Derzeit ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) unter anderem wegen des Verdachts auf gewerbsmäßigen schweren Betrug gegen den "Datenschutzanwalt".

Foto: Reuters / Arnd Wiegmann

Im Fall jenes niederösterreichischen Anwalts, der im vergangenen Jahr im Auftrag einer Mandantin rund 33.000 Mahnschreiben an Websitebetreiber wegen Datenschutzverletzungen verschickt haben soll, liegen neue Vorwürfe vor. Eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung hat der Salzburger Anwalt Peter Harlander bei der Staatsanwaltschaft eingebracht.

Grund dafür sind ausgerechnet Aussagen von "Datenschutzanwalt" Marcus Hohenecker selbst. In der ORF-Sendung "Bürgeranwalt" hatte Hohenecker behauptet, er habe von seiner Mandantin Eva Z. für seine anwaltliche Tätigkeit ein Honorar nach Stundensatz erhalten. Und auf Nachfrage, wie hoch dieser Stundensatz sei: "Ich kriege das bezahlt, was üblich ist. Einfach das, was man halt als Anwalt verdient."

Damit trat er dem Vorwurf entgegen, sich durch die hohe Anzahl von Schreiben bereichern zu wollen. Derzeit ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt (WKStA) wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs beziehungsweise der gewerbsmäßigen schweren Erpressung.

11.880 Arbeitsstunden für ein Mahnschreiben?

Dem entgegen steht aber die Tatsache, dass Hohenecker in den Schreiben, die im vergangenen August wegen nicht datenschutzkonformer Einbettung von Google-Schriftarten auf Websites verschickt wurden, 100 Euro Schadenersatz für seine Mandantin und 90 Euro als Kostenersatz für seine eigene Arbeit fordert. Denn dann kämen allein durch den Kostenersatz – sofern alle Angeschriebenen die eingeforderte Summe bezahlen – rund 2,97 Millionen Euro zusammen. Die könnte er aber nur einfordern, wenn er sie tatsächlich seiner Mandantin in Rechnung gestellt hätte, argumentiert Rechtsanwalt Harlander.

Legt man den 2,97 Millionen Euro Kostenersatz einen üblichen Stundensatz von 250 Euro zugrunde, würde das bedeuten, dass Hohenecker an seinen Abmahnschreiben knapp 11.900 Stunden oder 495 Tage gearbeitet hat – ohne Pausen. Aus Sicht von Harlander dürfte der tatsächliche Aufwand aber viel geringer gewesen sein. In der Sachverhaltsdarstellung rechnet er vor, dass bei einem vollautomatisiert erstellten Schreiben wie jenem Hoheneckers inklusive Honorar und Versandspesen rund zwei Euro Kosten pro Brief angefallen seien. Der Kostenersatz in Höhe von 90 Euro pro Mahnschreiben könne also nicht zustehen.

"Es steht der Verdacht im Raum, dass hier im Namen von Eva Z. ein Ersatz von Kosten gefordert wurde, welche bei Eva Z. in Wahrheit gar nicht entstanden sind. Dies widerspricht dem Bereicherungsverbot im Schadenersatzrecht", sagt Harlander gegenüber dem STANDARD. Daher habe er eine ergänzende Sachverhaltsdarstellung an die WKStA geschickt, die seit Jahresanfang in der Causa ermittelt, da die potenzielle Schadenssumme fünf Millionen Euro übersteigt. Harlander vertritt über 400 Mandantinnen und Mandanten zivilrechtlich in der Causa.

Datenschutzanwalt Hohenecker vermutet "Kampagne"

Hohenecker argumentiert im Gespräch mit dem STANDARD dagegen, er habe nie behauptet, dass "genau diese Summe" – die 90 Euro – in jedem Fall aufgewendet worden sei: "Das ist das Wesen eines pauschalen Kostenersatzes, den man auf dem Vergleichswege anbietet."

Hohenecker sieht sich einer Kampagne von Harlander ausgesetzt, der "ständig neue Vorwürfe" hervorbringe, um Druck auf die Staatsanwaltschaft aufzubauen. Harlander verfolge ihn zudem im eigenen wirtschaftlichen Interesse. "Wenn Kollegen für Besitzstörungsabmahnungen 380 Euro Kostenersatz fordern, obwohl sie wissen, dass nur rund 86 Euro zustehen, dann gilt das als 'üblich'," so Hohenecker. Die Datenschutzgrundverordnung sei bislang in unzähligen Fällen sanktionslos verletzt worden, darauf wollte er aufmerksam machen.

"Unwohlsein" beim Surfen

Hoheneckers Mandantin Eva Z. hatte nach eigenen Angaben beim Surfen festgestellt, dass angesteuerte Websites über eingebettete Google-Schriftarten ihre Daten an Google weitergeleitet hatten. Das habe bei ihr "Unwohlsein" verursacht, weshalb sie von den Betreibern der Websites 100 Euro Schadenersatz per Mahnschreiben einforderte. Strittig ist unter anderem, inwiefern durch die Verwendung einer Crawling-Software, die das Ansteuern und Analysieren tausender Websites ermöglicht hat, ein "Gefühlsschaden" bei der Mandantin entstanden sein könne.

Zuletzt hatte ein IT-Unternehmer vor der WKStA ausgesagt und die hohe Zahl an Mahnschreiben, die in seiner Firma erstellt und an eine Druckerei weitergereicht worden seien, bestätigt. Vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen hat Anfang März ein Zivilprozess begonnen, der sich um die infrage stehenden Datenschutzverletzungen dreht. (Michael Windisch, 16.3.2023)