"Resident Evil 4" hat einen ikonischen Charakter der Reihe als Protagonisten. Andere Serien könnten leichter die Diversität in einzelnen Spielen erhöhen.

Foto: Capcom

"Rassismus überschattet Trailer von 'Peter Pan & Wendy'" oder auch "Nichtweiße Fee Tinker Bell sorgt für rassistische Kommentare": Diese Überschriften der letzten Monate zeigen, dass die Besetzung altbekannter Charaktere mit Menschen anderer Hautfarbe als der weißen noch immer ein großer Aufreger ist, selbst wenn es sich um Fantasiewesen handelt. Auch das Geschlecht einer Figur zu ändern war bisher Film und Fernsehen überlassen – mit der dazugehörigen Portion an Onlinekommentaren. Diesem "Hass im Netz" will sich die Gamesbranche offenbar nicht aussetzen und bleibt auch im aktuellen Neuauflagenboom dem Original möglichst treu. Aber ist das jetzt gut, egal oder eine verpasste Chance?

Videospiele messen sich als Unterhaltungsmedium schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, mit Größen wie Film und Fernsehen. Deshalb werden auch in der Joypad- und Maus-Branche immer wieder Diskussionen geführt, die aus der "realen" Welt importiert werden. Bestes Beispiel war zuletzt die hitzige Debatte rund um das mittlerweile über 12 Millionen mal verkaufte Spiel "Hogwarts Legacy". Das Spiel selbst ließ sich nichts zu Schulden kommen, einziger Dreh- und Angelpunkt der Diskussion waren von Anfang an die umstrittenen Ansichten der Harry Potter Mutter J.K. Rowling gegenüber Trans-Personen.

Nun könnte man als Gamerin oder Gamer froh sein, wenn man sich keine Gedanken darüber machen muss, ob das filmische Marvel-Universum die komplette Ausgeglichenheit zwischen weiblichen und männlichen Protagonisten erreicht, welche Hautfarbe Zwerginnen oder Zwerge in Fantasywelten haben oder eben nicht haben, weil es – richtig – Fantasywelten sind. Was ist die korrekte Farbe für ein Einhorn? Geschenkt. Aber wenn Videospielfirmen – offenbar mangels neuer Ideen – immer mehr Remakes auf den Markt bringen, müssten sie sich auch diese Fragen stellen, denen in der Filmbranche so viel Bedeutung zukommt? Ich bin der Ansicht, dass eine bedingungslos freie Hand bei Remakes von Videospielen nicht der richtige Weg wäre.

Zumindest dann nicht, wenn es nicht die gleichen Entwickler sind, die das ursprüngliche Werk zu verantworten hatten. Je drängender ein Remake aufgrund der verstrichenen Zeit zum Original erscheint, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es eben nicht die alte Crew ist, die das Spiel technisch aufbohrt und es einfach noch einmal wissen möchte. In so einem Fall könnte es gegenüber dem ursprünglichen Team genauso gut in Respektlosigkeit umschlagen, wenn die neuen Entwickler glauben, die ursprüngliche Vision eines Spiels umkrempeln zu können. Selbst der gute Wille sollte keine Freikarte sein, nach Belieben in einem Klassiker herumzupfuschen.

Was mir an dieser Überlegung auch widerstrebt, ist die Annahme einer Beliebigkeit, mit der man in Remakes die Charaktere, Geschichten und Spielmechaniken einfach so austauschen könnte. In welcher Hoffnung? Dass es dann der gleiche Hit von damals wird, obwohl es etwas anderes ist? Ändert man Aspekte des Spiels, weil man wirklich davon überzeugt ist – oder vielleicht doch nur in der Hoffnung, dass sich eine populäre Marke mit adaptiertem Zeitgeist an ein altes und ein neues Publikum verkaufen lässt? Das könnte zu einem gewissen Grad nahelegen, dass Videospiele den Kampf verloren haben, in der Wahrnehmung der Gesellschaft als Kulturgut anerkannt zu werden – weil sie eben doch nur daran gemessen werden, wie oft sie sich verkaufen oder Gewinne maximieren.

Natürlich gibt es auch in dieser Branche Altlasten aus der Vergangenheit, auf die man keinesfalls stolz sein darf und die aufzuarbeiten sind. Man sollte sich aber vielleicht besser anders damit auseinandersetzen und falsche Verteilungen nicht einfach wegprogrammieren, als wären sie nie dagewesen. Und wenn sich Entwickler absolut gar nicht mit altem Kram anfreunden können und viel Kreatives beitragen möchten, wäre es ohnehin naheliegender, die Gunst der Stunde zu nutzen und gleich ein neues Spiel zu entwickeln.

Diese Kreativität wird aber augenscheinlich nicht durch aktuelle Bestenlisten befeuert. Sieht man sich beispielsweise das Ranking der besten Neuerscheinungen des heurigen Jahres auf Metacritic an, befinden sich leider verschwindend wenig neue IPs darunter. "Dead Space", "Metroid Prime Remastered", "The Witcher 3" oder "Resident Evil 4" dominieren derzeit das Feld.

Remakes in allen Ehren, gerade Capcom hat mit der Neufassung von "Resident Evil 2" bei Videospielen den Goldstandard dafür vorgelegt. Aber wie oft wollen wir denn noch mit Leon Kennedy die Welt retten? Da wäre es egal, ob Leon schwarz, Jack Krauser doch eine Frau und das gekidnappte Kind einmal männlich ist. Gerade ich als alter, weißer Mann, der schon so viele Spiele erlebt hat, hätte also absolut nichts gegen weniger Remakes einzuwenden. Neue Erlebnisse sind zu bevorzugen – gerne mit Zwerginnen auf Einhörnern, wenn das Gameplay passt. (Benjamin Brandtner, 19.3.2023)