geschwindigkeiten im Spiel sind. Insgesamt gelte, erklärt der Experte, dass Zweiräder und Fußgänger bei Vorrangunfällen am gefährdetsten sind.

Im Segment Fahrräder zeigt sich zudem ein besorgniserregender Trend, der auf die Geschwindigkeit zurückzuführen ist, erklärt der KfV-Experte. Denn die meisten tödlich verunglückten Radfahrenden bei Vorrangverletzungsunfällen waren E-Biker (neun), und nur drei waren mit herkömmlichen Rädern ohne Motor unterwegs. Von insgesamt 20 tödlich verunglückten E-Bikern im Jahr 2022 kamen neun bei Vorrangverletzungsunfällen ums Leben. Das ist somit die Hauptursache für tödliche E-Bike-Unfälle.

E-Bikes schwerer einzuschätzen

Experte Robatsch mahnt daher zu besonderer Vorsicht: "E-Bikes beschleunigen viel schneller als herkömmliche Fahrräder. Daher schätzen Autofahrer dies oft falsch ein, was zu gefährlichen Situationen und im Extremfall tödlichen Unfällen führen kann." Umgekehrt empfiehlt Robatsch E-Bikern, die er für besonders gefährdet erachtet, vorausschauend zu fahren und gegenüber Autos besondere Vorsicht walten zu lassen. Denn gerade im Frühjahr, wenn nun wieder mehr Radlerinnen und Radler – egal ob mit oder ohne Motor – unterwegs sind, steige die Unfallgefahr. (Steffen Kanduth, 15.3.2023)