Thomas Wagner am Ball.

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Thomas Wagner, den sie alle "Schutti" nannten, war kein Großer im herkömmlichen Sinn. Keiner, der sich im Talmi-Glamour der großen Fußballwelt einen Namen machen hat wollen oder können. Aber jeder, der den Schutti Wagner einmal kicken gesehen hat – und das waren doch einige –, hat unwillkürlich mit der Zunge geschnalzt: so wunderbar selbstverständlich, so unwiderstehlich, so "lässig, leicht und heiter" war sein Zugang zu dem Spiel. Friedrich Torbergs Beschreibung des Matthias Sindelar passte durchaus auch auf den Schutti Wagner aus dem südburgenländischen Rohrbrunn.

Es war ein Wunder, um nicht zu sagen: eine veritable Lebensleistung, dass Thomas Wagner ballesterisch übers Burgenland nicht hinausgekommen ist. Das halbe Jahr in Hartberg, 1995 war das, darf man, was das betrifft, ruhig vernachlässigen. Denn das steirische Hartberg ist halb burgenländisch. Südburgenländisch.

Und wenn man den Schutti Wagner wo hintun möchte, dann muss es das Südburgenland sein, dessen Kind er in so vielerlei Hinsicht gewesen ist. Angefangen von der so erstaunlichen Bescheidenheit. Zurückhaltung. Ja Schüchternheit zuweilen, die er freilich ablegte, sobald er einlief.

Körperlos

Mitgenommen auf den Platz hat er höchstens die Scheu, seinen Körper einzusetzen. Er versuchte stets, wie Luft zu sein. Ein Trainer – mutmaßlich der ewige Mattersburg-Coach Franz Lederer – mahnte den papierenen Stürmer einst zu mehr Robustheit. Er verwendete dazu die verfänglichen Worte: "Geh eini, mach auch amal a Foul."

Thomas Wagner ging hinein – die Erinnerung sagt, es war ein Spiel gegen den FC Tirol – und trat einen Verteidiger gegens Schienbein, als würde er solcherart einen Dienstauftrag erfüllen. Klarerweise sah er Rot. Und hörte nie mehr ein einschlägig mahnendes Trainerwort.

Leichtfuß

Wagners Fußballkarriere war eine Hättiwari-Laufbahn. Aber eine solche nach offenbar eigenem Entschluss. Es haben sich ja durchaus große österreichische Vereine interessiert für den leichtfüßigen Brieskicker. Aber der brauchte die burgenländische Luft oder Lebensart. Das Kleine und Vertraute. Das nur wenig Intrigante. Die Familie.

In Wahrheit war ihm Mattersburg schon ein bisschen fremd. Nicht der Verein, die Kollegen. Aber doch die Gegend. Der Ort. Im Vergleich zu Rohrbrunn geht Mattersburg ja tatsächlich als "Stadt" durch.

Schlüsselspieler

Fußballspielen lernte Wagner daheim in Rohrbrunn, einer 500 Einwohner großen Katastralgemeinde von Deutsch Kaltenbrunn. Von Rohrbrunn in der südburgenländischen Schutzliga wechselte er 1995 in die Regionalliga nach Hartberg. Nach einem halben Jahr kehrte er wieder heim, spielte in Stegersbach, kehrte wieder heim, spielte in Nova Gora / Neuberg in der Landesliga, von wo er dann im Jahr 2000 nach Mattersburg wechselte, in die 2. Bundesliga.

Bei Mattersburg war er einer der tragenden Spieler einer allmählich wirklich starken – auch spielstarken – Mannschaft, die 2003 erstklassig wurde. Spielgestalter Dietmar Kühbauer und Thomas Wagner waren der Motor des Teams. In manchen – gelungenen – Spielzügen hatte man sogar den Eindruck, Wagner wäre Kühbauers dritter Fuß. So sehr ergänzten die beiden einander.

Oben: Torwart Robert Almer, Ilco Naumoski, Markus Schmidt, Carsten Jancker, Akos Kovrig, Goce Sedloski, Unten: Thomas Wagner, Cem Atan, Csaba Csizmadia, Michael Mörz und Dietmar Kühbauer – Diese Elf spielte 2007 im Europacup gegen den FC Basel.
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Den Absturz seines Vereins im Bankenstrudel 2020 erlebte er längst schon wieder daheim. Zehn Jahre zuvor hatte er seine Profilaufbahn beendet. Er kehrte endgültig heim zu seinem SV Rohrbrunn, wo der glühende Austria-Anhänger seit 2005 auch Obmann war. Als solcher hat er Freund Kühbauer als Spieler engagieren können. 2013 – Rohrbrunn spielte in der burgenländischen 1. Klasse Süd – debütierte der jetzige LASK-Trainer gegen Goberling. Beim 3:1-Sieg erzielte er – Schuttis Zuspiele gewohnt souverän verwertend – zwei Tore.

Thomas "Schutti" Wagner kam am 9. Oktober 1976 im Krankenhaus des steirischen Fürstenfeld zur Welt. Dort starb er, erst 46-jährig, am Mittwoch. (Wolfgang Weisgram, 16.3.2023)